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Der Krokodilhund riss sich mit einem Ruck von der Leine los. Laut bellend rannte er zu der Wetterfichte am schwarzen Teich hinüber.

Zu Füßen des Baumes schimmerte ihm das Feenkraut silbrig entgegen. Er wühlte sich mit der Schnauze hinein – und mit einem Mal war die alte Fichte von unten bis oben in strahlendes Licht getaucht.

„Seht nur, seht nur!"

Es dauerte kaum einen halben Augenblick, dann hatte das Feenkraut seine Wirkung getan und der Schein erlosch.

Wasti Schlotterbeck war am längsten ein Krokodil gewesen. Als lustiger kleiner Langhaardackel kam er zurückgelaufen: mit wehendem Schwanz und schlackernden Ohren.

„Waff-waff-waffwaff!"

Seine Schnauze, sie sahen es voll Erstaunen, leuchtete durch die Nacht – wie mit Silberfarbe bestrichen. Er hatte, so schien es, vom Feenkraut etwas zu viel erwischt.

„Was sagen Sie nun, Herr Hotzenplotz?", fragte Kasperl.

„Nun sage ich überhaupt nichts mehr."

Hotzenplotz streichelte Wasti das Fell. Dann erhob er sich von der Heide und zog den Gürtel fest.

„Wisst ihr was?"

Damit legte er Kasperl den einen Arm um die Schulter und Seppel den anderen.

„Wenn ihr meint, dass ich lieber nicht nach Amerika gehen sollte, dann gehe ich eben nicht nach Amerika! Aber lasst euch gefälligst einen Beruf für mich einfallen, hört ihr – damit ich nicht eines Tages gezwungen bin wieder ein Räuber zu werden!"

Wasti nahm Kasperl und Seppel die Antwort ab. Er strich Hotzenplotz um die Waden und machte:

„Waff-waff!"

Das bedeutete in der Dackelsprache, dass er bereit war, für Kasperl und Seppel den Schwanz ins Feuer zu legen.

Freudentränen

Gegen Mitternacht kamen Kasperl und Seppel mit Wasti zu Hause an. Hotzenplotz hatte es vorgezogen zum Schlafen in seine Höhle zu gehen. Dort konnte er schnarchen, so laut er wollte, ohne dass Großmutter Baldriantropfen zu nehmen brauchte.

Das Fahrrad hatte er mitgenommen, er wollte es im Vorbeigehen an der Wache abstellen.

Großmutter saß in der Fensternische, sie war über ihrem Strickstrumpf eingenickt. Als Kasperl und Seppel ans Fenster klopften, schreckte sie auf.

„Was denkt ihr euch eigentlich?", rief sie. „Seit Mittag warte ich mit dem Apfelstrudel auf euch und ihr kommt nicht herzu!"

Sie tupfte sich mit dem Taschentuch Stirn und Schläfen. „Und der da? – Wo habt ihr den fremden Dackel aufgegabelt?"

„Ach, Großmutter!", sagte Kasperl. „Begreifst du nicht – das ist Wasti Schlotterbeck!"

„Wer?", fragte Großmutter.

„Ja – da staunst du wohl!"

Kasperl und Seppel berichteten, was auf der Hohen Heide geschehen war. Das stimmte die alte Dame zusehends milder, sie holte den Apfelstrudel herbei.

„Er ist ja nun leider kalt geworden – aber ich könnte mir denken, dass er euch trotzdem schmeckt."

Während die beiden sich über den Strudel hermachten, kraulte Großmutter Wasti den Kopf und die Ohren.

Die Wanduhr holte zum Schlag aus.

„O Gott!", sagte Großmutter. „Mitternacht! Jetzt aber rasch ins Bett mit euch!"

Wasti verbrachte die Nacht auf dem Sofa in Kasperls und Seppels Schlafstube, weich gebettet auf einer vierfach zusammengelegten Daunendecke. Er schlief wie ein Murmeltier. Seine silbrige Schnauze erfüllte das Zimmer mit freundlichem Licht. Wenn Kasperl und Seppel zwischendurch einmal aufwachten, glaubten sie, dass es der Schein des Mondes sei, der den Raum erhellte.

Sie schliefen bis in den halben Vormittag.

Nach dem Frühstück begaben die Freunde sich zu Frau Schlotterbeck. „Bringt es ihr, bitte, so schonend wie möglich bei!", hatte Großmutter sie beschworen. Deshalb hatten sie Wasti in Großmutters Reisetasche gesteckt.

Frau Schlotterbeck öffnete ihnen das Gartentor.

