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Als er dem Chloratmer erzählt hatte, was er im Kopfhörer vernommen hatte, sagte der PVSJ: „Mir scheint, das Wesen fürchtet sich entsetzlich, und bei dem Piepsen handelt es sich um Angstlaute — sonst hätte der Translator das Piepsen in Worte Ihrer Sprache übersetzt. Die Tatsache, daß es die Geräusche und seine zerstörerischen Aktivitäten eingestellt hat, als es Ihre Stimme hörte, läßt hoffen. Meiner Meinung nach sollten wir uns ihm aber trotzdem nur ganz allmählich nähern und ihm dabei immer wieder versichern, daß wir ihm nur helfen wollen. Ich hab den Eindruck, daß es nach allem schlägt, was sich bewegt. Eine gewisse Vorsicht ist also geboten.“

„Einverstanden“, stimmte Conway mit gutem Gefühl zu.

„Außerdem wissen wir nicht, in welche Richtung die Sehorgane des Wesens gerichtet sind“, fuhr der PVSJ fort, „deshalb schlage ich vor, wir nähern uns ihm aus entgegengesetzte1r0Richtiing.“:

Conway nickte. Sie stellten die Funkgeräte auf die neue Frequenz ein und schwebten vorsichtig bis unter die Decke des Kontrollraums. Mit Hilfe der kurzfristig schwach auf Abstoßung eingestellten G-Gürtel entfernten sie sich voneinander, wobei sie leicht gegen die Metalloberfläche gedrückt wurden, dann ließen sie sich an zwei gegenüberliegenden Wänden zum Boden herab. Das Wesen war jetzt zwischen ihnen, und sie bewegten sich langsam darauf zu.

Die Reparaturroboter waren damit beschäftigt, den von den sechs schlangenähnlichen Gliedmaßen angerichteten Schaden wieder zu beheben. Das Wesen lag jetzt ruhig da und gab auch keinen Laut von sich. Conway mußte die ganze Zeit an das verheerende Chaos denken, das es mit seinem sinnlosen Herumwüten ausgelöst hatte. Was er dem Alien sagen wollte, wären alles andere als beruhigende Worte gewesen, und deshalb überließ er lieber dem PVSJ-Geistlichen das Reden.

„Sie brauchen keine Angst zu haben“, wiederholte dieser gerade zum zwanzigstenmal. „Wenn Sie verletzt sind, sagen Sie es uns. Wir sind hier, um Ihnen zu helfen.“

Aber der Alien zeigte keinerlei Reaktion.

Aus einem plötzlichen Impuls heraus schaltete Conway auf die Frequenz von Dr. Mannon und sagte: „Der Überlebende scheint ein AACL zu sein. Können Sie mir sagen, weshalb er hier ist, oder warum er sich weigert oder unfähig ist, mit uns zu sprechen?“

„Ich kläre das mit der Auskunftszentrale“, antwortete Mannon nach einer kurzen Pause. „Aber sind Sie sich bei der Klassifikation wirklich sicher? Ich kann mich nicht daran erinnern, hier einen AACL gesehen zu haben. Könnte es sich nicht um einen Creppelianer handeln, der.“

„Um einen creppelianischen Oktopoden handelt es sich garantiert nicht“, unterbrach Conway ihn. „Das Wesen hat sechs Hauptgliedmaßen. Zur Zeit liegt es einfach nur da und tut nichts.“

Conway hielt plötzlich ängstlich inne, denn es stimmte nicht mehr, daß der zur Diskussion stehende Alien sich nicht mehr rührte. Er hatte sich nach oben gegen die Decke abgestoßen und sich dabei so schnell bewegt, daß er im selben Moment wieder zu landen schien, in dem er abgehoben hatte. Conway sah, wie sich über ihm eine weitere Kontrolleinheit zu einem Schrotthaufen verwandelte, als das Wesen zuschlug, und wie andere Kästen aus ihren Verankerungen gerissen wurden, als es irgendwo Halt suchte. Im Kopfhörer war jetzt Mannons schreiende Stimme zu hören. Conway vernahm zwar, daß in einem bislang stabilen Abschnitt des Hospitals plötzlich Gravitationsschwankungen aufgetreten seien und die Zahl der Verletzten gestiegen sei, konnte aber nicht antworten.

Hilflos mußte er mit ansehen, wie der AACL zu einem erneuten Sprung ansetzte.

„…wir sind hier, um Ihnen zu helfen“, wiederholte der PVSJ, als das Wesen vier Meter von ihm entfernt geräuschlos wieder gelandet war. Fünf große Tentakel verankerten sich fest, während ein sechster in einer nur verschwommen zu erkennenden, schlängelnden Bewegung vorschnellte, den PVSJ erfaßte und gegen die Wand schmetterte. Das lebensnotwendige Chlor spritzte aus dem Anzug des PVSJ. Für einen Augenblick war das bedauernswerte Geschöpf in dem entstandenen Dunstschleier eingehüllt, während es langsam in die Mitte des Raums zurückprallte.

