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„Und was ist in den Flaschen?"

„Sliwowitz", sagte Hotzenplotz. „Zwiebeln und Knoblauch sind auch zur Hand – und Pfeffer und Paprika könnt ihr haben, so viel ihr wollt."

Damit holte er eine Bratpfanne unter dem nächsten Strauch hervor, sie entfachten ein Feuer und hängten die Schuhe und Strümpfe zum Trocknen auf.

„Jetzt brate ich uns einen echten Räuberschmaus!"

Hotzenplotz griff an den Gürtel und stutzte.

„Was fehlt Ihnen?", fragte Kasperl.

„Ich habe kein einziges Messer mehr ..."

„Nehmen Sie meines – ich leihe es Ihnen gern."

Mit Kasperls Taschenmesser schnippelte Hotzenplotz allerlei Zutaten klein: die rührte er in die Pfanne – und alsbald verbreitete sich ein leckerer Duft im Wald. Das Wasser lief Kasperl und Seppel im Mund zusammen. Sie konnten es kaum erwarten, bis Hotzenplotz endlich die Pfanne vom Feuer rückte. Er hatte sich vorsorglich eine Flasche Sliwowitz neben den Platz gestellt.

„Mahlzeit!"

Sie aßen den Räuberschmaus mit den bloßen Fingern, was ihn besonders schmackhaft machte. Großmutter war eine gute Köchin, das stand außer jedem Zweifel; doch selbst an den höchsten Feiertagen hatte sie Kasperl und Seppel etwas so Köstliches niemals zubereitet – mit so viel Zwiebeln und so viel Speck daran und vor allem: mit so viel Knoblauch.

„Es wundert mich eigentlich", sagte Kasperl zwischen zwei Happen, „dass Sie die Räuberei aufgeben wollen, Herr Hotzenplotz."

„Das ist rasch erklärt."

Hotzenplotz nahm einen Schluck aus der Sliwowitzflasche.

„Natürlich hat der Beruf eines Räubers auch seine

schönen Seiten. Die Waldluft hält einen jung und gesund; für Abwechslung ist gesorgt; und solange man nicht im Loch sitzt, führt man ein wildes und freies Leben – aber ..."

An dieser Stelle legte er eine Pause ein und genehmigte sich einen weiteren Sliwowitz.

„Kurz und gut: Auf die Dauer wird mir die Sache zu anstrengend. Nichts ist lästiger auf der Welt, als ständig den bösen Mann zu spielen! Immerzu Missetaten verüben müssen, auch wenn einem gar nicht danach zumute ist; immerzu Großmütter überfallen und Fahrräder klauen; und immerzu auf der Hut vor der Polizei sein: das zehrt an den Kräften und sägt an den Nerven, glaubt mir das! Und im Übrigen ..."

Hotzenplotz setzte zu einem dritten Schluck an.

„Im Übrigen hängt mir das ganze Räuberwesen zum Hals heraus. Ich bin froh, dass es damit aus ist, verflucht nochmal – ja, ich bin wirklich froh darüber!"

„Und?", fragte Kasperl. „Wie soll es nun weitergehen, Herr Hotzenplotz? Haben Sie schon bestimmte Pläne für Ihre Zukunft?"

„Nööö", sagte Hotzenplotz. „Aber da wird sich schon etwas finden lassen."

Sie aßen die Pfanne leer; dann berieten sie miteinander, welche Berufe für Hotzenplotz in Betracht kämen. Das war schwierig, denn erstens hatte er außer der Räuberei nichts gelernt – „und zweitens", meinte er, „wäre mir eine Arbeit im Wald am liebsten; wenn sie nur nicht zu schwer ist – und Spaß machen sollte sie obendrein."

Holzfällen kam also nicht in Frage für ihn, Torfstechen auch nicht und Steineklopfen am allerwenigsten.

„Groß ist die Auswahl nicht", meinte Kasperl. „Am besten wäre vielleicht ein Beruf für Sie, der noch gar nicht erfunden ist – sagen wir: Zeichenlehrer an einer Baumschule ..."

„Züchten Sie essbare Fliegenpilze!", schlug Seppel vor. „Oder Pfifferlinge in Dosen!"

„Nicht schlecht", meinte Hotzenplotz grinsend. „Ich könnte auch Tollkirschenmarmelade herstellen."

