Ich kann nicht sagen, dass mich diese Erklärung irgendwie weiterbringt. Aber ich bin ja hier auch nur der Hund. Vielleicht kann Carolin damit etwas anfangen. Ich werfe einen Blick auf ihr Gesicht – ihre Augenbrauen sind so hochgezogen, dass sie schon fast ihren Haaransatz berühren. Also eher nicht.
»Wer ist denn Swami ?«
»Claudias Yogalehrer.«
»Was in aller Welt hast du denn mit Claudias Yogalehrer zu schaffen ? Und warum empfiehlt der dir, bei ungemütlichen zehn Grad vor der Werkstatttür zu liegen und deinem Herzchakra nachzuspüren ?«
Daniel sagt dazu erst einmal nichts, sondern klopft sich ein paar Grashalme von der Hose. Er scheint nachzudenken. Wahrscheinlich über die passende Antwort. Da bin ich wirklich mal gespannt. Die kann ja nur exotisch ausfallen. Yogalehrer – was das wohl ist ?
»Claudia und ich haben ein Yoga-Wochenende für Paare mit Swami besucht. Wir hatten das Gefühl, das könnte hilfreich für unsere Beziehung sein.« Er räuspert sich. »Na ja, Claudia hatte den Eindruck, das könnte hilfreich für unsere Beziehung sein. Sie findet, wir müssen daran arbeiten.«
Auweia ! Ich habe zwar nicht viel verstanden, aber eines ist klar: Sobald bei Menschen das böse Wort Beziehung fällt, wird es richtig kompliziert. In meinen mittlerweile drei Jahren als Haustier habe ich noch kein Gespräch über eine Beziehung erlebt, das ansatzweise erfreulich verlaufen wäre. Und besonders heikel wird es, wenn an der Beziehung gearbeitet werden soll. Wobei ich ganz lange gebraucht habe, um zu verstehen, was es da zu arbeiten gibt. Normalerweise ist Arbeit beim Menschen ja etwas anderes: Carolin baut in ihrer Werkstatt Geigen und bekommt dafür von Leuten, die eine Geige haben wollen, Geld. Und damit kann sie dann zum Beispiel ein schönes Stück Fleischwurst kaufen. Und Marc heilt als Arzt kranke Tiere oder kümmert sich vorher drum, dass sie gar nicht erst krank werden. Worauf ich hinauswilclass="underline" Arbeit hat beim Menschen eigentlich etwas mit machen zu tun. Bei der Beziehungsarbeit wird hingegen nach meiner Wahrnehmung vor allem geredet. Und zwar stundenlang. Ohne etwas zu machen. Vielleicht funktioniert diese Art Arbeit deswegen auch so schlecht.
»Das klingt ja nicht so gut. Aber willst du mir die ganze Geschichte nicht lieber drinnen erzählen ? Mir wird kalt, und ich glaube, es fängt an zu regnen.«
Stimmt. Mir wird langsam ein wenig feucht ums Halsband, und Klein Henri steckt zwar in einer Art Plastiküberzug, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass der sonderlich bequem ist. Herrn Beck habe ich auch noch nicht erspäht – es gibt also wirklich keinen Grund mehr, hier länger rumzustehen.
In der Werkstatt angekommen geht Daniel in die Küche. Dem Geruch nach zu urteilen, setzt er einen Kaffee auf. Sehr schön ! Wenn Daniel und Caro jetzt erst mal einen Kaffee trinken, dann bleiben wir noch ein Weilchen. Schließlich will Caro nicht nur quatschen, sondern auch ein paar Dinge erledigen, um die sich Daniel nicht kümmern kann. So hat sie es jedenfalls Marc erzählt. Ich kann mir folglich noch anhören, was Daniel zum Thema Beziehungsarbeit mit Claudia sagt, und habe trotzdem noch Zeit, nach Herrn Beck zu suchen.
Normalerweise würde mich dieses Menschengerede nicht interessieren, aber zufälligerweise gehört Claudia die schönste Hündin der Welt: Cherie. Als ich sie vor zwei Jahren zum ersten Mal sah, war es Liebe auf den ersten Blick. Jedenfalls bei mir. Tagelang glaubte ich, an einer ganz schlimmen Krankheit zu leiden, weil ich so starkes Herzrasen und Magendrücken hatte. Bis mir Herr Beck irgendwann erklärte, dass es sich nun mal so anfühlt, wenn man verliebt ist.
