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Jeder einzelne Dozent betonte immer wieder, wie wichtig eine umgehende und exakte Klassifikation eingelieferter Patienten war, weil diese häufig aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage waren, diese Informationen selbst zu geben.

In dem aus vier Buchstaben bestehenden Klassifikationssystem zeigte der erste Buchstabe den allgemeinen Stoffwechsel an, der zweite die Anzahl der Gliedmaßen und Sinnesorgane und der dritte und vierte die erforderlichen Druck— und Schwerkraftverhältnisse, was zugleich ein Hinweis auf die physische Masse und Beschaffenheit eines Wesens war. A, B und C als erste Buchstaben zeigten Wasseratmer an, D und F warmblütige Sauerstoffatmer — in diese Klassifikation fielen die meisten intelligenten Wesen. G bis K waren auch Sauerstoffatmer, aber insektenartige Wesen von Planeten mit geringer Schwerkraft, ebenso wie die vogelartigen Wesen der Kategorie L und M. Die Chloratmer waren in die Gruppen O und P eingeteilt. Danach kamen völlig absonderliche Spezies — Strahlungsverwerter; starrblütige oder kristalline Wesen; Kreaturen, die ihre physische Gestalt beliebig verändern konnten und andere, die verschiedene Arten übersinnlicher Kräfte besaßen. Telepathische Spezies wie die Telfi hatten als ersten Buchstaben ein V.

Die Dozenten pflegten drei Sekunden lang das Bild eines ET-Fußes oder eines Stücks der Oberflächenhaut auf dem Bildschirm zu zeigen, und wenn Conway das Wesen aufgrund dieses kurzen Eindrucks nicht einstufen konnte, hagelte es hämische Bemerkungen.

Bei alldem handelte es sich zwar um sehr interessanten Lernstoff, aber Conway paßte es nicht, daß er sechs Wochen lang keinen Patienten zu Gesicht bekommen hatte. Deshalb beschloß er, O’Mara anzurufen und ihn zu fragen, was das Ganze zu bedeuten hatte — selbstverständlich auf respektvolle und zurückhaltende Weise.

„Natürlich wollen Sie wieder auf Ihre Station zurück“, sagte O’Mara, als Conway auf Umwegen schließlich zum entscheidenden Punkt gekommen war, „und Doktor Mannon will Sie auch wiederhaben. Aber es könnte ja sein, daß ich für Sie eine Verwendung hab und gar nicht möchte, daß Sie an andere Aufgaben gebunden sind. Sie brauchen jedoch nicht zu glauben, daß Sie hier sinnlos Ihre Zeit verplempern. Sie lernen sehr nützliche Dinge, Doktor. Wenigstens hoffe ich das. Machen Sie’s gut.“

Während Conway das Mikrofon des Kommunikators abschaltete, dachte er darüber nach, daß sich viele der Dinge, die er gelernt hatte, auf die Person Major O’Maras bezogen hatten. Zwar gab es keine Vorträge, die sich direkt mit den Aufgaben und Funktionen des Chefpsychologen befaßt hatten, was aber durchaus hätte sein können, da er in sämtlichen Lehrgängen auf die ein oder andere Weise erwähnt wurde. Und Conway wurde erst allmählich klar, wie nahe er wegen seines Verhaltens bei der Telfi-Geschichte am Rande eines Rausschmisses gestanden hatte.

O’Mara trug im Monitorkorps den Rang eines Majors, aber Conway hatte gelernt, wie schwierig es war, seinen Aufgabenbereich innerhalb des Hospitals genau einzugrenzen. Als Chefpsychologe war er für das geistige Wohlbefinden der vielen verschiedenartigen Individuen und Spezies des Personals verantwortlich und mußte Konflikte zwischen ihnen vermeiden.

