Auf ihrem Heimatplaneten schloß dies eine ausgiebige Behandlung mit einer Art Sandstrahlgebläse ein, aber wie O’Mara annahm, lag das wahrscheinlich an dem dort herrschenden Druck und der stickigen Atmosphäre. Ein weiteres Problem, das er zu lösen hatte, war, wie er dem Baby einen Klaps verabreichen konnte, der kräftig genug war, ohne seine tröstende Wirkung zu verfehlen. Er zweifelte stark daran, sich jedesmal in einen Wutanfall hineinsteigern zu können, sobald das Baby quasi nach der mütterlichen Brust verlangte.
Aber wenigstens stand ihm genug Zeit zur Verfügung, sich etwas Passendes einfallen zu lassen, denn unter anderem hatte er herausgefunden, daß FROBs im Kindesalter zwei Tage am Stück wach zu sein pflegten, danach aber fünf Tage hintereinander schliefen.
Während der ersten fünftägigen Schlafphase gelang es O’Mara, sich Methoden auszudenken, wie er seinen Schützling streicheln und baden konnte. Er hatte sogar noch zwei freie Tage gehabt, um sich ausruhen und neue Kräfte für die auf ihn zukommenden zwei Tage Schwerstarbeit sammeln zu können, bevor der Kleine wieder aufgewacht war. Für einen durchschnittlich kräftigen Mann wäre es ein kaum zu bewältigendes Pensum gewesen, aber O’Mara hatte bereits nach den ersten beiden Wochen das Gefühl, sich seelisch wie körperlich auf diese Aufgabe richtig eingestellt zu haben. Am Ende der vierten Woche war sogar sein Bein schmerzfrei und nicht mehr steif, und was das Baby anging, lief alles wie geschmiert.
Draußen näherte sich das Projekt der Vollendung. Bis auf ein paar unwichtige Einzelstücke am Rand war das gigantische, dreidimensionale Puzzle komplett.
Ein Untersuchungsinspektor des Monitorkorps war eingetroffen, der anscheinend außer O’Mara jeden einzelnen einem Verhör unterzog.
O’Mara fragte sich immer wieder, ob Waring bereits ausgehorcht worden war und, wenn ja, was der Traktorstrahlentechniker gesagt hatte. Im Gegensatz zu anderen bereits am Projekt beschäftigten Angehörigen des Monitorkorps, die ausschließlich als Ingenieure ausgebildet waren, war dieser Inspektor ein Psychologe und sehr wahrscheinlich kein Fachidiot. O’Mara selbst hielt sich auch nicht gerade für einen Dummkopf; er hatte alles genau überdacht und hätte eigentlich vor dem Untersuchungsergebnis keine Angst zu haben brauchen. Nach Einschätzung der allgemeinen Lage und der Situation, in der sich die Leute hier befanden, schienen ihm zwar die Reaktionen jedes einzelnen voraussagbar zu sein, aber dennoch hing letztendlich alles davon ab, was Waring diesem Monitor erzählen würde.
Du bist ja ein richtiger Angsthase! dachte O’Mara voller Selbstverachtung. Kaum wird deine Lieblingstheorie auf die Probe gestellt, hast du schon Schiß, sie könnte nicht funktionieren, und willst am liebsten vor Waring auf die Knie fallen und ihm die Füße küssen!
Aber natürlich wußte er, daß auf diese Weise in eine ansonsten vorauszuberechnende Situation eine Unbekannte eingeführt werden würde, die alles über den Haufen werfen konnte. Doch nichtsdestotrotz war die Versuchung groß.
Als er am Anfang der sechsten Woche seiner aufgezwungenen Vormundschaft über den kleinen Hudrer gerade etwas über die seltsamen und wundersamen Krankheiten las, zu denen FROB-Babies neigten, kündigte ihm das Kontrollicht der Luftschleuse einen Besucher an. Er stand rasch von der Couch auf, sammelte sich und blickte gefaßt in Richtung der Schleuse, als könnte ihm nichts auf der Welt etwas anhaben.
Aber es war nur Caxton.
„Ehrlich gesagt, hab ich den Monitor erwartet“, sagte O’Mara.
Caxton schnaufte abfällig. „Sie haben ihn wohl noch nicht gesprochen, wie? Vielleicht empfindet er das nur als Zeitverschwendung. Nach allem, was er von uns gehört hat, hält er den Fall wahrscheinlich für abgeschlossen. Wenn er hier auftaucht, wird er mit Handschellen kommen.“
O’Mara sah Caxton nur an. Am liebsten hätte er ihn gefragt, ob das Korpsmitglied bereits Waring verhört hatte, besann sich aber eines Besseren.
