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Beim Heiraten schwören sich zwei Menschen ewige Liebe und Treue. Liebe und Treue, Liebe und …. ha ! Ich hab’s ! Nina hat gesehen, dass sich Caro und Marc wirklich lieben ! Das hat sie schon daran gemerkt, dass Marc nicht sie, sondern Caro geküsst hat. Und genau das kann sie jetzt bezeugen. Deswegen ist sie nun natürlich die ideale Trauzeugin. Ich bin einfach ein superschlaues Kerlchen, das muss ich schon sagen. Was mir noch nicht ganz klar ist: Vor wem muss Nina das bezeugen ? Vor den ganzen Hochzeitsgästen ? Oder vor Marcs Mama Hedwig ? Darf die die Heirat sonst möglicherweise verbieten ? Oder wie oder was ?

Während ich noch darüber grüble, was das wohl alles zu bedeuten hat, steht Marc vom Sofa auf – und tritt mir dabei genau auf die Rutenspitze. Aua ! Ich jaule laut auf, Marc springt erschreckt zur Seite.

»Oh, Mann, Herkules, das tut mir leid ! Dich habe ich gar nicht hier liegen sehen. Tut’s noch weh ?«

Na, ehrlicherweise nein. Ich entscheide, dass ein bisschen mehr Jaulen trotzdem keinesfalls schaden kann.

»Armes Dackelchen ! Komm, ich schau mal in der Küche nach einem kleinen Leckerli für Wautzi.«

Guter Mann ! Normalerweise ist Marc niemand, der zum Verwöhnen von Haustieren neigt, aber ein gutes Herz hat er trotzdem. Das würde ich sofort und überall bezeugen. Also, falls Ninas Wort allein nicht genug Gewicht hat: Nehmt mich ! Auch wenn ich nicht sprechen kann. Ich mache mich schon irgendwie verständlich.

In diesem Augenblick kommt es offenbar zu einem der seltenen Fälle von Gedankenübertragung zwischen Haustier und Frauchen. Caro steht vom Sofa auf, folgt Marc in die Küche und stellt sich neben ihn, als er in der Vorratskammer nach dem Leckerli sucht.

»Sag mal, wer soll denn dein Trauzeuge werden ?«

Ich hab’s ja geahnt ! Nina allein reicht nicht als Zeugin für eine Hochzeit ! Sofort hefte ich mich an Caros Bein und wedele euphorisch mit dem Schwanz. Marc schaut erst Caro, dann mich an. Perfekt ! Bestimmt begreift er jetzt, dass der beste Trauzeuge schon vor ihm sitzt. Oder, um es mit dem alten von Eschersbach zu sagen: Warum in die Ferne schweifen ? Sieh, das Gute liegt so nah !

»Mensch, Herkules, nun beruhig dich mal, du kriegst ja gleich dein Goodie. Was hast du gerade gesagt, Caro ?«

Okay. Während die Gedankenübertragung zu Frauchen funktioniert, muss an der zu Frauchens Herrchen noch gearbeitet werden.

»Ich wollte wissen, wer eigentlich dein Trauzeuge werden soll.«

»Tja, da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Vielleicht …« – wildes Schwanzgewedel meinerseits – »Herkules, aus !« Menno ! »Mein Trauzeuge. Gute Frage. Vielleicht Georg ?«

WER ? Georg ? Völlig falsch ! Ich heiße Herkules. HERKULES. Von mir aus auch Carl-Leopold von Eschersbach, mein eigentlicher Name, der leider im Tierheim verlorenging, bevor mich Carolin dort rettete. Auf jeden Fall nicht Georg. Wer ist das überhaupt ? So ein enger Freund kann das ja nicht sein, wenn ich den Namen noch nie gehört habe. Und der soll jetzt an meiner statt als Zeuge dafür dienen, dass man Marc bedenkenlos heiraten kann ? Das Wort eines Unbekannten gilt bei Hedwig offensichtlich mehr als meines, nur weil ich ein Dackel bin und der andere ein Mensch ist ?

Ach Mist, jetzt bin ich wirklich enttäuscht. Niemand nimmt mich hier ernst. Dabei wollte ich eben noch bezeugen, was für ein gutes Herz dieser Blödmann von Marc hat. Warum eigentlich ? Soll er doch sehen, wie weit er mit diesem Georg kommt. Aber wehe, mit dem klappt es nicht: Bei mir ist jetzt zeugentechnisch der Ofen aus, wuff ! Da braucht er gar nicht mehr anzukommen. Beleidigt stelle ich das Wedeln ein und trolle mich aus der Küche. Das Leckerli kann Marc getrost selbst fressen. Menschen sind so verdammt unsensibel !

DREI

Mit Kindern ist es zwar laut, ohne aber ein bisschen langweilig. Deshalb bin ich froh, dass Carolin am nächsten Morgen beschließt, mit Henri einen Ausflug in ihre Werkstatt zu machen. Vielleicht bringt mich Herr Beck auf andere Gedanken, ich bin immer noch ziemlich angefasst wegen dieser Trauzeugengeschichte. Zeit also für ein gutes Gespräch unter Haustieren.

