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jeder andere Mensch wäre unter diesen Bedingungen hilflos flach am Boden kleben geblieben. Um an die Spritzpistole in der Schlafkabine zu gelangen, benötigte er dennoch eine Viertelstunde, während der das Baby praktisch ununterbrochen einen ohrenbetäubenden Lärm veranstaltete. Aufgrund des erhöhten Luftdrucks war der Krach so unerträglich laut und durchdringend, daß sämtliche Knochen in O’Maras Körper mitzuschwingen schienen.

„Ich versuche, mit Ihnen zu reden!“ brüllte der Monitor während einer kurzen Verschnaufpause des Alien-Babies. „Können Sie diesem Schreihals nicht mal das Maul stopfen?“

„Der Kleine hat Hunger“, keuchte O’Mara. „Sobald ich ihn gefüttert hab, wird er sich beruhigen.“

Die Spritzpistole war an einer Art Sackkarre befestigt, an die O’Mara ein Pedal angebracht hatte, um beide Hände zum Zielen frei zu haben. Da sein kleiner Schützling durch die vier Ge fast außer Gefecht gesetzt war, brauchte O’Mara jetzt seine Hände nicht zu benutzen. Statt dessen rückte er die Sackkarre mit den Schultern in die richtige Position und drückte das Pedal mit dem Ellbogen nach unten. Wegen der zusätzlichen Schwerkraft tendierte der Hochdruckstrahl dazu, sich nach unten zu neigen, aber schließlich gelang es ihm, das Kind mit dem Nahrungspräparat zu bedecken. Die entzündeten Stellen vom Nahrungsbrei zu reinigen war schon etwas schwieriger. Die Wasserdüse, die vom Boden aus nur sehr schlecht zu bedienen war, arbeitete völlig unpräzise. Am besten gelang es ihm noch, die große, leuchtendblaue Stelle abzusprühen, die sich aus drei zusammengewachsenen Flecken gebildet hatte und mittlerweile fast ein Viertel der gesamten Hautoberfläche bedeckte.

Danach streckte O’Mara die Beine aus und sackte mit dem Rücken allmählich zu Boden. Trotz der drei Ge, die auf ihm lasteten, empfand er diese Lage nach der Anstrengung der letzten halben Stunde, die er in halbsitzender Position verbracht hatte, fast als bequem.

Das Baby hatte aufgehört zu schreien.

„Was ich eigentlich gerade sagewollte, ist, daß die früheren Zeugnisse Ihrer Arbeitgeber dem widersprechen, was ich hier vorfinde“, meldete sich der Monitor genervt, als die entstandene Ruhe ein paar Minuten anzuhalten schien. „Zwar sind Sie schon immer ein ungeduldiger Querkopf gewesen, bei Ihren Kollegen aber waren Sie ausnahmslos beliebt, sogar bei Ihren Vorgesetzten. Bei Letzteren allerdings nur mit einigen Abstrichen, was anscheinend darauf zurückzuführen ist, daß diese sich — ganz im Gegensatz zu Ihnen — hin und wieder irrten.“

„Ich war denen kein Stück unterlegen und hab das auch oft genug bewiesen“, sagte O’Mara erschöpft. „Aber ich sehe einfach nicht intelligent genug aus und wirke eben auf die meisten Leute nur wie ein hirnloser Muskelprotz.“

Eigenartig, dachte O’Mara, aber seine persönlichen Schwierigkeiten schienen ihn in diesem Augenblick kaum noch zu interessieren. Er konnte einfach von der entzündeten blauen Stelle auf der Haut des Kleinen nicht wegsehen. Die Farbe war dunkler geworden, und der Fleck schien in der Mitte angeschwollen zu sein. Es sah ganz so aus, als wäre die extrem harte Oberhaut an dieser Stelle weich geworden und als hätte der starke innere Druck des FROB dort eine Schwellung verursacht. Durch die Erhöhung der Schwerkraft und des Drucks auf hudlarische Norm hoffte O’Mara, diese Entwicklung zum Stillstand zu bringen — es sei denn, es handelte sich um Symptome einer völlig anderen Krankheit.

Er hatte sogar daran gedacht, mit seiner Idee noch einen Schritt weiterzugehen und den gesamten Raum mit dem Nahrungspräparat vollzusprühen. Auf Hudlar bestand die Nahrung der Eingeborenen aus winzigen Organismen, die in der extrem dichten Atmosphäre herumschwebten, aber im Handbuch wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, man müsse sämtliche Nahrungsteilchen von den befallenen Hautstellen fernhalten, so daß die zusätzliche Schwerkraft und der erhöhte Druck ausreichen sollten.

„…trotzdem“, meldete sich der Monitor, „wenn ein ähnlicher Unfall auf einer Ihrer früheren Arbeitsstellen passiert wäre, hätte man Ihnen Ihre Geschichte geglaubt. Und selbst wenn Sie schuld daran gewesen wären, hätte man sich schützend vor Sie gestellt, um Ihnen solche Leute wie mich vom Leib zu halten. Wodurch haben Sie sich eigentlich von einem so freundlichen, sympathischen Menschen von damals zu dem, was Sie heute sind, entwickelt.?“

„Ich hab mich gelangweilt“, gab O’Mara knapp zur Antwort.