Leider war ich wohl der einzige Hund mit Herzrasen – Cherie jedenfalls verspürte nichts von alledem. Sie fand mich zwar nett – mehr aber wohl auch nicht. Fürchte ich jedenfalls. So ganz haben wir das nie geklärt, und deswegen schlummert in mir auch immer noch ein Fünkchen Hoffnung. Ein grausames Fünkchen, denn solange ich noch hoffe, kann ich sie auch nicht vergessen. Und hier kommt Claudia ins Spieclass="underline" Wäre die nicht mit Daniel zusammen, würde ich Cherie vielleicht gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. So aber sehe ich sie hin und wieder, und jedes Mal ist es schön und schrecklich zugleich. Wenn Claudia und Daniel jetzt aber anfangen, an ihrer Beziehung zu arbeiten, kann es gut sein, dass sie bald kein Paar mehr sind. Und dann werde ich Cherie nie wiedersehen. Jaul !
Caro und Daniel haben sich inzwischen mit ihren Kaffeetassen in den großen Werkraum verzogen, Henri ist offenbar auf der Decke, die wir für ihn mitgenommen haben, eingeschlafen, und ich lege mich neben Caros Füße.
»Also, es fing eigentlich alles damit an, dass wir uns nach der Party von Nina und Alex so richtig in die Wolle bekommen haben.«
»Echt ?« Caro klingt ungläubig. »Ich habe überhaupt nicht mitbekommen, dass die Stimmung bei euch nicht gut war.«
»Na, auf der Party war sie auch noch gut. Jedenfalls bei mir. Aber auf dem Nachhauseweg haben wir uns so gestritten, dass Claudia mich am U-Bahnhof hat stehen lassen und mit dem Taxi nach Hause gefahren ist. Ich hatte keinen Schlüssel mit, und als ich dann endlich draußen in Volksdorf ankam, hat sie mich echt nicht reingelassen. Hab dann im Schuppen geschlafen – das war vielleicht ein Scheiß !«
Caro schüttelt den Kopf.
»Wow ! Wie ätzend ! Vielleicht hättest du doch nicht aufs Land ziehen sollen. Dann hättest du immerhin in der Werkstatt pennen können.«
»Erstens ist Volksdorf nicht auf dem Land, sondern ein Stadtteil von Hamburg, wenn auch nicht ganz im Zentrum. Und zweitens hast du recht. In dem Moment habe ich mir auch gewünscht, ich würde noch hier in der Nähe wohnen.« Er lächelt schief.
»Worüber habt ihr euch denn so gestritten ?«
Daniel zuckt mit den Schultern.
»Tja, wenn ich das so genau erklären könnte. Claudia findet irgendwie, ich bringe mich nicht genug ein. Sie meint, ich lasse lieben.«
»Du lässt lieben ? Was meint sie denn bloß damit ?«
»Na ja, sie meint, dass ich keine eigenen Gefühle in unsere Beziehung einbringe. Alles, was emotional sei, ginge von ihr aus. Sie würde quasi für mich mitlieben. Ich sei da total blockiert und müsse ermutigt werden, Gefühle auch zuzulassen. Und deswegen auch der Kurs bei Swami.«
»Aha.«
Carolin ist schon ein sehr höflicher Mensch, sie würde Daniel vermutlich nie direkt sagen, wenn sie dies für den größten Unsinn seit der Erfindung der Hundeleine hielte. Aber immerhin klingt sie jetzt gerade extrem skeptisch. Ich schaue zu ihr hoch: Ja. Sie sieht auch so aus. Extrem skeptisch. Daniel scheint das aber nicht zu bemerken, vermutlich ist er gerade zu sehr damit beschäftigt, sein Herzchakra zu suchen.
Ein vertrauter Duft weht mir in die Nase: Herr Beck ! Ich schaue in Richtung Duft – tatsächlich windet sich Beck gerade durch die Terrassentür, die einen Spalt offen steht. Faszinierend. Dass dieser dicke Kater durch so eine schmale Öffnung passt ! Irgendwie können sich Katzen dünner machen, als sie in Wirklichkeit sind.
»Hallo, Kollege«, begrüßt er mich, »kleiner Familienausflug in die alte Heimat ?«
»Ja, eigentlich wollte Caro irgendetwas Geschäftliches mit Daniel besprechen, aber jetzt erzählt Daniel die ganze Zeit von seinem Herzchakra und irgend so einem Typen namens Swami. Der soll ihm helfen, seine Beziehung zu Claudia auf die Reihe zu kriegen. Also, ganz verstanden habe ich es nicht. Das übliche wirre Menschenzeugs, wenn es um Gefühle geht.«
Herr Beck nickt und gähnt.
»Ja, ich glaube, da läuft es momentan nicht so rund. Ich habe Claudia auch schon länger nicht mehr hier gesehen. Dafür singt Daniel neuerdings so seltsame Lieder. Vielleicht verstehen die sich deswegen gerade nicht gut. Daniel kann nämlich überhaupt nicht singen. Es klingt grauenhaft.«