Der AACL gab wieder piepsende Laute von sich.

Wie benommen erstattete Conway Mannon einen kurzen Bericht, der seinerseits nach Lister schrie. Schließlich vernahm er die Stimme des Direktors, der ängstlich sagte: „Sie müssen das Wesen töten, Conway!“

Sie müssen das Wesen töten, Conway!

Nichts hätte Conway leichter in die Wirklichkeit zurückbringen können als die Schockwirkung dieser Worte. Ein Problem durch Mord zu lösen und dann noch einen Arzt, der sich dem Schutz des Lebens verschrieben hatte, zur Ausführung dieser Tötung aufzufordern sah einem Monitor ähnlich, dachte er verbittert. Daß das Wesen Todesängste ausstand, zählte nicht, es hatte in den geheiligten Hallen des Orbit Hospitals eine Menge Probleme verursacht, also mußte man es töten.

Zwar hatte Conway zuvor Angj1o,gehabt und verspürte sie jetzt auch immer noch, aber gerade eben war er noch in einer Gemütsverfassung gewesen, wo er aus Panik heraus das Gesetz des Dschungels „töten oder getötet werden“ angewandt hätte. Jetzt aber nicht mehr. Egal, was ihm oder dem Hospital zustieß, niemals würde er ein intelligentes Mitwesen töten können, und wenn sich Lister dabei die Kehle aus dem Hals schrie.

Zunächst wunderte er sich, als er feststellen mußte, daß sowohl Lister als auch Mannon lauthals auf ihn einredeten und seine Argumente zu widerlegen versuchten — ohne es zu bemerken, mußte er laut gedacht haben —, dann wechselte er einfach wütend die Frequenz.

Aber noch immer vernahm er eine Stimme, die auf ihn einredete; allerdings eine flüsternde und unbeschreiblich matte Stimme, die häufig von einem schmerzvollen Keuchen unterbrochen wurde. In einem Anflug von Verwirrung glaubte Conway, der Geist des toten PVSJ würde die Argumente Dr. Listers wiederholen, dann bemerkte er über sich einen Schatten.

Der mit einem Raumanzug bekleidete Williamson schwebte kaum vernehmlich durch das Loch in der Decke. Wie der schwerverletzte Monitor überhaupt dorthin gelangen konnte, überstieg Conways Auffassungsvermögen — seine gebrochenen Arme machten Williamson den Einsatz des G-Gürtels unmöglich, also mußte er sich den ganzen Weg über mit den Füßen abgestoßen und darauf gehofft haben, daß er nicht ein zweites Mal von einem zufällig aktiven Schwerkraftgitter in die Tiefe gerissen wurde. Allein bei dem Gedanken, wie häufig Williamson auf dem Weg hierher mit seinen mehrfach gebrochenen Gliedmaßen gegen Hindernisse gestoßen sein mußte, schauderte Conway. Und dennoch schien die einzige Besorgnis des Monitors darin zu bestehen, Conway davon überzeugen zu müssen, diesen AACL zu töten.

Das Wesen befand sich jetzt unter dem Monitor, direkt unter dem Monitor, und die Distanz zwischen den beiden verringerte sich mit jeder Sekunde.

Conway spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. Der verletzte Williamson, der seinen Flug nicht abbremsen konnte, schwebte hilflos immer weiter nach unten — direkt auf den geduckten AACL zu! Während Conway wie gebannt hinüberstarrte, rollte sich einer der stahlharten Tentakel aus und war bereit, einen tödlichen Schlag zu versetzen.

Conway stürzte sich instinktiv in die Richtung des schwebenden Monitors. Er hatte jetzt keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, ob es sich bei seiner Aktion um ein bewußtes Vorgehen handelte oder ob es tapfer oder einfach nur dumm war, was er tat. Mit einem dumpfen Krachen prallte er mit dem Monitor zusammen, klammerte sich an ihm fest und schlang seine Beine um Williamsons Taille, damit er die Hände zur Bedienung des G-Gürtels frei hatte. Wie wild drehten sie sich um ihren gemeinsamen Gravitationsschwerpunkt, und die Wände, die Decke und der von dem AACL okkupierte Boden wirbelten so schnell um sie herum, daß Conway die Bedienungselemente kaum im Auge behalten konnte. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis er endlich die Drehung in den Griff bekam und es schaffte, daß sie sich auf das Loch in der Decke zubewegten. Fast waren sie schon in Sicherheit, als Conway einen der trossenartigen Tentakel auf sich zuschnellen sah.