Bislang hatte der kleine Hudlarer noch keinen Laut von sich gegeben, aber O’Mara hatte die typischen Tentakelbewegungen des FROB registriert, die einen baldigen Lärmausbruch ankündigten. Und dieser ließ auch nicht lange auf sich warten. Folglich war die nächsten zehn Minuten keine weitere Unterhaltung möglich.

O’Mara wälzte sich auf die Seite und rollte sich wieder auf seine mittlerweile abgeschürften und blutenden Ellbogen. Er wußte, wo der Fehler lag — das Baby vermißte die sonst üblichen Liebkosungen nach dem Füttern. Er schleppte sich langsam zu den beiden Seilen mit den Gegengewichten, die zu der Flaschenzugkonstruktion gehörten, die er sich für das Streicheln des Kleinen ausgedacht hatte, und bereitete sich darauf vor, das Versäumte nachzuholen. Aber die Seilenden hingen mehr als einen Meter über dem Boden.

Auf einen Ellbogen gestützt und darum bemüht, seinen furchtbar schweren anderen Arm zu heben, bekam O’Mara das Gefühl, als sei das Seil meilenweit von ihm entfernt. Durch die ungeheure Anstrengung rann ihm der Schweiß über Gesicht und Körper. Er zitterte und schwankte so stark, daß er trotz seines Handschuhs beim erstenmal abglitt, doch schließlich bekam er es zu fassen. Als er sich langsam zu Boden sinken ließ, umfaßte er das Seil noch immer fest.

Die Vorrichtung funktionierte durch eine spezielle Anordnung von Gegengewichten, so daß er an den Halteseilen nicht noch einmal zusätzlich ziehen mußte. Ein schweres Gewicht stürzte genau auf den Rücken des hudlarischen Kindes und verabreichte ihm so einen beruhigenden Klaps. O’Mara verweilte ein paar Minuten, dann kämpfte er sich wieder ein Stück hoch, um den Vorgang mit dem anderen Seil zu wiederholen. Kaum hatte er daran gezogen, wurde das erste Gewicht gleichzeitig wieder in seine Ausgangsstellung zurückbefördert.

Nach etwa acht Klapsen mußte er feststellen, daß er das Ende des Seils, nach dem er gerade griff, nicht mehr sehen konnte, obwohl er es fest umschlossen hielt. Offensichtlich hatte er den Kopf zu lange hochhalten müssen und stand nun kurz vor einer Ohnmacht. Die verringerte Durchblutung seines Gehirns hatte auch noch andere Auswirkungen.

„…nun komm schon, mein Kleiner, sei brav“, hörte sich O’Mara mit einer eindeutig rührseligen Stimme sagen. „Jetzt geht’s dir doch bestimmt schon besser, nicht wahr? Papi kümmert sich ja um dich. pssst. ach, was für ein liebes Baby du doch bist.“

Das Komische daran war, daß er trotz eines gewissen Widerwillens aufrichtige Verantwortung für das Kind empfand und seine Besorgnis um den Kleinen sehr groß war. Schließlich hatte er das Baby damals gerettet. und das hatte er nun davon! Vielleicht riefen auch die drei Ge, durch die er gegen den Boden gepreßt wurde — wobei jeder Atemzug zu Schwerstarbeit wurde und die geringste Bewegung die letzten Kraftreserven aufzehrte — Erinnerungen an eine andere Art von Druck in ihm hervor, nämlich an das langsame und unaufhaltsame Zusammenstreben zweier großer lebloser und gefühlloser Metallmassen.

Der Unfall.

O’Mara, damals verantwortlicher Monteur der diensthabenden Schicht, hatte gerade die Warnleuchten angeschaltet, als er die beiden erwachsenen Hudlarer auf der Stirnseite eines der Verbindungsstücke ihrem Baby nachjagen sah. Er warnte sie über seinen Translator und bat sie eindringlich, sich in Sicherheit zu bringen und es ihm zu überlassen, den Kleinen dort zu verjagen — da das Kind viel kleiner als seine Eltern war, wäre es nicht so schnell von den Stirnseiten erfaßt worden, und während dieser paar zusätzlichen Minuten hätte O’Mara es aus der Gefahrenzone vertreiben können. Aber entweder waren damals die Translatoren der beiden Hudlarer abgeschaltet, oder sie wollten die Sicherheit ihres Kindes nicht einem dieser winzigen Menschen anvertrauen. Aus welchem Grund auch immer blieben sie jedenfalls zwischen den Stirnseiten stehen, bis es zu spät war, und O’Mara mußte hilflos dabei zusehen, wie die beiden zwischen den Verbindungsstücken eingeklemmt und schließlich zermalmt wurden.