„Ich bin gekommen, weil ich wissen will, was mit dem Wasser ist“, fuhr Caxton unwirsch fort. „Von der Magazinverwaltung hab ich gehört, daß Sie die dreifache Wassermenge angefordert haben, die Sie im Höchstfall verbrauchen können. Haben Sie hier ein Aquarium eröffnet oder so was?“
O’Mara gab absichtlich keine direkte Antwort und entgegnete nur: „Es ist übrigens der Zeit, das Baby zu baden. Haben Sie Lust zuzusehen?“
Er bückte sich, entfernte geschickt einige Platten aus dem Boden und griff hinein.
„Was machen Sie da?“ brüllte Caxton los. „Das sind die Schwerkraftgitter, da dürfen Sie nicht einfach ran.“
Plötzlich hatte der Boden dreißig Grad Schlagseite. Caxton taumelte gegen eine Wand und fluchte. O’Mara richtete sich wieder auf, öffnete die innere Luke der Luftschleuse und ging auf die Schlafkabine zu, wobei der Boden jetzt stark anstieg. Caxton, der noch immer lautstark darauf bestand, daß O’Mara weder die Erlaubnis noch die Qualifikation besäße, die Einstellung des künstlichen Schwerkraftfelds zu verändern, folgte ihm.
„Drinnen angelangt,“ sagte O’Mara. „Das hier ist die Reservespritzpistole.
Ich hab die Düse verengt, um so einen stärkeren Wasserstrahl zu erhalten.“ Er richtete das Gerät auf eine kleine Fläche der Haut des Alienbabys, um Caxton zu demonstrieren, wie es funktionierte. Der Hauptdarsteller dieser Vorführung beachtete die beiden nicht, denn er war gerade eifrig damit beschäftigt, die kärglichen Überreste eines von O’Maras Stühlen in noch unkenntlichere Formen zusammenzustauchen.
„Wie Sie sehen können, ist das Nahrungspräparat an einigen Stelle der Haut getrocknet. Diese Stellen müssen in gewissen Abständen gewaschen werden, weil sie sonst den Absorptionsmechanismus verstopfen. Kleine Hudlarer fühlen sich dann sehr unwohl, sie machen sich entsprechend laut bemerkbar und…“
O’Mara unterbrach sich. Er sah, daß Caxton das Alienbaby überhaupt nicht ansah, sondern nur auf das Wasser achtete, das von dessen Haut abprallte und entlang der jetzt schräg geneigten Tür der Schlafkabine quer durch den Wohnraum in die offene Luftschleuse floß. Daß Caxton abgelenkt war, war O’Mara nur recht, denn er hatte mit der Spritzpistole eine Hautstelle freigelegt, deren Struktur und Farbe er zuvor noch nie gesehen hatte, und selbst wenn dies kein Anlaß zur Sorge war, war es doch besser, wenn Caxton nichts davon bemerkte und keine Fragen stellte.
„Was ist denn das da oben?“ fragte Caxton, wobei er zur Decke deutete.
Um dem Baby, die notwendigen Streicheleinheiten zukommen lassen zu können, hatte O’Mara aus Hebeln, Rollen, Seilen und Gegengewichten eine Vorrichtung montiert und das komplette unförmige Gebilde an der Decke aufgehängt. Er war ziemlich stolz auf die Apparatur, die ihn in die Lage versetzte, dem Baby an jeder beliebigen Stelle der panzerähnlichen Haut einen anständigen, kräftigen Klaps zu verabreichen, der einen Menschen auf der Stelle getötet hätte. Trotzdem bezweifelte er, daß Caxton das Gerät richtig zu würdigen wußte. Wahrscheinlich würde der Sektionsleiter ihm vorwerfen, das Baby zu quälen, und den Einsatz des Geräts sogar verbieten.
O’Mara ging auf den Ausgang zu und sagte über die Schulter hinweg:
„Das ist nur ein Flaschenzug.“
Die nassen Stellen auf dem Boden wischte er mit einem Lappen auf, den er anschließend in die jetzt teilweise mit Wasser gefüllte Luftschleuse warf. Seine Sandalen und der Overall waren auch durchnäßt worden, und er schmiß sie hinterher, bevor er die innere Luke schloß und die äußere öffnete. Während das Wasser draußen im luftleeren Raum verdampfte, stellte er die Schwerkraftgitter zurück, so daß der Boden wieder eben und die Wände gerade waren. Dann holte er die Sandalen, den Overall und den Lappen aus der Luftschleuse, die nun knochentrocken waren.