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„Ja, bitte?“

„Hier spricht die Zentrale, Doktor Conway. Das Telfischiff erkundigt sich nach dem Befinden seiner Verletzten. Gibt es schon irgend etwas Neues?“

Unter den gegebenen Umständen war sein Zwischenbericht nicht einmal der schlechteste, trotzdem wünschte sich Conway nichts mehr, als daß er hätte besser ausfallen können. Die Auflösung oder Modifizierung einer einmal geformten Telfigestalt mußten die betroffenen Wesen wie ein Todestrauma empfinden, und mit dem zunehmendem Einfühlungsvermögen, das er durch das Physiologieband erworben hatte, konnte sich Conway seelisch wie körperlich in ihre Lage versetzen. „Sechzehn von ihnen werden in etwa vier Stunden so gut wie völlig wiederhergestellt sein. Bei den anderen sieben wird es leider zu fünfzig Prozent Todesfälle geben, aber wen das betrifft, werden wir erst in ein paar Tagen wissen. Zur Zeit brüten sie in einem Reaktor mit mehr als dem Doppeltem ihrer sonst erforderlichen Strahlung, die allmählich auf die normale Strahlendosis reduziert wird. Die Hälfte von ihnen müßte überleben. Haben Sie alles verstanden?“

„Alles klar.“ Nach ein paar Minuten meldete sich die Stimme erneut: „Die Telfigestalt ist mit Ihrem Zwischenbericht sehr zufrieden, Doktor Conway, und bedankt sich bei Ihnen. Ende.“

Eigentlich hätte sich Conway darüber freuen müssen, seinen ersten Fall so erfolgreich gelöst zu haben, aber irgendwie fühlte er sich niedergeschlagen. Jetzt, da fast alles vorüber war, konnte er kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Er dachte fortwährend daran, daß fünfzig Prozent von sieben dreieinhalb war, und was würde nun aus diesem merkwürdigen halben Telfi werden? Er hoffte, vier anstatt drei Telfi würden die Behandlung überstehen, ohne dabei zu geistigen Krüppeln zu werden. Seinem derzeitigen Empfinden nach müßte das Leben als ein Telfi schön sein, denn ein solches Wesen konnte nicht nur radioaktive Strahlung aufnehmen, sondern auch die zahlreichen und verschiedenartigen Eindrücke eines aus etwa hundert Individuen bestehenden Gemeinschaftskörpers. Bei diesem Gedanken kam ihm sein eigener Körper irgendwie kalt und vereinsamt vor, und es fiel ihm schwer, sich von der wohligen Wärme im Strahlungsoperationssaal loszureißen.

Draußen stieg er auf die Elektrobahre und brachte sie zur Einlaßschleuse zurück. Jetzt wäre es an der Zeit, sich im Schulungsraum zu melden und das Telfiband löschen zu lassen — schließlich hatte man ihn dazu sogar aufgefordert. Aber er wollte nicht gehen; allein der Gedanke an O’Mara beunruhigte ihn zutiefst, ängstigte ihn sogar. Zwar war ihm bewußt, daß er sich in der Gegenwart von Monitoren generell unwohl fühlte, aber dieses Mal war es noch etwas anderes — es ging um O’Maras Gehabe und jenen „kleinen Plausch“, den er erwähnt hatte. Conway war sich völlig klein vorgekommen, als wäre dieser Monitor so etwas wie sein Vorgesetzter gewesen. Dabei konnte er beileibe nicht verstehen, warum er sich ausgerechnet vor einer Laus wie einem Monitor klein vorkommen sollte!

Die Intensität seiner Gefühle schockierte ihn selbst; als kultivierter und ausgesprochen besonnener Mensch sollten ihm solche Gedanken eigentlich fremd sein. Seine Emotionen grenzten bereits an Haß, und da er dieses Mal vor sich selbst Angst bekam, versuchte er, wenigstens ansatzweise klare Gedanken zu fassen.

Schließlich entschied er sich, das Problem zu vertagen und sich erst im Schulungsraum zu melden, nachdem er einen Rundgang durch seine Station gemacht hatte. Falls sich O’Mara über die Verzögerung beschweren sollte, hätte er so eine legitime Entschuldigung, und vielleicht, so hoffte er jedenfalls, würde der Chefpsychologe in der Zwischenzeit ja gar nicht mehr da sein oder woandershin beordert worden sein.