„Ihr seid es?", fragte sie. „Eigentlich hatte ich ja Herrn Dimpfelmoser erwartet. Ich habe ihm Wasti geliehen, er wollte ihn spätestens heute Vormittag wieder zurückbringen. Na, kommt rein in die gute Stube!"

Die Freunde redeten mit Frau Schlotterbeck über das Wetter, sie sprachen von dem und jenem – bis Kasperl die Witwe beiläufig fragte, was sie wohl tun würde, wenn es sich eines Tages herausstellen sollte, dass Wasti wieder zu einem Dackel geworden sei.

„Da würde ich auf der Stelle ein großes Fest geben!", sagte Frau Schlotterbeck.

„Schön", meinte Seppel, „das soll ein Wort sein. Dann gucken Sie mal einen Augenblick weg!"

„Wieso?"

„Weil wir Ihnen was beibringen müssen. So schonend wie möglich, wissen Sie."

Frau Schlotterbeck drehte sich mit dem Gesicht zur Wand, Kasperl und Seppel öffneten Großmutters Reisetasche.

„Waff!", machte Wasti und strampelte sich heraus.

„Jetzt dürfen Sie wieder hergucken", sagte Kasperl.

Frau Schlotterbeck musste sich auf den Lehnstuhl stützen, ihr wankten die Knie. Vor Freude und Überraschung fing sie zu weinen an.

„Wasti!", schluchzte sie. „Wastilein! Komm zu Frauchen, mein Dacki-Dackelchen, lass dich ansehen!"

Lachend und weinend schloss sie ihn in die Arme, sie tanzte mit ihm durch die Stube, durch Küche und Flur, durch das ganze Haus. Kasperl und Seppel ließen sie eine Weile tanzen, dann fragten sie:

„Und das Fest?"

„Heute Nachmittag!", rief Frau Schlotterbeck. „Alle sind dazu eingeladen – Großmutter, ihr und Herr Dimpfelmoser!"

„Herr Hotzenplotz auch?", fragte Kasperl.

Frau Schlotterbeck wiegte Wasti im Arm wie ein Wickelkind.

„Wenn ihr meint – auch Herr Hotzenplotz!"

Ein Blick in die Zukunft

Es wurde für alle ein großes und unvergessliches Fest. Frau Schlotterbeck hatte zur Feier des Tages den Morgenrock gegen ein langes seidenes Kleid vertauscht. Herr Dimpfelmoser verehrte ihr einen Blumenstrauß, Hotzenplotz eine Flasche Sliwowitz – und Großmutter legte drei von den mittleren Kürbissen auf den Tisch.

„Für später."

Frau Schlotterbeck hatte türkischen Mokka gekocht, es gab Berge von Streuselkuchen und Mohrenkrapfen.

Wasti saß auf dem Ehrenplatz an der Tafel, er trug eine blaue Schleife hinter dem linken Ohr. Frau Schlotterbeck hatte ihm eine Schüssel voll Salzgurken vorgesetzt, weil er trotz allem ein vegetarischer Dackel geblieben war.

Man aß und man trank, man beglückwünschte Wasti zu seiner Erlösung. Er dankte den Gratulanten mit einem vergnügten „Waffwaff!".

Schließlich schnitt Großmutter einen der Kürbisse an.

„Ich könnte mir denken, dass es ein guter Nachtisch ist. Wer mag kosten?"

Kasperl und Seppel taten ihr den Gefallen und griffen zu.

„Es sind Kürbisse", sagte Großmutter, „die ich eigens gezüchtet habe – nach einem Geheimrezept meiner Schwiegertante."

Die Freunde bissen hinein und stutzten.

„Na?", fragte Großmutter. „Merkt ihr, wonach das schmeckt?"

„Ja", sagte Kasperl, „außen nach Schweizerkäse – und innen nach Rollmops."

Großmutter war entsetzt. „Nicht nach Schlagsahne?", rief sie. „Und nicht nach Himbeereis?"

„Nein", sagte Seppel.

„Dann muss ich den falschen Dünger verwendet haben!"

„Und?", meinte Kasperl. „Rollmops und Käse sind auch was Gutes – nach so viel Süßigkeiten!"

Frau Schlotterbeck stellte Teetassen auf den Tisch und füllte sie bis zum Rand mit Punsch.

„Trinken Sie, meine Lieben, trinken Sie – es soll Ihnen wohl bekommen!"

Ihr Blick fiel auf Hotzenplotz.

„Sie machen ja ein Gesicht wie ein saurer Hering. Haben Sie etwa Kummer?"