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Der Anblick des kleinen Hudlarers, der wegen seiner geringeren Größe noch immer unverletzt geblieben war und sich zwischen den leblosen Körpern seiner Eltern abstrampelte, ließ O’Mara mit leichter Verspätung handeln. Aber es gelang ihm schließlich, das Baby aus der Gefahrenzone zu vertreiben, ehe es auch von den Verbindungsstücken eingeklemmt werden konnte. Er selbst schaffte es gerade noch in letzter Sekunde zu entwischen, wobei er schon befürchtet hatte, ein Bein zurücklassen zu müssen.

Das hier war sowieso kein Platz für Kinder, sagte er sich wütend, als er jetzt auf den bebenden und zuckenden Körper mit den schuppigen, dunkelblauen Flecken blickte. Eigentlich müßte es sogar verboten sein, Kinder hierherzubringen, selbst wenn sie so kräftig wie die hudlarischen Babies waren.

Aber Major Craythorne meldete sich nun wieder zu Wort.

„…nach dem zu urteilen, was dort akustisch bei Ihnen vor sich geht, scheinen Sie sich ja geradezu aufopferungsvoll um Ihren Pflegling zu kümmern“, bemerkte der Monitor mit leicht ironischem Unterton. „Wenn Sie den Kleinen bei guter Laune und Gesundheit halten, wird das sicherlich zu Ihrem Vorteil sprechen.“

Bei guter Laune und Gesundheit halten, dachte O’Mara, während er erneut an einem Seil zog. Gesundheit…!

„…aber es gibt noch andere Überlegungen“, fuhr die ruhige Stimme fort. „Wichtig ist zum Beispiel die Frage, ob der allgemein gegen Sie erhobene Vorwurf der Fahrlässigkeit gerechtfertigt ist, weil Sie die Warnleuchten erst nach dem Unfall eingeschaltet haben sollen. Und völlig ungeachtet Ihrer früheren Zeugnisse, haben Sie sich zumindest hier auf der Baustelle wie ein mürrischer und streitsüchtiger Raufbold aufgeführt. Besonders Ihr Verhalten gegenüber Waring ist.“

Der Monitor brach ab, blickte leicht mißbilligend drein und fuhr dann fort: „Vor wenigen Minuten haben Sie gesagt, daß Sie sich so verhalten, weil Sie sich langweilen. Erklären Sie mir das bitte genauer.“

„Moment mal, Major“, fuhr Caxton dazwischen, wobei sein Gesicht plötzlich hinter Craythornes auf dem Schirm erschien. „Ich bin mir sicher, er versucht aus irgendeinem Grund Zeit zu schinden. All diese Unterbrechungen, diese keuchende Stimme, mit der er spricht, und dieses ganze „Ei-wo-ist-denn-unser-Kleiner“-Gehabe macht er doch nur, um uns zu zeigen, was für ein tolles Kindermädchen er ist. Ich denke, ich begebe mich am besten zu ihm und hole ihn hierher, damit er Ihnen die Fragen von Angesicht zu Angesicht beantworten kann.“

„Das wird nicht nötig sein“, wandte O’Mara sofort ein. „Ab sofort stehe ich Ihnen für alle Fragen zur Verfügung.“

In einer regelrechten Schreckensvision stellte er sich Caxtons Reaktion vor, wenn dieser das Alienbaby in seinem gegenwärtigen Zustand zu sehen bekäme; zwar wurde O’Mara von dem Anblick des Kleinen selbst schlecht, aber er hatte sich wenigstens mittlerweile daran gewöhnt. Caxton würde nicht lange überlegen oder gar auf eine Erklärung warten und erst recht nicht sich selbst fragen, ob es fair gewesen war, einen ET in die Obhut eines Menschen zu geben, der keinerlei Kenntnisse von der Physiologie und dem Krankheitsbild des Aliens besaß. Caxton würde lediglich reagieren, und das mit aller Schärfe.

Und was den Monitor betraf…

O’Mara hoffte, aus der Geschichte mit dem Unfall möglicherweise ungeschoren davonzukommen, sollte das Baby aber sterben, hatte er keine Chance. Zwar hatte sich das Kind nur eine leichte, wenn auch ungewöhnliche Krankheit zugezogen, sie hätte aber schon vor Tagen richtig behandelt werden müssen. Da dies nicht geschehen war, hatte sich sein Zustand ständig verschlechtert, so daß es mittlerweile dem Tode geweiht war, falls O’Maras letzter verzweifelter Versuch, die Umweltbedingungen von Hudlar zu reproduzieren, scheitern sollte. Was er jetzt brauchte, war Zeit. Laut Handbuch etwa vier bis sedhis Stunden.

