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Nach den beruhigenden und aufmunternden Begrüßungsworten hatte Conway geglaubt, er wäre für alles gewappnet gewesen — erst recht, nachdem er festgestellt hatte, wie leicht es war, sich mit den ETs aus dem Personal anzufreunden. Doch mit der einen Ausnahme von Mannon hatte er zu seinen terrestrischen Kollegen nie richtigen Kontakt gefunden, weil sie leicht dazu neigten, diese so wichtige und lohnenswerte Arbeit, die sie und er leisteten, nicht ernst zu nehmen oder gar durch den Kakao zu ziehen. Aber die Vorstellung, deshalb vor Verzweiflung weder aus noch ein zu wissen, war geradezu lachhaft.

So jedenfalls hatte er noch gedacht, bevor O’Mara ihm heute Scheinheiligkeit vorgeworfen und ihn einen dämlichen Kerl genannt hatte. Sein Selbstbewußtsein hatte jedenfalls einen schweren Knacks bekommen, und so etwas konnte einen wirklich zur Verzweiflung treiben. Und sollte er weiterhin seitens der Monitore so behandelt werden, würde man ihn tatsächlich dazu bringen, das Orbit Hospital zu verlassen. Er war ein kultivierter Mensch mit hohen moralischen Werten. Was also berechtigte ausgerechnet einen Monitor dazu, ihn niederzumachen? Conway verstand die Welt nicht mehr. Zwei Dinge jedoch wußte er ganz genau: Er wollte unbedingt im Orbit Hospital bleiben und um das zu erreichen, brauchte er Hilfe.

Plötzlich fiel ihm wieder der Name „Bryson“ ein, einer der beiden Namen, die ihm genannt worden waren, falls er in Schwierigkeiten geraten sollte. Den anderen, O’Mara, konnte er abhaken, aber diesen Bryson.

Conway hatte hier persönlich noch niemanden kennengelernt, der so hieß. Als er sich jedoch bei einem zufällig vorbeikommenden Tralthaner erkundigte, konnte dieser ihm sogar erklären, wo Bryson zu finden war. Conway kam aber nur bis zur Tür, denn als er das Schild „Captain Bryson, Monitorkorps, Kaplan“ las, machte er wütend auf dem Absatz kehrt. Noch so ein Monitor! Jetzt gab es nur noch einen, der ihm helfen konnte: Doktor Mannon. Er hätte es von vornherein bei ihm versuchen sollen.

Als er seinen Vorgesetzten endlich ausgemacht hatte, war dieser im LSVO-Operationssaal, wo er gerade einem tralthanischen Diagnostiker bei einer besonders komplizierten chirurgischen Voruntersuchung assistierte. Conway begab sich auf die Galerie, wo er bis zur Beendigung des Eingriffs warten wollte.

Der LSVO-Patient stammte von einem Planeten mit dichter Atmosphäre und geringer Schwerkraft. Es handelte sich um eine geflügelte Lebensform mit einem extrem empfindlichen Körperbau. Deshalb herrschte in dem OP fast keine Schwerkraft, und die Ärzte waren an ihren Positionen rings um den Tisch angeschnallt. Der kleine OTSB, der mit dem elefantenähnlichen Tralthaner in Symbiose lebte, war nicht angeschnallt, wurde aber von einem der untergeordneten Tentakel seines Wirts sicher über den OP-Tisch gehalten. Wie Conway wußte, durfte ein OTSB den physischen Kontakt zu seinem Wirt nur für wenige Minuten verlieren, ohne geistigen Schaden zu nehmen. Trotz seiner eigenen Sorgen begann sich Conway für die Operation zu interessieren und versuchte sich zu konzentrieren.

Ein Teil des Verdauungstrakts des Patienten war freigelegt worden, und man konnte ein schwammartiges, bläuliches Gewächs erkennen, das mit den Eingeweiden verwachsen war. Ohne das LSVO-Physiologieband konnte Conway nicht sagen, ob deZustand des Patienten ernst war oder nicht, aber garantiert handelte es sich in technischer Hinsicht um eine schwierige Operation. Dies konnte man an der Art und Weise, in der sich Mannon über den Patienten beugte, erkennen und an den fest angespannten Tentakeln, die der Tralthaner nicht benutzte. Wie gewöhnlich erledigte der kleine OTSB mit seinen dünnen, drahtähnlichen Tentakeln, die mit winzigen Augen und Saugnäpfen besetzt waren, die Feinarbeit, wobei er unendlich genau detaillierte, visuelle Informationen über das Operationsfeld an seinen riesigen Wirt weitergab, auf deren Grundlage er gleich darauf neue Instruktionen erhielt. Mit Skalpellen, Klammern, Nadeln und Tupfern verrichteten der Tralthaner und Dr. Mannon die vergleichsweise groben Arbeiten.

