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Williamson brachte die Angelegenheit sofort in Ordnung. Er stürmte auf den laut protestierenden Patienten zu, beugte sich über ihn, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, und redete auf ihn in einem ruhigen, fast plauderhaften Ton ein, der Conway nichtsdestotrotz einen Schauer über den Rücken jagte.

„Paß auf, Freundchen“, sagte er. „Du protestierst also dagegen, daß einer von diesen stinkenden Kriechern, die erst versucht haben, dich zu töten, dich jetzt zusammenflickt, richtig? Hör zu, und schreib dir das ein für allemal hinter die Ohren: Erstens ist dieser Kriecher hier ein Arzt, und zweitens werden in dieser Einrichtung keine Kriege geführt! Hier gehört ihr alle ein und derselben Armee an, und die Uniform ist ein Nachthemd. Also, bleib schön still liegen, hält’s Maul, und benimm dich gefälligst! Andernfalls gibt’s was auf die Ohren!“

Conway wandte sich wieder seiner Arbeit zu, wobei er sich noch einmal mit Nachdruck ins Gedächtnis schrieb, seine Meinung über die Monitore nicht nur zu überdenken, sondern wahrscheinlich revidieren zu müssen. Während die übel zugerichteten, verletzten und verbrannten Körper unter seinen Händen vorbeiglitten, bekam er einen merkwürdigen geistigen Abstand zu all dem. Verwundert beobachtete er noch immer Williamson, dessen Gesichtsausdruck zu verraten schien, daß das, was man ihm über Monitore erzählt hatte, der Unwahrheit entsprach. Dieser unermüdlich arbeitende Mann mit den sicheren Händen, der einen äußerst besonnenen Eindruck machte — sollte so einer wirklich ein Killer sein und ein mit Dummheit geschlagener Sadist, für den moralische Werte nicht existierten?

Conway konnte sich das kaum vorstellen, und während er den zwischen den Patienten versteckten Monitor beobachtete, faßte er eine Entscheidung — eine sehr schwierige Entscheidung. Wenn er sich nicht vorsah, würde er sich wahrscheinlich selbst einen Satz heiße Ohren holen.

O’Mara hatte sich unmöglich verhalten, genauso Bryson und Mannon, wenn auch aus anderen Gründen, aber dieser Williamson hier.

„Ach. ehm. Williamson“, begann Conway zögernd und endete überhastet, „haben Sie eigentlich schon mal jemanden getötet?“

Der Monitor richtete sich sofort auf. Seine zusammengepreßten, blutleeren Lippen wirkten wie ein weißer Strich. Dann sagte er ausdruckslos: „Eigentlich sollten Sie wissen, daß man einem Monitor eine solche Frage nicht stellt, Doktor.“ Er zögerte. Seine Neugier hielt die in ihm aufwallende Wut in Grenzen, weil er an Conways Gesichtsausdruck erkennen konnte, welch innere Höllenqualen dieser Mann zur Zeit leiden mußte. „Also gut, was haben Sie auf dem Herzen, Doktor?“

Conway wünschte sich nichts mehr, als daß er diese Frage nie gestellt hätte, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. In anfänglich stammelnden Worten begann er, über seine Vorstellungen vom Dienst am Patienten zu reden. So sei er völlig schockiert und verwirrt gewesen, als er entdeckt hatte, daß das Orbit Hospital — eine Einrichtung, von der er geglaubt hatte, sie verkörpere all seine Ideale — Monitor als Chefpsychologen beschäftigte und somit wahrscheinlich noch weitere Mitglieder des Korps in verantwortlichen Positionen hatte. Zwar wisse er jetzt, daß das Monitorkorps nicht an sich schlecht sei, schließlich hatte es Einheiten seiner Sanitätsdivision geschickt, um bei der gegenwärtigen Notsituation Hilfe zu leisten. Und dennoch, handelte es sich dabei um Monitore…

„Ich werde Ihnen einen weiteren Schock versetzen, indem ich Ihnen etwas erzähle, was allgemein so bekannt ist, daß es eigentlich niemand für notwendig hält, es überhaupt zu erwähnen“, sagte Williamson trocken. „Doktor Lister, der Direktor des Orbit Hospitals, gehört ebenfalls dem Monitorkorps an.“ Rasch fügte er hinzu: „Er trägt natürlich keine Uniform, weil Diagnostiker zusehends vergeßlicher und in kleinen Dingen ungenauer werden. Das Korps lehnt solche Schlampereien allerdings grundsätzlich ab, selbst wenn es sich um einen Lieutenant-General handelt.“

Lister, ein Monitor!

