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»Nun, meine Liebe«, antwortete Monro süffisant, »ich bin zum Beispiel gar nicht mehr sicher, wie lange Sie sich noch Ihrer Freiheit erfreuen können.«

»Wo ist Faye?«, fragte Bast eisig. Sie wollte nicht einmal über diesen Unsinn nachdenken.

»Oh, nur keine Sorge«, antwortete Monro. »Sie ist so sicher, wie es überhaupt nur geht. Möchten Sie sich vielleicht selbst davon überzeugen?« Er wartete ihre Antwort erst gar nicht ab, sondern drehte sich ruckartig auf dem Absatz herum und fuhr den erstbesten Mann in seiner Nähe an. »Haben Sie mich nicht verstanden? Dieses Theater hier hört unverzüglich auf! Legen Sie die Waffen weg! Und Sie, Verehrteste«, fuhr er, nun wieder an Bast gewandt, aber in unverändert scharfem Ton fort, »haben bitte die Freundlichkeit, mich zu begleiten!«

»Wohin?«, fragte Bast misstrauisch.

»Ich dachte, Sie wollten Ihre kleine Freundin besuchen und sich überzeugen, dass es ihr gut geht«, antwortete Monro. »Also, wenn ich bitten dürfte?« Er unterstrich seine Worte mit einer einladenden Geste, machte aber auch gleich darauf eine abwehrende Handbewegung, nun doch stehen zu bleiben, und winkte zwei Konstabler herbei. »Durchsuchen Sie sie!«

Bast spannte sich - trotz ihrer geschwundenen Kräfte wäre es für sie immer noch ein Leichtes gewesen, die Beamten davon abzuhalten -, aber Abberline warf ihr einen hastigen Blick zu und deutete ein Kopfschütteln an, sodass sie aufstand und sich widerstandslos abtasten ließ. Sie verstand nicht im Geringsten, was hier überhaupt vorging, aber sie war eher verwirrt als wirklich beunruhigt.

Monro wirkte nicht besonders überrascht, als ihm einer der Männer das Schwert reichte, das er aus ihrem Gürtel gezogen hatte.

»Vielleicht war ich gerade doch etwas vorschnell«, sagte er lediglich. »Behalten Sie Ihre Waffen vorerst noch, meine Herren.« Er machte eine befehlende Geste zu Bast. »Kommen Sie!«

Ohne auf ihre Reaktion zu warten, wandte er sich um und ging mit schnellen Schritten auf die Tür zu, hinter der vorhin die Männer die Waffen hervorgeholt hatten. Bast, Maistowe, Abberline und Mrs Walsh folgten ihm. Und sechs bewaffnete Polizisten.

Sie durchschritten die Tür und gelangten in einen schmalen, nur trübe beleuchteten Gang, von dem mehrere massive Türen abzweigten, die ausnahmslos mit schweren eisernen Schlössern und Riegeln gesichert waren. Auf einen Wink Monros hin eilte einer der Bobbys voraus und entriegelte eine noch massivere, aus schweren Eichenbohlen gefertigte Tür am Ende des Korridors. Obwohl sie so neu sein mussten wie das gesamte Gebäude, quietschten die Angeln hörbar, als die Tür aufschwang.

»Dort unten geht es zum Zellentrakt!«, sagte Abberline.

»Was haben Sie erwartet?«, schnauzte Monro. »Sie wollten, dass sie sicher untergebracht wird. Sicherer als in einer unserer Zellen geht es nicht. Wovon Sie sich gleich selbst überzeugen können.«

Bast war immer noch nicht wirklich besorgt - das Gefängnis, das sie gegen ihren Willen halten konnte, musste erst noch gebaut werden -, aber sie wurde immer zorniger. Ganz gleich, auf welch brillante Idee Monro in der Zwischenzeit auch gekommen sein mochte und für wie sicher er sich inmitten seiner bewaffneten Männer auch fühlen mochte, er hatte nicht die geringste Ahnung, auf was er sich hier eingelassen hatte. Darüber hinaus würde die kleine Armee, die er zusammengetrommelt hatte, um sie zu beeindrucken, Isis ziemlich kalt lassen.

Die Treppe führte unerwartet steil in die Tiefe, und ein muffiger, feuchter Geruch schlug ihnen entgegen. Es war kalt; wie es Bast vorkam, beinahe ebenso kalt wie draußen auf der Straße.

»Der Zellentrakt ist alt«, sagte Abberline, dem ihre überraschten Blicke nicht entgangen waren. »Das Haus ist auf den Fundamenten eines viel älteren Gebäudes errichtet worden.«

»Schweigen Sie, Inspektor«, sagte Monro. »Bevor ich ernsthaft darüber nachzudenken beginne, Ihnen ebenfalls ein neues Büro hier unten zuzuweisen.«

Abberline verstummte, und Bast versuchte noch einmal, in Mrs Walshs oder Maistowes Gesicht zu lesen. Aber auch jetzt wieder vergeblich. Ihr Hiersein konnte jedoch nichts Gutes bedeuten.