Dr. Mannon hatte nicht viel mehr zu tun, als zu beobachten, wie die überempfindlichen Tentakel des tralthanischen Parasiten durch seinen Wirt geführt wurden. Aber Conway wußte, wie stolz er war, an einer solchen Operation überhaupt teilnehmen zu dürfen. Die Tralthaner waren in der Verbindung mit den OTSBs die besten Chirurgen, die es je in der Galaxis gegeben hatte. Sämtliche Chirurgen wären Tralthaner gewesen, wenn ihre gewaltige Größe und komplizierte Operationsweise es nicht verhindert hätten, gewisse Lebensformen zu operieren.

Als die beiden Ärzte aus dem OP kamen, wartete Conway draußen bereits auf sie. Der Tralthaner klopfte Dr. Mannon mit einem seiner Tentakel kräftig auf den Kopf — eine Geste, die ein großes Kompliment ausdrückte. Gleich darauf sprang hinter einem Spind ein Knäuel aus Fell und Zähnen hervor und attackierte das große Wesen, das offensichtlich sein Herrchen angriff. Conway hatte dieses Spielchen schon häufig beobachtet, und es kam ihm immer noch furchtbar lächerlich vor. Während Mannons Hund die ihn und sein Herrchen bei weitem überragende Kreatur so rasend ankläffte, als wolle er seinen übermächtigen Gegner zu einem Duell auf Leben und Tod herausfordern, schreckte der Tralthaner mit gespielter Angst vor dem zotteligen Wesen zurück und schrie: „Hilfe! Rettet mich vor diesem Bluthund!“ Der Hund, der noch immer wie rasend bellte, umkreiste ihn und schnappte nach der lederartigen Körperdecke, die dem Tralthaner bis über die sechs klobigen Beine hing. Während er noch immer laut um Hilfe rief, machte sich der Tralthaner überstürzt davon, wobei er genau darauf achtete, seinen kleinen Widersacher nicht mit einem seiner Elefantenfüße zu zermalmen. Folglich war der Korridor noch eine ganze Weile von dem Kampfeslärm erfüllt.

Als der Radau wenigstens so erträglich geworden war, daß man sein eigenes Wort wieder verstehen konnte, sagte Conway: „Guten Tag, Doktor Mannon. Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir vielleicht bei einem Problem behilflich sein können. Ich brauche dringend Ihren Rat oder wenigstens ein paar Informationen von Ihnen. Es geht dabei allerdings um eine ziemlich heikle Angelegenheit.“

Conway sah, wie Dr. Mannon die Augenbrauen hochzog und die Mundwinkel zu einem schrulligen Lächeln verzog.

„Ich helfe Ihnen natürlich gern, Conway“, sagte der Arzt. „Aber ich fürchte, bei einem Ratschlag von mir käme zur Zeit nur ziemlicher Blödsinn heraus.“ Er machte ein angewidertes Gesicht und flatterte mit den Armen. „Ich hab nämlich noch ein LSVO-Band gespeichert. Sie wissen ja, was das heißt — die eine Hälfte von mir glaubt, ich sei ein Vogel, und die andere wundert sich darüber. Aber was für einen Rat benötigen Sie denn?“ führ er fort, wobei er auf befremdlich anmutende Weise den Kopf wie ein Vogel zur Seite neigte. „Falls es sich dabei um diese gänzlich absurde Form von Verrücktheit namens Liebe handelt oder um irgendeine andere seelische Verwirrung, sollten Sie lieber Doktor O’Mara aufsuchen.“

Conway schüttelte sofort den Kopf — jeden würde er aufsuchen, nur nicht diesen O’Mara. „Nein. Mein Problem ist eher philosophischer Natur, eine Frage der Moral vielleicht.“

„Und das ist alles?“ platzte Mannon los. Er wollte noch etwas hinzufügen, nahm aber plötzlich einen konzentrierten Gesichtsausdruck an, spitzte die Ohren und deutete mit dem Daumen auf einen in der Nähe befindlichen Lautsprecher. „Die Lösung Ihres schwerwiegenden Problems wird noch eine Weile warten müssen“, sagte er leise. „Hören Sie. Sie werden verlangt.“

„.Doktor Conway!“ tönte e| energisch aus dem Lautsprecher.

„Begeben Sie sich in den Raum siebenundachtzig, und verabreichen Sie dort Aufputschspritzen.“

„Aber Raum siebenundachtzig gehört doch gar nicht zu unserer Abteilung!“ protestierte Conway. „Was wird hier eigentlich gespielt.?“