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Vorsichtig tasteten sich die Freunde ins Moor hinaus. Nur keine blinde Hast jetzt! Bei jedem Tritt hieß es höllisch aufpassen.

„Schnell!", rief Herr Dimpfelmoser. „Wenn ihr nicht schnell macht, versacke ich hier mit Haut und Haar! Wer soll dann den Räuber fangen – und wie soll Frau Schlotterbeck ihre Kugel zurückbekommen?"

„Da können Sie ganz beruhigt sein", meinte Kasperl. „Frau Schlotterbecks Kugel haben wir längst gefunden. Nicht Hotzenplotz hat sie ihr weggemopst, sondern Wasti. Was sagen Sie nun?"

Herr Dimpfelmoser hatte im Augenblick andere Sorgen. Er steckte bis über die Waden im Schlamm – und mit jeder Sekunde, das spürte er, sank er tiefer ein.

„Wollt ihr zusehen, wie ich vom Moor verschluckt werde? Helft mir raus da, ihr beiden – helft mir doch!"

Kasperl verzog keine Miene.

„Eins nach dem anderen. Reden wir erst mal von Hotzenplotz."

„Als ob das nicht Zeit hätte!", rief Herr Dimpfelmoser. „Ich bitte dich!"

„Eben nicht!", widersprach ihm Kasperl. „Hotzenplotz hat die Kristallkugel nicht geraubt, das ist klar erwiesen. Geben Sie uns Ihr Wort, dass Sie ihn von jetzt an in Frieden lassen?"

„Mein großes, amtliches, ortspolizeibehördliches Ehrenwort – wenn ihr mich nur herauszieht!"

„Topp!", sagte Kasperl.

Er packte Herrn Dimpfelmoser an beiden Handgelenken, Seppel hakte die Finger in Kasperls Gürtel und Wasti, nicht faul, schnappte Seppel beim Hosenträger.

„Hau – ruck! Hau – ruck!"

Ein schweres Stück Arbeit war es, Herrn Dimpfelmoser aus dem Morast zu zerren – aber sie schafften es schließlich doch. Freilich: Die Stiefel und seine Strumpfsocken blieben im Moor zurück, das war nicht zu ändern.

„Barfuß am Leben ist auch was wert", stellte Kasperl fest.

Herr Dimpfelmoser wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.

„Ich danke euch – das war Rettung aus höchster Not! Und was nun?"

Sie führten ihn an den Rand des Moores zurück.

„Nun gehen Sie bitte nach Hause, Herr Dimpfelmoser, und nehmen ein heißes Fußbad – damit Sie uns keinen Schnupfen kriegen."

„Und ihr?"

„Wir beiden und Wasti erledigen alles Übrige. Wenn wir Glück haben, kann da nichts mehr schief gehen."

„Waff!", machte Wasti. „Waff! Waff!"

Das bedeutete in der Hundesprache:

„Verlassen Sie sich darauf, Herr Hauptwachtmeister!"

Bergauf und bergab

Sie ließen Herrn Dimpfelmoser im Walde stehen und rannten zur Straße, wo sie das Fahrrad bestiegen. Seppel nahm Wasti auf dem Gepäckträger mit – und ab ging es, was die Pedale hergaben.

Am hinteren Türchen zu Großmutters Garten setzten sie Wasti auf alle Viere und Kasperl schlang sich das Ende der Hundeleine fest um das linke Handgelenk.

„Such Hotzenplotz, Wasti! Such Hotzenplotz!"

Der Krokodilhund ließ sich nicht lange bitten. Er schnupperte dahin, er schnupperte dorthin; dann stieß er ein kurzes, scharfes Gebell aus: „Wäff-wäff!" – und schon wetzte er los, dass Kasperl sich ganz schön abstrampeln musste um mit ihm Schritt zu halten.

Sie folgten fürs Erste der Landstraße, die nach Norden führte, obgleich ja Amerika, wie sie wussten, in westlicher Richtung lag – dann bog Wasti auf einen Feldweg ein.

Kasperl war nahe daran, erschöpft aus dem Sattel zu kippen.

„Lass mich mal!", bat Seppel.

Von jetzt an wechselten sie die Plätze in immer kürzeren Abständen.

Wasti hingegen blieb munter und frisch, er rannte auf seinen kurzen Beinen dahin wie mit Siebenmeilenstiefeln.

Sie fuhren durch Wald und Feld: Eine Weile bergauf, eine Weile bergab, eine Weile durch flaches Land – und plötzlich bemerkten die Freunde, dass sie in eine Gegend geraten waren, die sie von früher kannten.

