Выбрать главу

Ohne seine Wut zu zeigen, beantwortete O’Mara die Frage und fügte hinzu: „Nach dem, was hier passiert ist, werde ich den Kleinen lieber im All aufbewahren und ihn dort auch füttern.“

„Das werden Sie nicht tun!“ fauchte Caxton ihn an. „Sie werden ihn hierbehalten, und zwar die ganze Zeit. Aber darüber reden wir später. Jetzt will ich erst einmal wissen, wie es denn Ihrer Ansicht nach zu diesem Unfall kommen konnte.“

Caxtons Gesichtsausdruck verriet, daß er O’Mara zwar zuhören wollte, aber bereits im voraus jedes Wort anzweifelte, das dieser von sich geben würde.

„Ehe Sie weitererzählen“, unterbrach ihn Caxton, nachdem O’Mara gerade zwei Sätze beendet hatte, „will ich Sie daran erinnern, daß das gesamte Projekt in den Zuständigkeitsbereich des Monitorkorps fällt. Gewöhnlich läßt uns das Korps auftretende Schwierigkeiten nach unserer eigenen Fasson regeln, aber in diesem Fall geht es um Extraterrestrier, und deshalb wird das Korps mit eingeschaltet werden wollen. Also wird es eine Untersuchung geben.“ Er klopfte auf das kleine flache Kästchen, das vor seiner Brust hing und schloß: „Fairerweise will ich Sie darauf hinweisen, daß ich alles, was Sie sagen, aufnehmen werde.“

O’Mara nickte und mit leiser, ausdrucksloser Stimme trug er seine Darstellung des Unfalls vor. Wie er wußte, war es eine sehr schwache Geschichte, die noch konstruierter klang, sobald er irgendwelche Nebenhandlungen hervorhob, die zu seinen Gunsten sprachen.

Etliche Male setzte Caxton zum Sprechen an, besann sich aber eines Besseren. Schließlich sagte er: „Ist denn irgend jemand Augenzeuge Ihrer Aktionen gewesen? Oder hat jemand beobachtet, wie sich die beiden ETs in die Gefahrenzone begeben haben, während die Warnleuchten blinkten? Sie haben sich da eine hübsche, kleine Geschichte zurechtgelegt, um dieses wahnwitzige Verhalten der Hudlarer zu erklären — was Sie ganz nebenbei zu einem Helden macht —, aber genausogut könnte es sein, daß Sie die Lampen erst nach dem Unfall eingeschaltet haben. In dem Fall wäre also Ihre Fahrlässigkeit in bezug auf die Warnleuchten die Unfallursache gewesen und die ganze Geschichte von dem herumstrolchenden Alienbaby nichts als eine Lüge, um sich den schwerwiegenden Anschuldigungen zu entziehen und.“

„Waring hat mich gesehen“, unterbrach ihn O’Mara gelassen.

Caxton starrte ihn durchdringend an, und sein anfangs von unterdrücktem Zorn geprägter Gesichtsausdruck erriet nun Ekel und unverhohlene Verachtung. O’Mara spürte, wie er unwillkürlich rot anlief „Ach, Waring also, ja?“ hakte der Sektionsleiter mit ausdrucksloser Stimme nach. „Wirklich, ein toller Einfall! Sie wissen genauso wie wir alle, daß Sie Waring andauernd schikaniert und gepiesackt haben, und so, wie Sie sich permanent über seine Unfähigkeit ausgelassen haben, muß er Sie einfach wie Gift verabscheuen. Selbst wenn er Sie gesehen haben sollte, müßte das Gericht davon ausgehen, daß er es nicht zugeben würde. Wenn er Sie aber nicht gesehen hat, würde man trotzdem annehmen, daß er Sie sehr wohl gesehen hat, dies aber für sich behält. Sie kotzen mich an, O’Mara!“

Caxton drehte sich rasch um und stapfte auf die Luftschleuse zu. Als er bereits mit einem Fuß die Einstiegsluke betreten hatte, wandte er sich noch einmal um.