„Aber warum?“ platzte es Conway unwillkürlich heraus. „Alle wissen doch, was für Leute das sind. Wie hat das Korps überhaupt so viel Macht an sich reißen können?“

„Offensichtlich wissen es doch nicht alle“, fuhr Williamson dazwischen. „Sie zum Beispiel nicht.“

Als sie gerade wieder einen Patienten behandelt hatten und sich zum nächsten begaben, bemerkte Conway, daß die Wut des Monitors halbwegs verflogen war. Statt dessen hatte er nun eine fast besorgte Miene aufgesetzt, die an einen Vater erinnerte, der seinem Sprößling etwas über die unangenehmen Seiten des Lebens erzählen wollte.

Während Williamson vorsichtig einem verwundeten DBLF den Verband abnahm, sagte er: „Im Grunde genommen besteht Ihr Problem darin, daß Sie und Ihre ganze soziale Gruppe so etwas wie eine geschützte Spezies sind.“

„Daß wir was sind?“ Conway verstand nun gar nichts mehr.

„Eine geschützte Spezies“, wiederholte Williamson, „die, abgeschirmt vor der Grobheit und den Unbilden des heutigen Alltagslebens, in einer Art Reservat lebt. Aus Ihrer sozialen Schicht kommen praktisch sämtliche großen Künstler, Musiker und Akademiker, und das gilt nicht nur für die Erde, sondern für alle Welten der Union. Die meisten Leute wie Sie merken ihr Leben lang gar nicht, wie behütet sie sind und von Kindheit an vor der rauhen Realität unserer interstellaren sogenannten Zivilisation abgeschirmt werden und daß ihre Ideen von Pazifismus und moralischen Grundsätzen ein Luxus sind, den sich die Mehrheit von uns ganz einfach nicht leisten kann. Ihnen wird dieser Luxus gestattet, weil man hofft, daß sich eine Philosophie daraus entwickelt, die eines Tages jedes Individuum in der Galaxis zu einem wirklich zivilisierten und guten Wesen macht.“

„So hab ich das noch nie gesehen“, stammelte Conway. „Und. und Sie stellen uns — ich meine mich — so dar, als wären wir fast völlig nutzlos.“

„Natürlich sehen Sie das alles völlig anders“, sagte Williamson leise.

Conway fragte sich, wie es angehen konnte, daß Williamson so herablassend über ihn redete, ohne Empörung bei ihm zu erregen; irgendwie schien er Autorität zu besitzen.

Der Monitor fuhr fort: „Wahrscheinlich sind Sie zu kontaktscheu und unaufgeschlossen gewesen, und alles hat sich bei Ihnen nur um Ihre eigenen hohen Ideale gedreht. Verstehen Sie mich bitte richtig, daran gibt es eigentlich gar nichts auszusetzen, es geht nur darum, daß Sie bei Ihrer Tendenz zur Schwarzweißmalerei hin und wieder wenigstens ein wenig Grau zulassen sollten.“ Er hielt kurz inne und wandte sich dann wieder dem eigentlichen Thema zu. „Unsere heutige Kultur basiert auf einem Höchstmaß an Freiheit für das Individuum. Jeder kann tun und lassen, was er will, vorausgesetzt, er fügt anderen keinen Schaden zu. Nur Monitore verzichten auf diese Freiheit.“

„Und was ist mit den Reservaten der sogenannten Normalen?“ unterbrach ihn Conway. Endlich hatte der Monitor eine Behauptung aufgestellt, der er entschieden widersprechen konnte. „Von Monitoren überwacht und in gewisse Landstriche eingesperrt zu werden, würde ich nicht gerade als Freiheit bezeichnen.“

„Unter den Normalen verstehe ich diejenigen, die sich — ganz im Gegensatz zu den Monitoren und den rückgratlosen Ästheten Ihrer Gesellschaftsschicht — auf fast jedem Planeten für die einzig wahren Repräsentanten ihrer eigenen Spezies halten“, antwortete Williamson. „Und wenn Sie einmal alles genau überdenken, dann glaube ich, werden Sie herausfinden, daß Normale nicht eingesperrt sind. Ganz im Gegenteil. Sie haben sich auf natürliche Weise zu Gemeinschaften zusammengeschlossen, und genau in den Gemeinschaften dieser Normalen von eigenen Gnaden müssen wir Monitore am meisten aktiv sein. Die Normalen haben sämtliche Freiheiten, dazu gehört auch das Recht, sich gegenseitig zu töten, wenn ihnen der Sinn danach steht. Die alleinige Aufgabe der Monitore besteht darin, dafür zu sorgen, daß jedem Normalen, der diesen Wunsch nicht teilt, während dieser Zeit nichts zustößt.