„Guck mal!", rief Kasperl.

Er zeigte auf eine Dornenhecke, die sich um einen Haufen geborstener Mauersteine und Ziegel rankte. Schaudernd warfen sie einen Blick auf die traurigen Überreste von Petrosilius Zwackelmanns einstigem Zauberschloss.

„Weißt du noch, wie wir für ihn Kartoffeln geschält haben?", fragte Seppel. „Gut, dass er hin ist, der große und böse Zauberer Wackelzahn!"

Nun schlug Wasti den Weg nach der Hohen Heide ein.

Welch eine Überraschung für Kasperl!

Ob es die alte Wetterfichte noch gab, die einsam neben dem schwarzen Teich stand? Dort hatte er damals gesessen und auf den Mond gewartet.

„Du kannst dir nicht vorstellen, Seppel, wie froh ich war, als mir das Feenkraut unter der Fichte entgegenschimmerte: lauter silbrige, zarte Stängel mit silbrigen, zarten Blättchen ..."

Kasperl geriet ins Schwärmen.

„Ein winziger Büschel davon hat genügt um die Fee Amaryllis aus ihrer Verzauberung zu erlösen – nach sieben Jahren im Unkenpfuhl! – Übrigens ist sie mir gestern im Traum erschienen. Und weißt du, was sie gesagt hat?"

„Vorsicht!", rief Seppel. „Gleich rumpeln wir an den nächsten Baum!"

Kasperl konnte gerade noch ausweichen.

„Reichlich knapp!", meinte Seppel. „Statt an die Träume von gestern Nacht zu denken, solltest du lieber ein bisschen mehr auf den Weg achten!"

Auf der Hohen Heide

Die Sonne war eben untergegangen, als Kasperl und Seppel verschwitzt und müde zur Hohen Heide kamen. An einen Steinblock gelehnt, saß ein Mann im Heidekraut. Gegen den hellen Abendhimmel hob er sich deutlich ab: Er trug einen Räuberhut auf dem Kopf – und am Hut eine lange Feder.

„Herr Hotzenplotz!"

Kasperl und Seppel sprangen vom Rad und dann nichts wie hin zu ihm!

„Warum sind Sie weggelaufen, Herr Hotzenplotz – wo doch nun alles in Butter ist! Wollen Sie nicht zurückkommen?"

Hotzenplotz rieb sich das Kinn, dass die Bartstoppeln knisterten.

„Habt ihr gelesen, was ich euch an die Wand des Kartoffelkellers geschrieben habe?"

„Ach was!", meinte Kasperl. „Die Sache mit der Kristallkugel hat sich längst geklärt. Jetzt brauchen Sie keine Angst mehr zu haben – selbst vor der Polizei nicht!"

„Waff!", machte Wasti, als wollte er Kasperls Worte bekräftigen.

Hotzenplotz schob sich den Hut ins Genick.

„Ich weiß ja, ihr zwei meint es gut mit mir – aber alle anderen? Jede Gaunerei, die von jetzt an in dieser Gegend geschieht: Die Leute werden sie mir in die Schuhe schieben! Und damit noch nicht genug – oder könnt ihr mir raten, was ich in Zukunft tun soll? Ich meine das ganz im Ernst. Man muss schließlich von etwas leben, nicht wahr?"

Kasperl und Seppel beteuerten, dass sie darüber nachdenken wollten.

„Wir werden uns schon was einfallen lassen, Herr Hotzenplotz!"

Hotzenplotz lachte bitter auf.

„Das habt ihr Frau Schlotterbeck auch versprochen – und trotzdem ist Wasti noch immer ein Krokodil."

Was sollten die Freunde ihm darauf antworten?

„Alles braucht eben seine Zeit", meinte Kasperl. „Kann sein, dass wir mit der Kräuterkur noch Erfolg haben."

„Daran glaubst du doch selber nicht!"

Es war dunkel geworden ringsum – und bald ging der Mond auf: ein großer, gelber, fetter Septembermond, rund und voll.

Kasperl erinnerte sich an den Traum von der Fee Amaryllis, er fing zu erzählen an. Hotzenplotz, Seppel und Wasti hörten ihm schweigend zu; doch als Kasperl mit seiner Geschichte zu Ende gekommen war, packte ihn Seppel am Arm.

„Ich kann mir nicht helfen!", rief er. „Was sollte die Fee wohl gemeint haben, wenn nicht das Feenkraut?"

„Mensch!", sagte Kasperl. „Wie konnte ich bloß so dumm sein, dass ich das nicht gemerkt habe! Wollen wir unser Glück mal versuchen, Wasti?"