Selbst wenn man äußerste Toleranz und gegenseitigen Respekt beim Personal voraussetzte, gab es doch noch Anlässe genug zu Reibereien. Potentiell gefährliche Situationen entstanden in erster Linie durch Unwissenheit und Mißverständnisse, aber auch wenn ein Wesen eine neurotische Xenophobie entwickelte, die seine geistige Stabilität oder Leistungsfähigkeit oder beides zusammen beeinträchtigte. Ein Arzt von der Erde zum Beispiel, der eine unbewußte Angst vor Spinnen hatte, würde einem illensanischen Patienten niemals eine angemessene klinische Versorgung zuteil werden lassen können, die zu seiner Behandlung notwendig wäre. Und so war es O’Maras Aufgabe, solche Probleme rechtzeitig zu erkennen und möglichst noch im Keim zu ersticken oder — falls alles nichts nützte — das potentiell gefährlichere Individuum aus dem Orbit Hospital zu entfernen, bevor sich aus einer solchen Auseinandersetzung ein offener Konflikt entwickeln konnte. Sein Vorgehen gegen falsche, schädliche und intolerante Denkweisen nahm der Monitor mit einem solchem Pflichteifer wahr, daß man ihn nach dem ersten Großinquisitor der Menschheitsgeschichte als „modernen Torquemada“ bezeichnete.

Extraterrestrier im Mitarbeiterstab, auf deren Heimatplaneten in der Vergangenheit nie etwas Vergleichbares wie eine Inquisition stattgefunden hatte, bemühten andere Metaphern und schleuderten ihm die Ausdrücke direkt ins Gesicht. Aber gerechtfertigte Beschimpfungen ließen nach O’Maras Ansicht nicht auf falsche Denkweisen schließen, und so gab es nie ein ernsthaftes Nachspiel.

Nicht verantwortlich war der Chefpsychologe für psychologische Schäden der Patienten im Hospital. Da es aber häufig schwierig war festzustellen, wann ein rein physischer Schmerz nachließ und ein psychosomatischer begann, wurde er auch in solchen Fällen häufig zu Rate gezogen.

Der Umstand, daß der Major ihn vom Stationsdienst befreit hatte, konnte nach Conways Dafürhalten sowohl eine Beförderung als auch eine Degradierung bedeuten. Falls Mannon ihn aber wirklich zurückhaben wollte, dann mußte die Aufgabe, die O’Mara für ihn vorgesehen hatte, von noch größerer Wichtigkeit sein. Deshalb war er sich ziemlich sicher, daß er mit O’Mara zur Zeit keinerlei Probleme hatte. Das war zwar einerseits ein sehr angenehmes Gefühl, aber andererseits kam er vor Neugierde fast um.

Schon am nächsten Morgen wurde ihm aufgetragen, sich umgehend im Büro des Chefpsychologen zu melden.

Dritter Teil Probleme mit Emily Als Conway auf das große, tropfenförmige Gebilde blickte, das vom Sichtfenster neben O’Maras Schreibtisch umrahmt wurde, dachte er, es müsse sich um einen der veralteten großen Kolonialtransporter handeln, in dem früher vier Generationen Kolonisten zwischen den Sternsystemen befördert werden konnten, ehe Hyperantriebe solche Riesenschiffe überflüssig gemacht hatten. Mit Ausnahme der Vollsichtkanzel des Piloten waren sämtliche Beobachtungsgänge und Sichtfenster mit dicken Stahlplatten abgedeckt und von außen verstärkt worden, damit die Schiffshaut dem nicht unbeträchtlichen Innendruck standhielt. Selbst neben den gewaltigen Ausmaßen des Sektors zwölf wirkte dieser alte Transporter riesig.

„Sie sollen als Verbindungsmann zwischen unserem Hospital und dem Arzt und dem Patienten des Schiffs dort draußen fungieren“, sagte der Chefpsychologe, wobei er Conway genau beobachtete. „Der Arzt ist ein sehr kleines Lebewesen, wohingegen der Patient ein Dinosaurier ist.“

Conway war bemüht, sein Erstaunen zu verbergen. Natürlich wußte er, daß O’Mara jede seiner Reaktionen genau analysierte, und er empfand ein fast perverses Vergnügen dabei, dem Monitor dieses Vorhaben so schwer wie möglich zu gestalten.

„Und was fehlt dem Wesen?“ fragte er möglichst gleichgültig.

„Nichts“, antwortete O’Mara.

„Demnach muß es psychisch gestört sein, richtig?“

O’Mara schüttelte den Kopf.

„Was hat dann ein gesundes, psychisch stabiles und intelligentes Wesen hier zu suchen, wenn es nicht einmal.“

„Es ist nicht intelligent.“