Früher haben wir alle im selben Haus gewohnt, Caro, Herr Beck und ich. Die Werkstatt ist im Erdgeschoss, Caros alte Wohnung war direkt darüber im ersten Stock. Und über uns, im zweiten Stock, wohnte Herr Beck mit seinem alten Frauchen, Frau Wiese. Dann zogen Caro und ich zu Marc und Luisa, und Nina übernahm erst unsere alte Wohnung. Und dann auch noch den fetten Kater, als nämlich Frau Wiese ins Altenheim kam. Ich habe Herrn Beck jeden Tag gesehen, denn erst waren wir Nachbarn, und dann habe ich Caro immer in die Werkstatt begleitet. Jetzt aber sind unsere Besuche selten geworden, denn seit das Baby auf der Welt ist, arbeitet Carolin nur noch wenig. Die meisten Geigen baut jetzt wohl ihr Freund und Kollege Daniel. Und ich merke, dass ich Herrn Beck vermisse.

Allerdings soll es glücklicherweise nicht bei diesem Zustand bleiben. Wenn ich es richtig verstanden habe, endet bald etwas, das sich Elternzeit nennt, und Caro geht wieder täglich in die Werkstatt. Ob das gleichzeitig bedeutet, dass wir Henri zurückgeben, weiß ich nicht. Wäre eigentlich schade, ich mag den Kleinen, auch wenn er nicht besonders schlau ist. Die Art, wie er mich zum Beispiel gerade jetzt sehr zahnlos anstrahlt, ist schon rührend. Nein, ich finde, Rudelmitglieder sollte man behalten, auch wenn sie eigentlich keinen großen Nutzen haben. Schließlich hat von Eschersbach meinem Opili auch noch ein warmes Plätzchen geboten, als man mit ihm nicht mehr auf die Jagd gehen konnte.

»Bawah, gaaah !«, scheint mir Henri zuzustimmen. Mittlerweile kann er in seinem Kinderwagen sitzen und verfolgt alles, was wir auf dem kurzen Spaziergang durch den Park zur Werkstatt sehen, ganz genau. Vögel, Hunde, andere Kinder – jeder wird von ihm mit einem glucksenden Geräusch begrüßt. Erinnert mich sehr an meine ersten Ausflüge in den Park – jede Eichhörnchenfährte war neu und aufregend, bei jedem Kaninchen wollte ich sofort hinterher. Vielleicht sind sich Welpen und Babys doch ein bisschen ähnlich.

Caro öffnet die Pforte, die vom Park direkt in den großen Garten hinter der Werkstatt führt, und schiebt den Kinderwagen hindurch. Ich schnuppere kurz – eindeutig Herr Beck. Sehr gut, dann kann er nicht weit sein ! Wahrscheinlich liegt er neben dem riesigen Baum am Blumenbeet, seinem erklärten Lieblingsplatz. Ich trabe los, um ihn zu suchen.

Noch bevor ich ihn aber entdecken kann, stolpere ich fast über Daniel, der sich dort hingelegt hat, wo ich Herrn Beck vermutet habe: eben neben besagtes Blumenbeet. Ich bremse scharf und komme mit meiner Schnauze genau vor seinem Gesicht zum Stehen. Was macht der denn hier ? Für einen Menschen ist das ein ziemlich ungewöhnlicher Ort, um ein Nickerchen zu machen – ohne Fell ist es zum Draußen-Herumliegen eigentlich noch zu kalt. Ob es Daniel nicht gut geht ? Immerhin hat er die Augen fest geschlossen. Ich schnuppere an ihm: Hm, riecht völlig normal. Tot ist der schon mal nicht. Sehr beruhigend. In der Zwischenzeit ist auch Caro beim Blumenbeet angekommen.

»Daniel, was ist denn mit dir los ? Geht’s dir nicht gut ?«

Frauchen findet das also auch nicht normal, wenn sich Daniel zwischen die Rabatten haut. Wie gut ich die Menschen doch inzwischen kennen !

Daniel öffnet die Augen und blinzelt uns an.

»Oh, hallo, ihr beiden ! Oder besser: ihr drei !« Er rappelt sich hoch. »Mir geht’s gut. Ich spüre nur gerade meinen Chakren nach. Genauer gesagt meinem Anahata-Chakra.«

»Aha.«

Mehr sagt Carolin dazu nicht, und auch Baby Henri schaut ungläubig. Was macht Daniel ? Ich verstehe kein Wort, und da bin ich offensichtlich nicht der Einzige.

Daniel scheint zu merken, dass ihm hier das geballte Unverständnis entgegenschlägt, denn er setzt sofort zu einer Erklärung an.

»Also, das Anahata-Chakra ist das Herzchakra und gleichzeitig der Mittelpunkt des Chakrensystems. Swami vermutet dort eine Blockade, deshalb versuche ich, diesen Teil meines Selbst auch im Alltag bewusster wahrzunehmen. Das kann ich aber nur hier draußen, in der Werkstatt bin ich zu abgelenkt. Zu viele negative Energiefelder.«