Während Conways Schilderung konnte sich Mannon mehrmals ein Grinsen nicht verkneifen.
„Wenn ich Sie richtig verstanden hab, ist es für Sie das erstemal, daß Sie langfristig mit einem. ehm. daß, ie einer telepathischen Lebensform ausgesetzt sind und ich der erste bin, dem Sie Ihre damit verbundenen Probleme anvertrauen, richtig?“ Mannons Tonfall verriet, daß es sich hierbei nicht um eine Frage, sondern um eine Feststellung gehandelt hatte. „Und obwohl Sie diesen Juckreiz nur in der Nähe des VUXG und des Patienten stark verspüren, tritt er periodisch auch woanders auf, wenn auch nur in schwächerer Form, richtig?“
Conway nickte. „Erst vor fünf Minuten war dieses Jucken schon wieder da.“
„Mit zunehmender Entfernung nimmt es natürlich ab“, fuhr Dr. Mannon fort. „Aber um Sie zu beruhigen: Sie brauchen sich überhaupt keine Sorgen zu machen. Arretapec versucht lediglich, aus Ihnen einen Telepathen zu machen, und zwar ohne es selbst zu wissen. Ich werde Ihnen das erklären.“
Offenbar wurde durch einen längeren Kontakt mit einem telepathischen Lebewesen ein gewisser Bereich im menschlichen Gehirn stimuliert. Das ließ auf den Beginn einer telepathischen Funktion dieser Gehirnzone in der Zukunft schließen oder auf eine verkümmerte und seither abhandengekommene Gehirnfunktion aus der Vorzeit.
„Die Folge ist eine lästige, aber völlig harmlose Reizung. In sehr seltenen Fällen jedoch“, fügte Mannon hinzu, „bewirkt diese Nähe beim Menschen die Fähigkeit zu einer Art künstlichen Telepathie — und das heißt, er kann hin und wieder die Gedanken von dem Telepathen empfangen, dem er ausgesetzt ist, jedoch von keinem anderen Wesen. Diese Fähigkeit bleibt aber immer zeitlich strikt begrenzt und verschwindet, sobald das dafür verantwortliche Wesen den Menschen wieder verläßt. Allerdings sind diese Fälle künstlich herbeigeführter Telepathie extrem selten“, schloß Mannon, „und auf Sie wirkt sich anscheinend nur das wahrhaftig reizende Nebenprodukt aus, sonst wüßten Sie wahrscheinlich, was Arretapec vorhat, Sie brauchten nämlich nur seine Gedanken zu lesen.“
Während Dr. Mannon redete und ihm wiederholt die Sorge nahm, sich irgendeine merkwürdige neue Krankheit zugezogen zu haben, dachte Conway die ganze Zeit fieberhaft nach. Ihm fielen dabei einzelne Episoden mit Arretapec und dem Brontosaurier wieder ein, zu denen sich Gesprächsfragmente mit dem VUXG und Bruchstücke seiner selbst erworbenen Kenntnisse gesellten, aus denen er sich ein vages Bild machte. Es war zwar ein etwas verrücktes oder wenigstens schiefes Bild, und es wies noch viele Lücken auf, aber was sonst sollte ein Wesen wie Arretapec mit einem Patienten wie dem Brontosaurier vorhaben, wenn nicht das? Zudem noch mit einem Patienten, dem überhaupt nichts fehlte…
„Wie bitte?“ hakte er nach, als er bemerkte, daß Mannon etwas gesagt hatte, das er nicht mitbekommen hatte.
„Ich hab gesagt, wenn Sie herausfinden, was Arretapec vorhat, lassen Sie es mich bitte wissen“, wiederholte Mannon.
„Nun, ich weiß, was er vorhat“, entgegnete Conway unvermutet. „Wenigstens glaube ich das — und ich verstehe jetzt auch, warum Arretapec darüber nicht sprechen möchte. Er hat Angst, sich der Lächerlichkeit preiszugeben, zumal allein der Gedanke, es auf einen solchen Versuch ankommen zu lassen, schon lächerlich genug ist. Was ich nicht verstehe, ist, warum er das vorhat.“
„Doktor Conway“, ermahnte Mannon ihn mit nur scheinbar freundlicher Stimme, „wenn Sie mir nicht sofort verraten, wovon Sie sprechen, dann werde ich Ihnen, wie wir etwas grobschlächtigen Chirurgen es so treffend auszudrücken pflegen, die Eingeweide einzeln rausreißen.“
Conway stand abrupt auf. Er mußte umgehend zu Arretapec zurück. Da er jetzt eine ungefähre Vorstellung von dem hatte, was dort vor sich ging, hatte er sich um etliche Dinge zu kümmern — er mußte unbedingt dringende Sicherheitsvorkehrungen treffen lassen, an die ein Wesen wie der VUXG wahrscheinlich gar nicht dachte.
