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„Zeiten sind das – da kann einem angst und bange werden bei meinem Beruf!"

Sie erklärte sich unverzüglich bereit Herrn Dimpfelmoser zu helfen: Mit der Kristallkugel sei das ein Kinderspiel. Dann schlurfte sie durch den Garten ins Haus und die Freunde folgten ihr.

Im Hausflur kam Wasti ihnen entgegen. Freudig bellend fuhr er auf Kasperl und Seppel los und schnappte nach ihren Händen.

„Wirst du wohl artig sein!", schimpfte Frau Schlotterbeck. „Das gehört sich nicht für ein braves Hundchen!"

Während sie in die Wohnstube eilte um die Kristallkugel aus dem Schrank zu holen, blieben die Freunde bei Wasti im Flur zurück.

„Wir haben dir etwas mitgebracht." Kasperl hielt den einen Kürbis hin. „Da – probier mal!"

Wasti war eigentlich furchtbar satt. Erst vorhin hatte er anderthalb Dutzend Kartoffelklöße verzehrt, mit gedünsteten grünen Bohnen und Gurkensalat als Beilage. Anstandshalber beschnupperte er den Kürbis von allen Seiten – und nur, weil er Kasperl und Seppel nicht kränken wollte, biss er ihn schließlich an.

„Na, wie schmeckt uns das?"

Wasti ließ ein erstauntes „Waff-waff" hören, etwa zu übersetzen mit: „Hoppla, das ist ja ein Leckerbissen!" Dann fraß er den Kürbis auf, dass es nur so schnurpste.

„Und jetzt", meinte Seppel, „den zweiten auch noch!"

Wasti beschnupperte auch den zweiten Kürbis. Er biss aber nicht hinein, dazu war er viel zu voll gefressen, sondern er stupste ihn bloß mit der Schnauze an – und dann rollte er ihn geschickt vor sich her: durch den Hausflur, zur Tür hinaus und ein Stück durch den Garten, schnurstracks auf seine Hütte zu.

„Sieh mal!", rief Seppel. „Er spielt mit dem Kürbis Schnauzball, gleich schießt er ein Eigentor!"

Vor der Hundehütte verlangsamte Wasti den Lauf. Er senkte die Schnauze, er zielte – und schwuppdich! beförderte er den Kürbis mit kräftigem Stoß hinein.

„Gut gemacht!"

Kasperl und Seppel klatschten ihm Beifall, doch Wasti tat ihnen nicht den Gefallen das Kunststück zu wiederholen. Ohne sich weiter um sie zu kümmern, verkroch er sich in die Hütte.

„Lasst mich gefälligst zufrieden!", knurrte er in der Hundesprache. „Jetzt möchte ich meine Ruhe haben, waff-waff, und ein bisschen schlafen."

Die Freunde konnten sich denken, was er gemeint hatte.

„Komm", sagte Kasperl zu Seppel. „Gehen wir zu Frau Schlotterbeck!"

Die Vorhänge in der Wohnstube waren wie immer zugezogen. Der Schein einer einzigen Kerze erhellte den Raum. Sie stand in der Mitte des runden, mit allerlei seltsamen Zeichen bedeckten Tisches. Neben der Kerze ruhte auf einem Kissen von schwarzem Samt die berühmte Kugel aus Bergkristall. Mit ihrer Hilfe konnte man alles beobachten, was sich im Umkreis von dreizehn Meilen ereignete: vorausgesetzt, dass es unter freiem Himmel geschah.

Bisher hatten Kasperl und Seppel Frau Schlotterbecks Kugel nie zu Gesicht bekommen.

„Eigentlich", dachte Kasperl bei ihrem Anblick, „sieht sie wie einer von Großmutters kleineren Kürbissen aus – nur dass sie nicht grün, sondern bläulich ist ..."

In der Tat: Bis auf diesen geringen Unterschied waren sich Großmutters Kürbisse und die magische Kugel der Witwe Portiunkula Schlotterbeck zum Verwechseln ähnlich.

Ein Ameisenhaufen, der es in sich hat

Der Herr Polizeihauptwachtmeister Alois Dimpfelmoser ließ auf sich warten. Die Freunde konnten sich nicht erklären, warum er so lange ausblieb. Ob ihn der Räuber Hotzenplotz unterwegs überfallen hatte?

„Wollen mal nachsehen", sagte Frau Schlotterbeck.