Plötzlich kam ihm alles furchtbar sinnlos vor. Der Gesundheitszustand des Babies hatte sich nicht gebessert — es bebte und zuckte noch immer am ganzen Körper und sah ganz allgemein wie das mit Abstand kränkste und bedauernswerteste Geschöpf aller Zeiten aus. O’Mara fluchte hilflos. Was er jetzt versuchte, hätte er schon vor Tagen probieren müssen. Sein Baby war so gut wie tot, und sollte er die derzeitige Behandlungsmethode weitere vier bis sechs Stunden durchführen, wäre er wahrscheinlich selbst tot oder müßte sein restliches Leben als Krüppel verbringen. Doch das würde ihm ganz recht geschehen, wie er selber meinte.

VI

Die unheildrohende Krümmung der Tentakel des hudlarischen Kindes kündigten O’Mara erneutes Gebrüll an. Mit grimmiger Miene stemmte er sich abermals auf die Ellbogen, um wieder Streicheleinheiten austeilen zu können. Obwohl er von der Sinnlosigkeit seines Unterfangens überzeugt war, mußte man dem Kind wenigstens eine Chance geben. Wollte er seine Behandlung ohne Unterbrechung beenden, brauchte er Zeit, und deshalb mußte er jetzt die Fragen des Monitors ausführlich und zufriedenstellend beantworten, denn sobald das Baby wieder zu schreien anfangen würde, wäre er dazu nicht mehr in der Lage.

„…um Ihnen die Zusammenarbeit ein wenig zu erleichtern, möchte ich zunächst einmal gerne eine Erklärung für Ihren plötzlichen Persönlichkeitswandel von Ihnen hören“, sagte der Major.

„Ich hab mich einfach gelangweilt, weil ich hier nicht genug zu tun hatte“, entgegnete O’Mara. „Vielleicht bin ich dadurch ein wenig aggressiv und auch verbiestert geworden. Aber der Hauptgrund, daß ich mich hier manchmal wie ein Kotzbrocken aufgeführt hab, lag an der Arbeit, die von einem netten Typ gar nicht hätte erledigt werden können. Ich hab viel studiert und halte mich für einen recht guten, praxisbezogenen Psychologen.“

Plötzlich geschah die Katastrophe. Der Ellbogen, auf dem O’Mara sich abstütze, als er gerade nach dem Halteseil griff, rutschte ab, und er wurde aus einer Höhe von einem halben Meter zu Boden geschmettert. Bei drei Ge entsprach dies einem Fall aus über zwei Meter Höhe. Zum Glück trug er einen schweren Anzug mit einem gepolsterten Helm, so daß er nicht das Bewußtsein verlor. Aber er schrie auf und hielt sich beim Fallen instinktiv am Seil fest.

Das war sein Fehler.

Ein Gewicht stürzte herab, das andere schoß zu weit nach oben und schlug krachend gegen die Decke, wobei es den Leichtmetallträger aus seiner Verankerung riß, der es abstützte. Die gesamte Konstruktion begann abzusacken, rutschte heraus und krachte schließlich bei vier Ge auf das Kind herab. In seinem benommenen Zustand konnte O’Mara nur erahnen, mit welcher Wucht das Gewicht auf das Kind herabgestürzt sein mußte. Danach war das Baby jedenfalls völlig still, was ihn verständlicherweise beunruhigte.

„…zum drittenmal“, brüllte der Monitor, „was, zum Teufel, geht dort eigentlich vor?“

O’Mara murmelte irgend etwas vor sich hin, was selbst in seinen eigenen Ohren ziemlich dämlich klang.

Dann mischte sich Caxton wieder ein. „Da ist doch irgendwas faul, und ich wette, es hat etwas mit dem Kind zu tun! Ich mache mich jetzt auf den Weg und werde mal nachsehen.“

„Nein, warten Sie!“ wandte O’Mara verzweifelt ein. „Geben Sie mir noch sechs Stunden.“

„In zehn Minuten bin ich bei Ihnen“, ließ Caxton nicht locker.

„Caxton!“ schrie O’Mara. „Wenn Sie durch meine Luftschleuse kommen, bringen Sie mich um! Ich werde die Innenluke geöffnet und fest verkeilt haben, und wenn Sie die Außenluke öffnen, wird die Luft herausströmen. Glauben Sie mir, dann hat der Major niemanden mehr, den er verhaften kann.“