Als erstes suchte er einen AUGL von Chalderescol II auf, der zur Zeit der einzige Patient in der für seine Spezies reservierten Abteilung war. Dazu zog er sich die entsprechende Schutzkleidung an — in diesem Fall einen gewöhnlichen Taucheranzug — und begab sich durch die Schleuse direkt in einen Tank, in dem sich grünes, lauwarmes Wasser befand, das die Umweltbedingungen dieses Wesens nachahmte. Drinnen holte er aus einem verschließbaren Schrank die notwendigen Instrumente, dann kündigte er laut seine Gegenwart an. Falls der Chalder da unten wirklich schlafen und zusammenschrecken sollte, konnte das ernste Folgen haben: Schon ein einziger versehentlicher, leichter Schwanzschlag dieses Wesens würde die Anzahl der Patienten in dieser Abteilung umgehend verdoppeln.

Der Chalder besaß einen dicken Schuppenpanzer und ähnelte entfernt einem etwa zwölf Meter langen Krokodil. Statt Beinen hatte er allerdings eine anscheinend planlose Anordnung stummelartiger Flossen, und um die Leibesmitte zog sich ein Ring schlauchartiger Tentakel. Das Wesen trieb in dem riesigen Tank teilnahmslos in der Nähe des Bodens, und das einzige Lebenszeichen waren die trüben Wasserstrudel um die Kiemen herum. Conway untersuchte den Chalder nur flüchtig — durch die Behandlung der Telfis war er spät dran — und stellte die üblichen Fragen. Auf fast wundersame Weise gelangte die Antwort in Form einer trägen, eintönigen Stimme durch das Wasser über den Translator bis in seine Kopfhörer.

„Ich fühle mich furchtbar elend und leide unter entsetzlichen Schmerzen“, sagte der Chalder, wobei er das mit sechs Zahnreihen besetzte Maul kaum öffnete.

Du lügst doch das Blaue vom Himmel herunter, dachte Conway im stillen. Dr. Lister, Direktor des Orbit Hospitals und der derzeit wahrscheinlich beste lebende Diagnostiker, hatte diesen Chalder praktisch von oben bis unten untersucht. Seine Diagnose hatte ergeben, daß es sich um unheilbare Hypochondrie handelte. Weiterhin führte er damals aus, die an gewissen Stellen auftretenden Überlastungserscheinungen im Schuppenpanzer des Patienten und die dort gelegentlich auftauchenden Schmerzen seien allein auf die ungemeine Faulheit und Gefräßigkeit dieses eingebildeten Kranken zurückzuführen. Ein jeder wisse, eine Lebensform mit einem Ektoskelett könne nur von innen zunehmen. Nun, Diagnostiker waren nicht gerade für ihren zimperlichen Umgang mit Kranken bekannt.

Der Chalder wurde immer nur dann wirklich krank, sobald Gefahr drohte, daß er nach Hause entlassen werden sollte. Auf diese Weise hatte das Hospital einen Dauerpatienten bekommen, was allerdings noch nie jemanden gestört hatte. Bis zum heutigen Tag war er regelmäßig und in kurzen Abständen sowohl von Ärzten und Psychologen aus dem festen Mitarbeiterstab als auch von Gastmedizinern untersucht und von fast allen Medizinalassistenten, Pflegern und Schwestern sämtlicher zum Orbit Hospital gehörenden Spezies begutachtet worden. Er war so zum lebenden Anschauungsobjekt für die Auszubildenden im Medizinwesen geworden, die ihn von oben bis unten traktierten, an ihm herumstocherten oder je nach Grad ihres Sanftmuts auf ihn einhämmerten — und der Chalder genoß jede Minute davon. Das Hospital war mit dieser Lösung des Problems genauso glücklich wie der vermeintliche Patient selbst, und niemand sprach mehr von seiner Entlassung.

Conway zögerte kurz, bevor er in dem riesigen Tank nach oben schwamm, denn er hatte kein gutes Gefühl. Seine nächste Visite sollte nämlich den beiden methanatmenden Lebensformen in der Niedertemperaturabteilung seiner Station gelten, und er hatte überhaupt keine Lust dazu. Trotz des warmen Wassers und der innerlichen Aufwärmung durch die körperliche Anstrengung beim Schwimmen um seinen stattlichen Patienten herum war ihm kalt, und er hätte alles dafür gegeben, wenn eine Horde Studenten gekommen wäre, die in den Tank springen und ihm Gesellschaft leisten würde. Gewöhnlich mochte Conway keine Gesellschaft, erst recht nicht die von Auszubildenden, aber in diesem Augenblick fühlte er sich ausgeschlossen, allein und ohne Freunde. Und dieses Einsamkeitsgefühl war so stark, daß er Angst davor bekam. Ein Gespräch mit einem Psychologen schien ihm unausweichlich, allerdings bestimmt nicht mit O’Mara.