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»Die Zeit drängt«, mahnte Seine Exzellenz sanft.

»Entschuldigen Sie, wir kennen uns nämlich und haben …«

»Ich verstehe auch Deutsch, Mister Formann. Bitte, steigen Sie ein. Sie gleichfalls, Mister Jaschke. Wir fahren zum Flughafen, lieber Mister Stößlgasser.«

»Is’ scho’ recht«, sagte dieser.

»Ihre Fabriken liegen übrigens an der Straße zum Airport«, sagte der Feldmarschall. »Sie werden sie sehen können.«

Jakob kam fast der herrliche Kaviar aus dem Kaiserreich Iran hoch, aber er nickte erfreut.

Die Straße zum Flughafen war ganz neu. (Entwicklungshilfe, dachte Jakob. Da sind auch ein paar Idioten, wie ich einer bin, am Werk gewesen.) Die Straße lief ein Stück durch heißen Wüstensand. Dann sah Jakob sie – seine Fertighausfabriken! Sechs Stück hatte der Jaschke da hingebaut, eine neben der anderen. Und da ratterte und klopfte es, da wurde gebaut, daß es eine Lust war.

»Auch das alles gehört jetzt dem Volk von Karania«, sagte der Feldmarschall. »Erhebt es Ihnen nicht das Herz, wenn Sie diese Fabriken sehen, Mister Formann?«

»Es erhebt mein Herz, Exzellenz, wenn ich Ihre Fabriken sehe«, sagte Jakob. Danach versagte ihm die Stimme vor Kummer und Leid. Er bemerkte, daß der Jaschke die Augen geschlossen hielt, bis die Fabriken außer Sicht waren. Dem geht das auch mächtig nahe, dachte Jakob, belebte sich etwas und sagte: »Also bekommt das ruhmreiche karanianische Volk jetzt endlich schöne Häuser!«

»Im Moment noch nicht«, erwiderte Seine Exzellenz Feldmarschall Gamba M’Gamba freundlich. »Im Moment exportieren wir alle Fertighäuser in Krisengebiete und in die verelendeten benachbarten Staaten. Aber die Zeit wird kommen …«

»Jajaja, ganz bestimmt wird die Zeit kommen, Exzellenz«, unterbrach ihn Jakob und dachte: Es ist also überall auf der Welt dasselbe …

Auf dem modernen Flughafen von Karania herrschte reges Treiben. Drei Maschinen der KARANIAN AIRLINES standen vor dem Tower. Jakob sah viele Passagiere der unterschiedlichsten Nationalitäten – lauter Fachleute, die nach dem Militärputsch als Geiseln festgenommen worden waren und jetzt, da das befreite Karania sich ebenso demokratisch wie hundertprozentig in den Besitz seiner Produktionsmittel gesetzt hatte, ausgeflogen wurden.

Jubelnd wurde Jakob von seinen Mitarbeitern begrüßt. Sie bildeten gleichsam eine Euphorie-Kommune – wie einer der Herren es ausdrückte: »Scheißegal, wem hier jetzt was gehört – Hauptsache, wir kommen nach Hause!«

Mit größter Höflichkeit wurden sie dann alle zu den Flugzeugen geleitet. Der Feldmarschall schüttelte Jakob und Jaschke die Hand, sah ihnen fest in die Augen und sagte: »Bona causa triumphat! Oder, um es Ihnen, lieber Mister Formann, der Sie so schlecht Latein können, wie mein Geheimdienst mir mitteilte, zu übersetzen: ›Zuletzt siegt immer die gute Sache!‹«

»Das haben Sie sehr schön gesagt, Exzellenz«, antwortete Jakob artig und verneigte sich tief. Wollen mal sehen, wie lange es dauert, bis du bei der nächsten Revolution erschossen wirst, dachte er. Dem Stößlgasser, dem wird nichts passieren. Gute Fahrer erschießt man nicht. Gute Fahrer werden immer gebraucht.

Dann flogen sie.

Jakob saß an seinem Fenster, Jaschke neben ihm. Lange sprachen sie kein Wort. Nach einer Stunde ging der Pilot mit seiner Maschine tiefer, denn er hatte ein Rudel Elefanten ausgemacht und wollte seinen Gästen etwas bieten. Die Elefanten stürmten vor dem lautlos über die Steppe jagenden Schatten der Maschine davon.

Jakob seufzte tief.

»Was hast du denn, Jakob?« fragte Jaschke.

