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In diesem Abschnitt ähnelte die Konstruktion des Hospitals einem Haufen Spaghetti — es gab gerade, gebogene und unbeschreiblich ineinander verschlungene „Spaghetti“. Zu jedem Verbindungsgang, in dem es zum Beispiel eine erdähnliche Atmosphäre gab, verliefen oberhalb und unterhalb und parallel zu beiden Seiten andere Korridore — die sich wiederum mit anderen in regelmäßigen Abständen von unten und oben kreuzten —, in denen völlig verschiedenartige und gegenseitig tödliche Atmosphäre-, Druck— oder Temperaturbedingungen herrschten. Auf diese Weise wollte man gewährleisten, daß bei einem dringenden Notfall jeder Patient von jedem Arzt möglichst schnell aufgesucht werden konnte, egal, welcher Spezies der eine oder der andere angehörte. Hätte man die gesamte Strecke des Hospitals in einem Anzug zurücklegen müssen, der den Arzt bei seiner Ankunft vor den Umweltbedingungen seines Patienten schützen sollte, dann war das nicht nur unbequem, sondern auch viel zu zeitraubend. Als weitaus zweckmäßiger hatte sich erwiesen, die entsprechende Schutzkleidung erst außerhalb der betreffenden Krankenstation anzulegen, wie Conway es eben getan hatte.

Er rief sich noch einmal die Geographie dieses Abschnitts in Erinnerung, und ihm fiel ein, daß es eine Abkürzung gab, die er nehmen konnte, um zu seinen kaltblütigen Patienten zu gelangen. Dieser Weg führte zunächst durch den wassergefüllten Gang, durch den man zum Chalder-OP gelangte, dann durch die Schleuse in die Chloratmosphäre der illensanischen PVSJs und schließlich zwei Ebenen höher zur Methanstation. Außerdem konnte er sich auf diese Weise etwas länger im warmen Wasser aufhalten, denn er fror wirklich.

Als in der Chlorabteilung ein PVSJ, der auf dem Weg der Besserung war, auf stacheligen, membranartigen Gliedmaßen an ihm vorbeihuschte, verspürte Conway den dringenden Wunsch, mit dem Alien über irgend etwas zu reden, und er mußte sich zwingen weiterzugehen.

Der Schutzanzug, den DBDGs wie er bei einer Visite auf der Methanstation tragen mußten, war in Wirklichkeit ein kleiner mobiler Behälter. Er war im Innern mit einer Heizung ausgestattet, um seinen Insassen am Leben zu erhalten, und außen mit einer Kühlanlage versehen, damit die austretende Wärme die Patienten nicht zusammenschmelzen ließ, für die schon die geringste Strahlungswärme und selbst schwaches Licht absolut tödlich war. Conway hatte keine Ahnung, wie der Scanner, den er bei solchen Untersuchungen benutzte, funktionierte — das wußten nur diese technischen Tüftler mit den Ingenieursarmbinden —, jedenfalls nicht durch Infrarotstrahlen, denn die gaben zuviel Wärme ab.

Während der Visite drehte Conway die Heizung immer höher, bis ihm der Schweiß aus den Poren trat, und dennoch fror er am ganzen Körper. Hatte er sich vielleicht irgendwo angesteckt? Als er draußen wieder Luft atmen konnte, warf er einen Blick auf die winzige Kontrollskala, die man ihm direkt unter die obere Hautschicht des Oberarms implantiert hatte. Puls, Atmung und Drüsenfunktionen waren normal, sah man von kleinen Unregelmäßigkeiten ab, die durch seine innere Unruhe hervorgerufen wurden. Auch der Blutkreislauf war stabil. Was also stimmte bloß nicht mit ihm?

Conway beendete seinen Rundgang so schnell wie möglich. Wieder war er verwirrt. Falls ihm sein Verstand einen Streich spielen sollte, mußte er die notwendigen Schritte unternehmen, um diesen Zustand zu ändern. Es mußte etwas mit dem Telfiband zu tun haben, das er in seinem Kopf gespeichert hatte. O’Mara hatte zuvor auch irgend etwas dazu gesagt, aber im Augenblick konnte Conway sich nicht mehr genau erinnern, was. Auf alle Fälle wollte er sich umgehend auf den Weg zum Schulungsraum machen, ob O’Mara nun da war oder nicht.

Unterwegs kamen ihm zwei Monitore entgegen, die beide bewaffnet waren. Conway empfand ihnen gegenüber zwar seinen gewohnten Haß und war zudem darüber schockiert, daß sie innerhalb eines Hospitals Waffen trugen, aber am liebsten hätte er ihnen auf die Schulter geklopft oder sie gar umarmt. Er wollte unbedingt Leute um sich herum haben, mit ihnen reden und Ideen und Eindrücke austauschen, damit er sich nicht mehr so schrecklich einsam fühlte. Als sie mit ihm auf gleicher Höhe waren, brachte er tatsächlich ein stotteriges „Guten Tag“ über die Lippen. Es war das erstemal in seinem Leben, daß er einen Monitor angesprochen hatte.