„Tut mir leid, Sir“, sagte er abwesend, „aber ich kann es Ihnen nicht sagen. Wissen Sie, nach dem, was Sie mir erzählt haben, besteht die Möglichkeit, daß ich mein Wissen auf telepathischem Weg direkt über Arretapecs Gehirnströme bezogen hab, und in diesem Fall würde es sich dabei um vertrauliche Informationen handeln. Ich muß mich jetzt beeilen. Aber vielen Dank für alles.“
Kaum war er draußen, rannte er zum nächsten Kommunikator und rief im Büro der Ingenieursdivision an. Die Stimme, die antwortete, erkannte er als die des Colonels wieder, den er schon zuvor kennengelernt hatte.
„Ist die Hülle dieses umgebauten Transporters stark genug, um den Aufprall eines ungefähr vierzig Tonnen schweren Körpers zu verkraften, der sich mit einer Geschwindigkeit zwischen dreißig und hundertfünfzig Kilometern pro Stunde bewegt? Und falls nicht, welche Sicherheitsvorkehrungen könnten Sie dagegen treffen?“
Es folgte ein langes, bedrückendes Schweigen, dann sagte der Coloneclass="underline" „Machen Sie Scherze? Das Ding würde die Hülle durchschlagen, als wäre sie ein Stück Sperrholz. Das Luftvolumen im Innern des Schiffs ist allerdings so groß, daß der Wartungsmannschaft trotz eines solch schweren Einschlags genug Zeit bliebe, Raumanzüge anzulegen. Warum fragen Sie mich das überhaupt?“
Conway dachte aufgeregt nach; er wollte etwas erledigt haben, ohne zu verraten, warum. Schließlich sagte er dem Colonel, er sorge sich um die Schwerkraftgitter, die die künstliche Gravitation im Schiff aufrechterhielten. Es gäbe davon so viele, daß die versehentliche Umpolung nur eines einzigen Bodengitters den Brontosaurier abstoßen würde, anstatt ihn anzuziehen.
Etwas gereizt stimmte ihm der Colonel zwar zu, daß die Schwerkraftgitter auf Abstoßung umgestellt werden könnten und ebenso auf konzentrierte Pressor— und Traktorstrahlung, aber eine solche versehentliche Umschaltung passiere nicht gleich, nur weil jemand mal zufällig laut huste. Zudem gäbe es eingebaute Sicherheitsvorkehrungen, die.
„Trotzdem“, unterbrach ihn Conway. „Ich würde mich sehr viel wohler fühlen, wenn Sie sämtliche Schwerkraftgitter so einstellen könnten, daß sie sich beim Herannahen eines schweren, fallenden Körpers automatisch auf Abstoßung umschalten. Ist das möglich?“
„Ist das ein Auftrag, oder sind Sie wirklich so ein überängstlicher Typ?“ fragte der Colonel ungehalten.
„Das ist leider ein Auftrag“, antwortete Conway.
„Dann ist es auch möglich.“ Ein scharfes Klicken beendete das Gespräch.
Conway begab sich mit dem Vorsatz zu Arretapec, von nun an seinem Chef ein perfekter Assistent zu sein — und zwar in dem Sinne, daß er bereits eine Antwort parat haben wollte, bevor Arretapec überhaupt eine Frage gestellt hatte. Er mußte den VUXG nur dazu bringen, die richtigen Fragen zu stellen, damit er sie auch wirklich beantworten konnte, dachte er und lächelte verschmitzt.
Am fünften Tag ihrer Zusammenarbeit sagte Conway zu Arretapec: „Man hat mir versichert, daß Ihr Patient körperlich völlig gesund ist und keine psychiatrische Behandlung benötigt. Daher bin ich zu dem Schluß gekommen, daß Sie auf telepathischem oder ähnlichem Weg versuchen, irgendeine Veränderung in der Gehirnstruktur des Patienten zu bewirken. Falls meine Schlußfolgerungen zutreffen, hab ich für Sie Informationen, die Ihnen helfen werden oder die zumindest interessant für Sie sind.
Es gab einst ein riesiges Reptil, das dem Patienten stark ähnelt und vor Urzeiten auf meinem Heimatplaneten gelebt hat. Von Überresten, die von Archäologen ausgegraben wurden, wissen wir, daß es in der Gegend der Kreuzbeinwirbel ein zweites Nervensystem besaß — oder benötigte —, das um ein Vielfaches größer als das eigentliche Gehirn war und vermutlich die Motorik der Hinterbeine, des Schwanzes und so weiter steuerte. Falls das stimmt, haben Sie es vielleicht auch bei unserem Patienten mit zwei Gehirnen zu tun und nicht nur mit einem.“
Während er auf Arretapecs Antwort wartete, war er heilfroh, daß der VUXG einer Spezies angehörte, deren ethische Grundsätze es verboten, ihre telepathische Fähigkeit gegenüber Nichttelepathen anzuwenden. Sonst wäre Arretapec Conways Wissen über die beiden Nervenzentren des Patienten nicht verborgen geblieben und auch nicht, daß Conway sich dieses Wissen nur hatte aneignen können, weil er heimlich einen Kollegen beauftragt hatte, den nichtsahnenden Dinosaurier mit Röntgenscanner und — kamera eines Nachts zu untersuchen, während er und der Patient geschlafen und Arretapec ein weiteres Loch in die Schreibtischplatte genagt hatte.