Выбрать главу

„Lassen Sie uns den Vorfall zu Protokoll nehmen!"

Großmutter wollte berichten, wie sie den Räuber kaltblütig überlistet und eingesperrt hatte – doch Hotzenplotz unterbrach sie.

„Aufmachen!", rief er. „Ich habe es satt hier, zum Kuckuck! Ich bin aus dem Kreisgefängnis entlassen worden, das kann ich sogar beweisen!"

Herr Dimpfelmoser zwinkerte Kasperl und Seppel zu, als wollte er sagen: Der scheint uns für ganz schön dumm zu halten.

„Dass ich nicht lache, Hotzenplotz! Sie – und entlassen? Was Blöderes ist Ihnen wohl nicht eingefallen!"

„Aber es ist die Wahrheit, Herr Oberwachtmeister! Glauben Sie mir doch endlich!"

Herr Dimpfelmoser verschränkte die Arme.

„Zweierlei müssen Sie wissen, Hotzenplotz: Erstens bin ich mit Wirkung vom letzten Ersten zum Hauptwachtmeister befördert worden – und zweitens habe ich nicht die geringste Lust mich mit Ihnen zu unterhalten. Erzählen Sie Ihre Lügengeschichten doch, wem Sie wollen, aber nicht mir!"

„Das sind keine Lügengeschichten!", beteuerte Hotzenplotz. „Wollen Sie meine Papiere sehen? Sie brauchen bloß aufzusperren, damit ich sie Ihnen zeigen kann!" Herr Dimpfelmoser ließ sich so schnell nicht hereinlegen. Zu Großmutters, Kasperls und Seppels Erleichterung sagte er kurz und bündig: „Die Tür bleibt natürlich zu."

„Und der Schein?", fragte Hotzenplotz. „Mein Entlassungsschein?"

„Notfalls gibt es ja unter der Tür einen Spalt – da können Sie ihn mir durchschieben."

„Aber natürlich!", rief Hotzenplotz und man hörte es seiner Stimme an, wie erleichtert er war. „Das ist die Idee!"

Dann raschelte etwas – und siehe da: durch den Spalt zwischen Tür und Schwelle wurde ein doppelt zusammengefaltetes Stück Papier geschoben. Kasperl und Seppel wollten sich danach bücken, aber Herr Dimpfelmoser hielt sie zurück.

„Das ist Sache der Polizei!"

Er bückte sich höchstpersönlich nach dem Papier, hob es

auf und entfaltete es. Dann begann er zu lesen: Nicht laut, nur sein Schnurrbart bewegte sich, während er las – und allmählich nahm sein Gesicht einen immer verdutzteren Ausdruck an.

„Was steht drin?", wollte Kasperl wissen.

Herr Dimpfelmoser öffnete sich den obersten Kragenknopf, er schien Luft zu brauchen.

„Das Schriftstück ist echt, wir müssen ihn leider rauslassen", sagte er.

„Hotzenplotz?", fragte Großmutter fassungslos.

„Er ist ordnungsgemäß entlassen: mit Stempel und Unterschrift, wie sich das gehört. „Also schließen Sie bitte auf, meine Teuerste."

Großmutter holte den Schüssel hervor und steckte ihn, wenn auch zögernd, ins Schlüsselloch. „Auf Ihre Verantwortung!"

Zweimal knackte das Schloss, dann schob sie den Riegel zurück – und fertig.

Kasperl und Seppel hielten den Atem an.

Hotzenplotz klinkte die Tür auf. Er trat ins Freie, den Räuberhut ins Genick geschoben und blinzelte in die Sonne.

„Wie sind Sie in diesen Garten gekommen?", herrschte Herr Dimpfelmoser ihn an.

„Durch das Gartentor", sagte Hotzenplotz.

„Und was haben Sie hier zu suchen?"

„Ich wollte der Großmutter guten Tag sagen – und mich bei ihr entschuldigen. Wegen damals – Sie werden es wohl noch wissen ..."

„Und ob ich das weiß!", rief Herr Dimpfelmoser. „Und wissen Sie, was ich noch weiß? Sobald ich Sie beim gerings-

ten Verstoß gegen Recht und Gesetz ertappe, landen Sie wieder dort, wo Sie hingehören – nämlich im Loch: dass das klar ist!"

Hotzenplotz legte den Kopf schief.

„Sie werden es mir nicht glauben – aber ich habe mich fest entschlossen ein ehrlicher Mensch zu werden. Auf Räuberwort!"

„Sonst noch was?", schnauzte Herr Dimpfelmoser. „Machen Sie, dass Sie mir aus den Augen kommen!"

Hotzenplotz streckte die Hand aus. „Erst den Entlassungsschein!"