Einer der beiden lächelte leicht, der andere nickte ihm kurz zu. Als sie an ihm vorbeigingen, sahen sie ihn über die Schulter hinweg etwas befremdet an, denn seine Zähne klapperten deutlich vernehmbar.

Den Vorsatz, sich umgehend in den Schulungsraum zu begeben, hatte er eigentlich schon fest gefaßt, aber plötzlich schien ihm das kein sonderlich guter Einfall mehr zu sein. Durch die vielen Maschinen und das gedämpfte Licht herrschte in dem Raum eine kalte und finstre Atmosphäre, und wahrscheinlich war O’Mara die einzige Gesellschaft, die er dort haben würde. Conway wollte am liebsten in einer Menschenmenge untergehen, und je größer diese war, desto besser. Also machte er sich auf den Weg zu einer in der Nähe liegenden Kantine. An einer Kreuzung las er auf einer elektronischen Anzeige „Diätküche, Stationen 52 bis 68, Spezies DBDG, DBLF & FGLI“, und ihm fiel unwillkürlich ein, wie schrecklich kalt ihm war.

Die Mitarbeiter in der Diätküche waren viel zu beschäftigt, als daß er ihnen aufgefallen wäre. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen eine Art Backofen, so daß er praktisch in den bazillentötenden UV-Strahlen badete, von denen der ganze Raum erfüllt war. Der versengte Geruch, der schon bald von seiner leichten Kleidung ausging, störte ihn nicht. Es war ihm jetzt wärmer, etwas wärmer. Trotzdem ließ ihn der quälende Gedanke, über alle Maßen allein zu sein, nicht mehr los. Er war völlig isoliert, niemand liebte ihn oder wollte etwas mit ihm zu tun haben, und er wünschte sich, er wäre nie geboren worden.

Wenige Minuten später wurde er von einem Monitor abgeholt, der sich einen hitzeabweisenden Schutzanzug übergestülpt hatte, den er sich schnell von einem der Diätköche geliehen hatte. Es war einer der beiden Monitore, deren Neugier zuvor durch Conways befremdliches Verhalten geweckt worden war, und Conway war in Tränen aufgelöst.

„Sie sind wirklich ein selten dämlicher Kerl. allerdings auch ein Glückspilz“, sagte eine Stimme, an die sich Conway nur zu gut erinnerte.

Er öffnete die Augen und stellte fest, daß er auf der Löschcouch lag und O’Mara und ein anderer Monitor auf ihn herabblickten. Sein Rücken fühlte sich an, als habe man ihn halb durchgebraten, und sein ganzer Körper brannte wie nach einem schweren Sonnenbrand.

O’Mara blickte ihn jetzt wütend an und fuhr fort: „Ein Glückspilz, weil Sie sich nicht ernsthaft verbrannt haben und nicht erblindet sind, und ein selten dämlicher Kerl, weil Sie vergessen haben, mich über einen ganz entscheidenden Punkt zu informieren, nämlich daß es sich um Ihre erste Erfahrung mit einem Schulungsband handelte.“

An dieser Stelle klang O’Maras Stimme ein wenig so, als würde er sich Selbstvorwürfe machen. Er fuhr fort und sagte Conway, daß er ihn, wenn er darüber informiert gewesen wäre, einer Hypnosebehandlung unterzogen hätte, damit er zwischen seinen eigenen Bedürfnissen und denen eines Telfi besser hätte unterscheiden können. So aber sei ihm erst klargeworden, daß es sich bei Conway um einen Neuling handelte, als er den Abschnitt mit seinem Daumenabdruck zu den Akten gelegt hatte. Woher hätte er denn,

verdammt noch mal, wissen sollen, wer neu war und wer nicht? Hätte sich Conway außerdem mehr Gedanken um seine Arbeit gemacht als um die Tatsache, daß er von einem Monitor an den Schulungsapparat angeschlossen wurde, wäre all das nie mit ihm geschehen.

O’Maras Stimme wurde jetzt zunehmend bissiger. Für ihn sei er nichts anderes als ein scheinheiliger Frömmler, der sich nicht einmal die Mühe gab, seine zutiefst verletzten religiösen Gefühle zu verbergen, die er bei einer so entweihenden Berührung wie durch die Hand eines Monitors empfand, die ja bekanntlich allesamt nichts anderes als unzivilisierte Rohlinge waren. Weiter meinte O’Mara, es übersteige sein Begriffsvermögen, wie sich eine Person, die mit genügend Intelligenz beschlagen war, um an dieses Hospital verpflichtet zu werden, zu solchen Gefühlsduseleien hatte hinreißen lassen können.