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Einen Augenblick lang herrschte lähmendes Entsetzen, doch dann reagierte das Hospital. Aus den Lautsprechern über ihnen wurden trotz hektischen Untertons besonnene und sachliche Anweisungen gegeben. Ingenieure und Mechaniker sämtlicher Spezies sollten sich sofort für weitere Instruktionen bereithalten. Die Schwerkraftgitter auf den LSVO— und MSVK-Stationen funktionierten nicht mehr — das gesamte medizinische Personal wurde angewiesen, die Patienten in Schutzhüllen einzuwickeln und in den DBLF-Operationssaal zwei zu bringen, der auf ein zwanzigstel Ge eingestellt worden war, damit niemand vom eigenen Gewicht erdrückt werden konnte. Im AUGL-Tank war ein nicht ausfindig zu machendes Leck. Immer wieder wurden alle DBDGs vor einer Chlorverseuchung im Bereich der Kantine gewarnt. Und schließlich wurde Dr. Lister äußerst höflich gebeten, sich zu melden.

Conway empfand es als merkwürdig, daß alle anderen zur Erfüllung ihrer Aufgaben im knappen Befehlston aufgefordert wurden, während Dr. Lister anscheinend nur höflich zu etwas gebeten werden konnte. Plötzlich hörte er, wie jemand seinen Namen rief, und er schnellte herum. Es war Dr. Mannon.

Er rannte auf Conway und Williamson zu und sagte keuchend: „Wie ich sehe, sind Sie im Augenblick frei. Ich hab eine Aufgabe für Sie.“ Er hielt kurz inne, bis Conway nickte.

Als das kollidierende Schiff bis zur Mitte des Hospitals eine Schneise geschlagen hatte, erklärte er außer Atem, hätten die Sicherheitstüren und — schotts nicht nur die unmittelbare Umgebung des Trümmerfelds, das es hinterlassen hatte, abgeriegelt. Verantwortlich dafür war die Lage der Türen — das Ergebnis lasse sich am besten mit einem großen Baum aus Vakuum vergleichen, der bis in die Mitte des Hospitals ragt, wobei der von dem Schiff geschlagene Tunnel der Stamm und die davon abzweigenden offenen Abschnitte der Korridore den Wipfel darstellten. Einige dieser luftleeren Gänge führten zu Abschnitten, die selbständig verriegelt werden konnten,

und deshalb bestünde die Möglichkeit, dort Überlebende anzutreffen.

Normalerweise gäbe es für die Rettung dieser Wesen keinen Grund zur Eile, weil sie sich dort tagelang unter recht passablen Bedingungen aufhalten könnten, aber in diesem besonderen Fall sei eine weitere Komplikation aufgetreten. Das Schiff war erst in der Mitte des Hospitals — dem eigentlichen Nervenzentrum dieser hochtechnisierten Einrichtung — zum Stillstand gekommen, wo sich sämtliche Überwachungsanlagen für die Apparaturen befanden, die die künstlichen Umweltbedingungen des Hospitals schufen. Derzeit schien sich dort ein Überlebender aufzuhalten — möglicherweise ein Patient, ein Mitglied des Personals oder vielleicht sogar der Insasse des Schiffswracks selbst —, der an den Geräten herumspielte und, ohne es zu wissen, dadurch den Gravitationskontrollmechanismus zerstörte. Falls diese Situation sich nicht ändern würde, könnte das in den verschiedenen Abschnitten zu verheerenden Folgen führen — Todesfälle unter den Lebensformen, die geringe Schwerkraft gewöhnt waren, wären dann unvermeidlich.

Dr. Mannon wollte nun von den beiden, daß sie sich dorthin begaben und die betreffende Person herausholten, bevor diese dort versehentlich womöglich alles demolierte.

„Ein PVSJ ist bereits reingegangen“, fügte Mannon hinzu, „aber diese Spezies kann sich in einem Raumanzug kaum bewegen. Damit alles schneller geht, will ich Sie beide hinterherschicken. Alles klar? Gut, dann beeilen Sie sich.“

Mit Schwerkraftgürteln ausgerüstet, stiegen sie in der Nähe des zerstörten Abschnitts ins All und schwebten an der Außenhülle des Hospitals entlang zu dem fast zehn Meter großen Loch, das von dem kollidierenden Schiff in die Seite hineingebohrt worden war. Durch die G-Gürtel verfügten die beiden auch in der Schwerelosigkeit über ein Höchstmaß an Manövrierfähigkeit. Zwar rechneten sie auf dem vor ihnen liegenden Weg nicht mit unerwarteten Schwierigkeiten, waren aber zusätzlich mit Seilen und Magnetankern ausgestattet. Williamson trug zudem eine Pistole bei sich — wie er betont hatte, einzig und allein, weil sie zur Ausrüstung eines Standarddienstanzugs gehöre. Beide hatten Luft für drei Stunden.