»Ach, weißt du, Karl«, sagte dieser. »Mir ist gerade was eingefallen.«

»Und zwar was, Jakob?«

»Vor Jahren, da habe ich einmal in einer Zeitung eine Kritik über ein Buch gelesen, das hat geheißen – warte, ich habe ein Gedächtnis wie ein Elefant – ›Die Wurzeln des Himmels‹ hat es geheißen, was sagst du jetzt?«

»Donnerwetter, schon toll, dein Gedächtnis.«

»Nicht wahr?«

»Ja, und?«

»Und was? Ach so! Und in diesem Buch hat einer über Afrika und Elefanten geschrieben … Da hast du es, die Gedankenverbindung!«

»Sehr schön. Und?«

»Und was noch? Ach ja! Damals habe ich mir fest vorgenommen, daß ich auch einmal nach Afrika fliege und meinen Elefanten schieße auf einer Safari.« Jakob sah still zu den lieben Tieren hinab. »Aber«, sagte er versonnen, »jetzt möcht’ ich das eigentlich gar nicht mehr. Nein, nein, ich glaub’, ich werd’ nie im Leben freiwillig auf eine Safari nach Afrika gehen!«

32

»So etwas ist mir noch nie passiert«, brummte Jakob.

»Obwohl es jeder hätte voraussehen können, der seine fünf Sinne beisammen hat. Weißt du, Darling – du bist mir nicht böse, nein? –, weißt du, zu deinen Geschäften fehlt dir, wie ich immer wieder gesagt habe, eben ein bißchen Intelligenz.«

»Verflucht, ja! Wie ein Idiot habe ich mich benommen«, sagte Jakob gramvoll. Es kam ihm überhaupt nicht zu Bewußtsein, was sich Natascha da herausnahm. Kein Weib hatte bislang so zu ihm gesprochen, hatte so zu sprechen gewagt. Natascha schon. Die erlaubte sich bei Jakob einfach alles. Und er schluckte einfach alles, denn seine fixe Idee, Nataschas Sinnlichkeit zu wecken, hatte ihn jeder klaren Betrachtungsweise beraubt.

Die Dame lag nackt auf dem Bauch und ließ sich von dem nackten Jakob den Rücken eincremen, denn man schrieb den 8. August 1962, und im August sind die Tage heiß da unten an der Côte d’Azur. Gar leicht holt man sich einen Sonnenbrand. Die Herrschaften befanden sich auf der Dachterrasse des CHÂTEAU NATASCHA auf Cap d’Antibes. Dieser Rücken … Jakob fühlte eine Spannung in sich und an sich, die wuchs und wuchs und so unerträglich wurde, daß er stöhnte.

»Weshalb stöhnst du so, Jake?« erkundigte sich Natascha.

»Weil ich … Aua, jetzt habe ich ihn eingeklemmt! … Weil ich … weil ich …«

»Fester die Schultern! Und mehr Creme! Weshalb stotterst du denn jetzt auch noch?«

»Was heißt auch noch?«

»Na, du sagst doch selber, so eine Idiotie wie dieses Afrikageschäft ist dir noch nie passiert. Mit allem fängt es einmal an. Mit geschäftlichem Versagen. Mit Stottern … Mit …«

»Natascha!«

»Den Rücken weiter runter … und fest …«

Jakob war in Schweiß gebadet. Sein Herz raste. Sein … na ja, schon gut.

»Natascha!«

»Jake?«

»Ich glühe … Ich verbrenne … vor Sehnsucht nach dir …«, behauptete er. (Sein Freund Misaras hätte ihm ob solcher Worte und ob solch entwürdigenden Verhaltens ein paar ins Zahnfleisch gelangt. Ach, aber sein Freund Misaras war so weit weg, in Los Angeles!)

»Laß mich … laß mich … jetzt gleich!«

Also ließ sie ihn jetzt gleich.

An dieser Stelle wäre allerdings noch etwas nachzutragen.

Vor langer Zeit, als Jakob zum erstenmal eine Chinesische Schlittenfahrt gewagt hatte, war er von Natascha sogleich zurückgestoßen worden.

»Bist du irre?«

»Überhaupt nicht. Das ist … da kriegst du … du wirst schon sehen … wo ich dich doch so liebe, Natascha …«

»Ich liebe dich auch, Darling«, hatte die Göttin erwidert. »Aber nicht so! Nicht, wenn du das machst. Nicht, wenn du deiner Perversität freien Lauf läßt.«

»Ich lasse meiner Perversität freien …« Jakob war verblüfft gewesen.

Natascha hatte sich mütterlich geäußert: »Ich sagte ja, du sollst mir nicht böse sein. Ich bin ganz offen: Anscheinend ist es dir nicht leicht möglich, den Beischlaf normal zu vollziehen, deshalb hilfst du dir mit Perversität. Damit du leichter kannst. Aber nicht bei mir, Darling, bitte, nicht bei mir. Ich hasse Perversitäten …«

Wie immer, so ließ Natascha auch diesmal seine Bemühungen träge und unbeteiligt über sich ergehen.