„Da!", rief Herr Dimpfelmoser. „Scheren Sie sich damit zum Teufel! Und denken Sie immer daran, dass es Mittel und Wege gibt, Sie auf Schritt und Tritt polizeilich zu überwachen: beispielsweise mit Hilfe einer gewissen Dame und ihrer Kristallkugel."

„Haben Sie nicht gehört, dass ich Schluss mache mit der Räuberei?", fragte Hotzenplotz. „Wie oft muss ich Ihnen das sagen, bis Sie begreifen, dass es mir damit ernst ist? Leben Sie wohl, alle miteinander!"

Er schob den Entlassungsschein in die Westentasche, dann tippte er an den Hut und verließ den Garten.

Kasperl und Seppel, Herr Dimpfelmoser und Großmutter blickten ihm nach und sie kamen sich einigermaßen belämmert vor, alle vier – da schreckte sie plötzlich ein schrilles Klingeln aus ihren Gedanken auf.

Herr Dimpfelmoser erbleichte bis in die Schnurrbartspitzen.

„Mein Fahrrad!", rief er. „Hotzenplotz hat mir das Fahrrad gestohlen – und dies nun bereits zum zweiten Mal!"

Schnauzball

Die Aufregung war, wie sich zeigen sollte, völlig umsonst gewesen. Kasperl und Seppel wollten gerade lossausen, um die Verfolgung des Räubers aufzunehmen, als Hotzenplotz freiwillig in den Garten zurückkam. Er brachte das Fahrrad geschoben und lehnte es gegen die Hausbank.

„Sie hatten vergessen es abzuschließen, Herr Hauptwachtmeister. Da habe ich mir gedacht, dass es besser ist, wenn ich es Ihnen hereinstelle."

Damit lüftete er den Räuberhut und empfahl sich endgültig.

Herr Dimpfelmoser stand da wie vom Schlag gerührt. Es dauerte eine halbe Minute und siebenunddreißig Sekunden, bis er die Sprache wiederfand; und obzwar er im Dienst und ein pflichtbewusster Beamter war, sagte er: „Darauf Großmutter, brauche ich, bitte schön – einen Schnaps."

Großmutter fand, dass sie auch einen Schluck vertragen könnte, „weil das die Nerven so schön beruhigt". Während sie schon ins Haus eilte, wandte Herr Dimpfelmoser sich Kasperl und Seppel zu.

„Lauft zu Frau Schlotterbeck", trug er den beiden auf, „und bestellt ihr, ich würde euch auf dem Fuße folgen. Sie soll in der Zwischenzeit alles vorbereiten, damit ich sofort mit der Überwachung des Räubers beginnen kann."

Er wollte das Fahrrad abschließen, konnte jedoch in seinen vielen Taschen den Schlüssel nicht finden. Da band er es kurz entschlossen mit einem Stück Bindfaden an der Hausbank fest.

„Vier dreifache Doppelknoten müssten genügen, schätze ich."

Nachdem er die Knoten geknüpft hatte, ging er auch ins Haus.

„Prost!", riefen Kasperl und Seppel ihm nach.

Dann flitzten sie los zu Frau Schlotterbeck und zwar auf dem kürzesten Weg: durch das hintere Gartentürchen, dicht am Kompost vorbei.

„Ob Wasti wohl so was frisst?", fragte Kasperl mit einem Seitenblick auf die Kürbisse.

„Warum nicht?", meinte Seppel. „Probieren geht über Studieren."

Zwei von den kleineren Kürbissen nahmen sie mit. Dass Großmutter sie gezählt hatte, konnten sie ja nicht ahnen; und dass es sich noch dazu um besondere Kürbisse handelte, daran hätten sie nicht im Traum gedacht: So gut hatte Großmutter das vor ihnen geheim gehalten.

Frau Schlotterbeck ließ sich wie immer Zeit. Sechs– oder siebenmal mussten Kasperl und Seppel am Gartentor läuten, bis sie sich endlich bequemte herbeizuschlurfen. Sie war noch ein bisschen verheult im Gesicht, doch im Großen und Ganzen schien sie sich wieder gefasst zu haben. „Kommt ihr schon wieder mit neuen Kräutern für Wasti?"

Sie sprach durch die Nase, als hätte sie Heuschnupfen.

„Nein", sagte Kasperl. „Wir kommen im Auftrag der Polizei. Herr Dimpfelmoser braucht Ihre Unterstützung – hören Sie nur, was er Ihnen bestellen lässt ..."

Frau Schlotterbeck schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als ihr die Freunde berichteten, was sich ereignet hatte. Obgleich sie ja eine staatlich geprüfte Hellseherin war, musste sie zugeben, dass sie von alledem keine Ahnung gehabt hatte.