Zunächst kamen sie gut voran. Das Schiff hatte durch die Schotts und die Decksbeplankung und selbst durch Teile schwerer Maschinen hindurch einen Tunnel mit glatten Kanten geschlagen. Während des Abstiegs hatte Conway eine gute Einsicht in die verschiedenen Korridore, aber nirgendwo gab es ein Lebenszeichen. In einem Gang lagen die gräßlichen Überreste eines Hochdrucklebewesens, das selbst noch unter erdatmosphärischen Bedingungen auseinandergesprengt worden wäre. Als es plötzlich dem harten Vakuum ausgesetzt gewesen war, mußte dieser Prozeß hier um so gewaltsamer vonstatten gegangen sein.

In einem anderen Gang hatte sich eine weitere Tragödie abgespielt: Eine dem Menschen nahe verwandte DBDG-Schwester — eins von den roten, bärenähnlichen Wesen — hatte um Sekundenbruchteile eine der sich abrupt schließenden luftdichten Türen verpaßt, und ihr war dabei der Kopf abgetrennt worden. Aus irgendeinem Grund ging ihm dieser Anblick näher als alles andere, was er am heutigen Tag bisher gesehen hatte.

Je weiter sie vordrangen, desto mehr wurden sie durch „fremdartige“ Wrackteile — aus dem Schiff herausgerissene Abdeckplatten und andere Bauteile — behindert, so daß sie sich hin und wieder mit Händen und Füßen den Weg freiräumen mußten.

Williamson war vorne — etwa zehn Meter unter Conway —, als der Monitor plötzlich nicht mehr zu sehen war. Im Kopfhörer des Raumanzugs war über Funk ein verblüffter Schrei zu hören, der aber durch das knirschende Geräusch von Metall auf Metall abgeschnitten wurde. Unwillkürlich verstärkte sich Conways Griff um einen hervorspringenden Stahlträger, an dem er sich festgehalten hatte, und durch die Handschuhe hindurch spürte er, wie dieser vibrierte. Die Wrackteile bewegten sich! Kurz wurde er von panischer Angst ergriffen, bis er bemerkte, daß der Unruheherd über ihm lag, also dort, wo er hergekommen war. Einige Minuten später waren die Vibrationen vorbei, ohne daß sich die Lage der Wrackteile um ihn herum bedeutend verändert hatte. Erst jetzt sicherte Conway sein Seil am Träger und sah sich nach dem Monitor um.

Mit angezogenen Knien und die Arme vor dem Gesicht verschränkt, lag Williamson mit dem Gesicht nach unten etwa sechs bis sieben Meter unter ihm, wobei er teilweise zwischen losen Wrackteilen und Metallstreben eingeklemmt war. Schwache und unregelmäßige Atemgeräusche im Kopfhörer verrieten Conway, daß Williamsons geistesgegenwärtige Reaktion, die Arme um den Kopf gelegt zu haben, um so das zerbrechliche Sichtfenster des Helms zu schützen, dem Monitor das Leben gerettet hatte. Aber Williamsons Leben hing nun von der Schwere seiner anderen Verletzungen ab, und diese wiederum von der Stärke der in diesem Abschnitt herrschenden Anziehungskraft, durch die er so plötzlich hinuntergezogen worden war.

Offensichtlich war der Unfall durch einen Decksabschnitt verursacht worden, in dem die Schwerkraftgitter trotz der massiven Zerstörung der Stromkreise im gesamten Unfallbereich noch aktiv waren. Conway war heilfroh, daß die Anziehung nur im rechten Winkel zur Oberfläche des Gitters ausgeübt wurde und der Boden in diesem Abschnitt leicht verbogen worden war. Wäre er gerade nach oben gerichtet gewesen, dann wäre nicht nur der Monitor abgestürzt, sondern auch er selbst, und das aus einer wesentlich größeren Höhe als sieben Metern.