Sie setzte sich an den Tisch und begann an dem Kissen aus schwarzem Samt zu drehen, auf dem die Kristallkugel lag. Da schellte es an der Gartentür – und als Kasperl und Seppel hinausrannten, um zu öffnen, stand draußen Herr Dimpfelmoser mit seinem Fahrrad: krebsrot im Gesicht und gewaltig schnaufend wie eine alte Dampfmaschine.

„Ich konnte den vierten dreifachen Doppelknoten ewig nicht aufkriegen!", keuchte er. „In Zukunft, glaube ich, ist es mit dreien auch getan."

Er kramte die Schnur aus der Tasche und blickte sich um.

„Wo kann ich das Rad hier anbinden?"

„Stellen Sie es doch einfach zu Wastis Hütte!", schlug Kasperl vor.

„Recht hast du", sagte Herr Dimpfelmoser. „Dort ist es sogar vor Hotzenplotz sicher – auch ohne Schnur."

An der Wohnstubentür empfing ihn die Witwe Schlotterbeck mit dem Ruf: „Da sind Sie ja endlich!" Dann bot sie ihm eine Tasse Tee an.

„Danke", erklärte Herr Dimpfelmoser. „Statt Tee zu trinken, sollten wir lieber die polizeiliche Überwachung des Räubers aufnehmen. Jede Minute ist kostbar."

Er setzte sich vor die Kugel aus Bergkristall. Frau Schlotterbeck nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz, Kasperl und Seppel stellten sich hinter Herrn Dimpfelmoser und guckten ihm über die Schulter.

„Beginnen wir also!"

Frau Schlotterbeck drehte das Kissen mit spitzen Fingern ein wenig nach links und ein wenig nach rechts, langsam und vorsichtig: Da begann sich die magische Kugel aufzuhellen und nahm einen milchigen Schimmer an – als sei sie mit weißem Rauch oder Nebel gefüllt. „Wo wünschen Sie mit der Suche anzufangen?"

Herr Dimpfelmoser kratzte sich im Genick.

„Beginnen wir mit dem Weg durch den Räuberwald, der zu seiner Höhle führt!"

Frau Schlotterbeck drehte das Kissen ein weiteres Stück nach rechts. Der Nebel löste sich auf, das Bild eines Waldes erschien in der Kugeclass="underline" Zunächst noch verschwommen, doch rasch nahm es klare Gestalt an.

„Der Räuberwald!", staunte Seppel. „Hier ist die Straße – und dort, an der Biegung ..."

„Wahrhaftig!", rief Kasperl. „Dort an der Biegung beginnt der Pfad, der zum Alten Steinkreuz führt – und vom Steinkreuz zur Räuberhöhle!"

Frau Schlotterbeck handhabte ihre magische Kugel mit viel Geschick. Kasperl und Seppel hatten den Eindruck, als

ob sie in Windeseile dem Waldpfad folgten: an Himbeersträuchern und Brombeerhecken vorbei, über Wurzelwerk, Steine und Dornenranken, durch dick und dünn. Da war schon die Brücke über den Moosbach – und dort, ein paar Schritte weiter, entdeckten sie Hotzenplotz, wie er durchs Heidekraut stapfte: Sie hatten ihn eingeholt.

„Pscht!", machte Kasperl. „Ich glaube, er singt sich eins."

Die Stimme des Räubers klang weit entfernt, doch die Worte des Liedes waren genau zu verstehen. Es hatte bloß eine einzige Strophe, die Hotzenplotz unentwegt wiederholte:

„Lustig war das Räuberleben In dem grünen Wald, juchhei! Trotzdem hab ich's aufgegeben, Das ist nun vorbei-zwei-drei! Trotzdem hab ich's aufgegeben, Das ist nun vorbei."

Herr Dimpfelmoser hörte ihm eine Weile mit grimmiger Miene zu, dann brummte er:

„Alles Schwindel! So laut kann der gar nicht singen, dass ihm die Polizei das glaubt!"

Mit langen Schritten strebte der Räuber seiner Behausung zu. Die Bretter, mit denen Herr Dimpfelmoser den Eingang vernagelt hatte, riss er herunter. Dann öffnete er die Tür und verschwand.

Was ließ sich dagegen sagen? Es stand ja in seinen Papieren ausdrücklich, dass er „an seinen ständigen Wohnsitz" entlassen war.

„Warten wir ab, was er tun wird", knurrte Herr Dimpfelmoser.

Leider reichten die Kräfte der magischen Kugel nicht aus, um Hotzenplotz in das Innere seiner Höhle zu folgen. Es blieb eine Weile still drin – dann hörten sie ein Geräusch, das wie lautes Schnarchen klang. Daraus schlössen sie, dass der Räuber sich schlafen gelegt hatte.