„Sie sind nichts weiter als ein notorischer Querulant, O’Mara“, sagte er wütend. „Ein griesgrämiger, streitsüchtiger Haufen aus Knochen und Fleisch mit gerade ausreichend Verstand, sich möglichst unentbehrlich zu machen. Wahrscheinlich glauben Sie sogar, Sie haben es Ihrer technischen Begabung zu verdanken, dieses Quartier für sich allein zugeteilt bekommen zu haben. Das ist aber nicht der Fall — Sie sind zwar gut, aber so gut auch wieder nicht! Die Wahrheit ist, daß niemand aus meinem Abschnitt mit Ihnen gemeinsam untergebracht werden möchte.“

Der Sektionsleiter fuhr mit der Hand zum Schalter des Aufnahmegeräts, und seine abschließenden Worte klangen wie eine ernsthafte Drohung.

„…und sollten Sie diesem Kleinen hier irgendwelchen Schaden zufügen, O’Mara, oder sollte ihm überhaupt irgend etwas zustoßen, dann sorge ich dafür, daß das Monitorkorps nicht einmal mehr die Möglichkeit haben wird, Sie vor Gericht zu stellen!“

Als O’Mara vor sechs Monaten bei diesem Projekt angefangen hatte, erkannte er schnell, daß er wieder einmal zur Verrichtung einer Arbeit verdammt worden war, die zwar an sich wichtig war, ihn aber in keiner Weise befriedigte und weit unter seinen Fähigkeiten lag. Nach seinem Studium hatte er eine Aneinanderreihung solcher Enttäuschungen erleben müssen: Sämtliche Personalchefs wollten einfach nicht glauben, wie ein junger Mann mit einem solch häßlichen Quadratschädel und derart breiten Schultern, daß sein Kopf im Verhältnis dazu lächerlich klein wirkte, an so verzwickten Studienfächern wie Psychologie und Elektronik Gefallen gefunden haben konnte. Schließlich war er in den Weltraum gegangen, weil er hoffte, dort würde alles anders sein, um sich letztendlich doch eines Besseren belehren lassen zu müssen. Trotz seines steten Bemühens, während der Einstellungsgespräche durch sein beträchtliches Wissen Eindruck zu schinden, waren die Leute von seiner Muskelkraft zu sehr beeindruckt, um ihm wirklich zuzuhören. Deshalb waren seine Bewerbungen stets mit dem Stempel „Tauglich für langwierige, schwere körperliche Arbeit“ versehen worden.

Als er bei diesem Projekt angefangen hatte, wollte er aus dem, was wieder einmal ein langweiliger und frustrierender Job zu werden versprach, das Beste machen — und entschied sich dafür, sich einfach unbeliebt zu machen. Die Folge war, daß sein Leben seither alles andere als langweilig verlaufen war. Aber in diesem Augenblick wünschte er sich inständig, er hätte mit seinen Unausstehlichkeitsbemühungen weniger Erfolg gehabt.

Was er jetzt am meisten brauchte, waren Freunde, aber er hatte nicht einmal einen einzigen.

Durch den Geruch des scharfen, alles durchdringenden hudlarischen Nahrungspräparats wurden seine Gedanken wieder von der trostlosen Vergangenheit auf die noch weniger erquickliche Gegenwart gelenkt. Etwas mußte unternommen werden, und zwar sofort. Er stieg rasch in den hauchdünnen Raumanzug und ging durch die Schleuse.

II

Seine Unterkunft befand sich in einem kleinen Unterabschnitt, der eines Tages die Sektion des Hospitals mit geringer Schwerkraft, die sogenannte MSVK-Abteilung, beherbergen sollte, und zwar samt Operationssaal und der chirurgischen Station mit den direkt anschließenden Versorgungsräumen. Zwei kleine Räume mit einem Verbindungsgang waren mit den notwendigen Druck— und Schwerkraftverhältnissen auf O’Maras Bedürfnisse angepaßt worden, den Rest der Konstruktion hatte man im luftleeren und somit schwerelosen Zustand belassen. O’Mara schwebte durch kurze, unfertige Gänge und Korridore, die in den freien Raum endeten, und blickte in die kahlen, rechteckigen Kabinen, an denen er vorbeiglitt. Überall zogen sich Installationsleitungen entlang und in jeder freien Ecke standen halb zusammengebaute Geräte, deren Verwendungszweck man unmöglich erahnen konnte, wenn man keinen MSVK-Lehrgang absolviert hatte. Aber sämtliche Kabinen, die er inspizierte, waren entweder zu klein, um den Alien aufzunehmen, oder waren in einer Richtung offen zum All. O’Mara murmelte einen leisen, aber um so befreienderen Fluch vor sich hin, stieß sich zu einer der zerklüfteten Grenzen seiner winzigen Domäne ab und starrte trotzig in sämtliche Richtungen.