„Dann schon lieber gerösteten Schnepfendreck!"

„Kieselsteinmargarine ..."

„Stinkmorchelbrause in Pulverform ..."

„Ob man mit Ameiseneierlikör ins Geschäft käme?"

„Wenn Sie mich fragen", sagte Kasperl, „dann werden Sie Weichensteller auf einem Wildwechsel – mit der Aussicht, nach spätestens anderthalb Jahren zum Oberwildwechselweichensteller ernannt zu werden!"

Sie blödelten um die Wette weiter, bis ihnen nichts mehr einfiel. Dann sangen sie Räuberlieder und zwischendurch musste Hotzenplotz ihnen von seinen Taten und Abenteuern erzählen – und wie es ihm immer wieder geglückt war die Polizei an der Nase herumzuführen, jahraus, jahrein.

Das war spannend und lustig.

Vor lauter Geschichtenerzählen und Zuhören merkten sie gar nicht, wie rasch die Zeit verging.

Mit einem Mal war es Abend, die Dämmerung brach herein und Hotzenplotz sagte:

„Ich glaube, nun müsst ihr nach Hause, sonst gibt es Ärger. Lasst uns die Strümpfe und Schuhe anziehen und das Feuer löschen – dann will ich euch bis zum Städtchen begleiten, damit ihr mir nicht auf dem Heimweg versehentlich unter die Räuber fallt, hö-hö-höhöööh!"

Der Steckbrief

Als sie den Wald verließen, war es schon richtig dunkel. Hotzenplotz wollte sich bei der ersten Straßenlaterne von Kasperl und Seppel verabschieden: da entdeckte er in der Nähe ein großes Plakat, das an einem Bauzaun hing.

„Nanu!", rief er aus. „Entweder ist mir der Sliwowitz nicht bekommen – oder es stimmt was mit meinen Augen nicht. Ist das mein Bild dort?" Er deutete auf das Plakat. „Oder ist das nicht mein Bild?"

„Doch", sagte Kasperl. „Das sieht ja ein Blinder von hinten, dass Sie es sind."

„Und?", fragte Hotzenplotz. „Was, zum Geier, bedeutet das?"

„Nichts", meinte Seppel. „Es muss sich um einen Steckbrief von früher handeln."

„Um einen Dreckbrief!" Hotzenplotz war mit Recht empört.

„Warum hat die Polizei ihn nicht abgenommen? Das ist eine Schlamperei, die zum Himmel stinkt!"

Sie beguckten sich das Plakat aus der Nähe – und Kasperl verschluckte sich fast vor Schreck.

„Herr P-plotzenhotz!", stieß er hervor. „D-das Ding ist v-von heute!"

„Von wann, sagst du?"

Kasperl wies auf das Datum, das in der rechten oberen Ecke stand.

„Nun verstehe ich überhaupt nichts mehr! Gestern entlassen – und heute schon wieder öffentlich ausgehängt? Das kann nur ein blöder Spaß sein!"

Gemeinsam entzifferten sie den Text des Plakates. Er war von Herrn Dimpfelmoser geschrieben, mit schwarzem Filzstift auf weißem Packpapier:

Gesucht wird, zwecks schleunigster Inhaftierung desselben, zum ehestmöglichen Zeitpunkt,

der Räuber Hotzenplotz.

Gesuchter ist schwer bewaffnet und mehrfach vorbestraft.

Besondere Kennzeichen:

Schwarzer Räuberhut, lange, im oberen Drittel deutlich gekrümmte Feder, Stoppelbart.

Der als gemeingefährlich bekannte Verbrecher steht im Verdacht, sich nachstehender Straftaten schuldig gemacht zu haben:

1. Einbruch im Wohnhaus der Witwe Portiunkula Schlotterbeck, verübt in der Nacht von gestern auf heute.

2. Entwendung eines der o. e. Witwe gehörenden Gegenstandes von unersetzlichem Wert. (Kokosnussgroße Kugel aus Bergkristall).

Die Bevölkerung des gesamten Landkreises wird hierdurch zur Mithilfe bei der Fahndung aufgerufen. Sachdienliche Mitteilungen werden auf Wunsch vertraulich behandelt.

Die Ortspolizeibehörde

gezeichnet: Dimpfelmoser, Alois