Sie gingen einen langen, aus schwerem Bruchstein erbauten Gang entlang, von dem eine Anzahl niedriger Türen abzweigte. Anders als der Rest des Untergeschosses waren die Türen neu, und die meisten davon standen offen, sodass Bast im Vorbeigehen einen Blick in die dahinter liegenden Räume werten konnte: Winzige, kahle Zellen ohne Fenster oder eine sichtbare Frischluftzufuhr, deren gesamte Einrichtung aus einer schmalen Pritsche, einem Tisch und einem Zinkeimer mit Deckel bestand.

»Ihre Pension ist im Moment nicht besonders gut ausgebucht«, sagte Bast spöttisch.

Monro antwortete, ohne sie anzusehen. »Die Zellen werden offiziell noch nicht benutzt. Wir haben nur das Mädchen hier untergebracht.« Er blieb stehen, sah sie nun doch an und wies auf die letzte Tür, ganz am Ende des Ganges. »Ich bin Ihnen zwar keine Rechenschaft schuldig, aber das hier unten ist tatsächlich der sicherste Ort im ganzen Yard. Niemand kommt hier herein.«

»Und niemand heraus.«

»Und niemand heraus«, bestätigte Monro ungerührt. »Und so ganz nebenbei ist dieser Keller auch noch absolut schalldicht. Sie könnten hier unten eine Kanone abfeuern, ohne dass jemand es hört ... aber sie wollten das Mädchen sehen, nicht wahr?«

Er ging weiter, ohne ihre Reaktion abzuwarten, bedeutete einem der Bobbys in seiner Begleitung, die Tür zu öffnen, auf die er gerade gedeutet hatte und machte eine einladende Geste. Bast tauschte einen Blick mit Abberline, bekam ein mindestens genauso irritiertes Achselzucken zur Antwort und ging zu ihm. Monro maß sie mit einem sehr sonderbaren Blick und machte ihr Platz, damit sie die Zelle betreten konnte.

Wenn man darin war, war die Gefängniszelle noch viel kleiner als von außen betrachtet. Eine nahezu heruntergedrehte Petroleumlampe verbreitete einen blassen gelben Schein, der die allgegenwärtige Kälte aber noch zu betonen schien. Faye lag auf dem Bett, den angewinkelten Arm unter den Kopf geschoben und das Gesicht zur Wand gedreht, und schien zu schlafen. Aber Bast spürte, dass sie wach war. Sie spürte auch, dass sie geweint hatte.

»Hallo Faye«, sagte Bast. »Ich bin es, Bast. Es ist alles in Ordnung.«

Im allerersten Moment sah es so aus, als wolle sich Faye einfach schlafend stellen; eine Rolle, die sie so perfekt spielte, dass selbst Bast einen Augenblick lang unsicher war. Dann aber zog sie die Hand unter dem Gesicht hervor, richtete sich langsam auf und schwang die Beine von der Pritsche. Bast hatte nicht unbedingt damit gerechnet, dass sie aufspringen und ihr um den Hals fallen würde, aber Faye sah sie einfach nur an und rührte sich überhaupt nicht.

»Geht es dir gut?«, fragte sie schließlich.

»So gut wie es einem eben geht, wenn man im Gefängnis sitzt«, antwortete Faye. »Ist das das neue Leben, das du mir versprochen hast?«

»Unsinn!« Bast schüttelte ärgerlich den Kopf und trat einen Schritt näher, blieb aber sofort wieder stehen, als sie spürte, dass sie im Begriff stand, Fayes persönliche Fluchtdistanz zu unterschreiten. »Monro hat dich hierhergebracht, weil du hier angeblich sicher bist. Aber Monro ist ein Idiot. Ich hol dich hier raus, keine Angst.«

»Und wann?« In Fayes Stimme war nicht eine Spur von Zuversicht oder gar Hoffnung.

»Heute«, antwortete Bast. Sie verbesserte sich. »Jetzt. Auf der Stelle. Ich nehme dich mit.«

»Ach, und du glaubst, er lässt das einfach so zu?«

Statt Faye eine Antwort zu geben, die sie ihr ohnehin nicht geglaubt hätte, drehte sich Bast mit einem Ruck herum und trat wieder in den Gang hinaus.

Sie erlebte eine Überraschung. Monro stand nicht vor der Tür und lauschte, wie sie als sicher vorausgesetzt hatte, sondern hatte sich nicht nur ein paar Schritte entfernt, sondern offensichtlich seine Leute weggeschickt. Bast sah gerade noch, wie sich der Letzte von ihnen herumdrehte und mit verstörtem Gesichtsausdruck und schnellen Schritten davonging.