»Aha.«
»Und die Patente, die haben natürlich Geld gekostet. So ein Erfinder muß schließlich auch leben. Nur daß es so einen Erfinder gar nicht gibt.«
»Aha«, sagte Jakob zum zweitenmal. Der zitternde Ton in seiner Stimme entging dem munteren Arnusch Franzl, der weiterdozierte: »Das Geld für die Patente von den Erfindern, die es gar nicht gibt, hast du auf verschiedene Bankkonten in Zürich überwiesen, und bei den Steuererklärungen haben wir dann jedesmal angegeben, wieviel wir überwiesen haben. Diese Beträge sind natürlich nicht versteuert worden. In Wirklichkeit habe ich dir diese Konten eingerichtet …« Der Franzl schmatzte vor Selbstgefälligkeit und Schokolade. »… und da ist das Geld dann draufgeblieben. Alles klar, mein Guter?«
»Alles klar«, sagte Jakob gottergeben.
»Jetzt ist die Zeit gekommen, wo man das Geld beruhigt wieder abziehen kann, weißt du? Darum habe ich dich herkommen lassen – weil du sofort das ganze Geld in bar mit einem Flugzeug abholen und zurückbringen mußt.«
»Wohin zurückbringen?«
»Na, zurück in die Heimat, mein Bester. Ich habe alle wichtigen Leute geschmiert. Du wirst nicht kontrolliert werden. Die Maschine auch nicht. Heim ins Reich, haha! Der Steuer haben wir es auf diese Weise entzogen, und nun können wir mit diesen zweiundzwanzig Millionen in Ruhe weiterarbeiten. Ist jetzt alles klar?«
»Jetzt«, sagte Jakob, beinahe flüsternd, »ist alles klar. Aber erlaube mir eine Frage. Erlaubst du mir eine Frage?«
»Natürlich. Also bittschön?«
»Wieviel Prozente hast du denn bei all diesen Transaktionen für dich behalten, mein Guter?«
»Lächerliche zwanzig Prozent«, antwortete der Arnusch Franzl freundlich. »Du kennst mich doch … und meine Bescheidenheit, nicht wahr, mein Bester?«
»Lächerliche zwanzig Prozent?«
»War doch geschenktes Geld, nicht?« sagte der Arnusch Franzl. Danach erschrak er über Jakobs Gesichtsausdruck.
»Was hast du denn?«
»Was ich habe, du Drecksau, du verfluchte?« Jakob erhob sich, nahm die große Bonbonniere und schlug sie dem Arnusch Franzl um die Ohren, daß die Pralinen nur so durchs Zimmer flogen.
36
»Hör auf! Hör auf! Gott im Himmel, bist du wahnsinnig geworden?« schrie der Arnusch Franzl, seinen Kopf mit den Händen schützend, so gut es ging. Jakob gab ihm einen Tritt in den mächtigen Bauch, und der Franzl krachte auf die breite Couch.
»Ich bin nicht wahnsinnig geworden«, sagte Jakob sanft, »ich bin absolut normal. Ich hab’ alles begriffen. Du, mein Generalbevollmächtigter, hast unter schwerstem Mißbrauch meines guten Namens betrogen und belogen und beschissen!«
»Na und? Hast du das bei dem Afrikageschäft, das leider, leider in die Hosen gegangen ist, nicht etwa mit Freuden auch getan?«
»Das«, sprach Jakob Formann voll Würde, »war etwas ganz anderes. Ich habe nicht gesagt, daß Jakob Formann überhaupt nicht bescheißt. Aber Jakob Formann bescheißt nicht so, daß er plötzlich die deutsche Steuerfahndung auf dem Hals hat. Die Steuerfahndung, jawohl, du Hund! Und Jakob Formann läßt sich nicht einfach zwanzig Prozent von seinem Generalbevollmächtigten klauen!«
»Aber …«
»Kusch! Die Schiebereien hätte ich auch allein machen können! Aber ich hätte sie so gemacht, daß die Steuer mir niemals an den Karren hätte fahren können, und nicht so wie du, du Arsch von einem Arsch! In Gefahr gebracht hast du mein Lebenswerk durch deine blödsinnigen Sauereien! Und beklaut hast du mich auch noch! Mein Schulfreund und alter Spezi beklaut mich! Um zwanzig Prozent nur! In seiner Bescheidenheit, in seiner wunderbaren!«
»Hör mal, Jakob, als dein Generalbevollmächtigter habe ich dir unzählige Dienste erwiesen, und das ist der Dank?«
»Dank? Bist du wahnsinnig geworden? Die Fahndung, du Hornochse! Verantwortlich bin immer und immer ich, nicht irgendein Generalbevollmächtigter!« Mehr und mehr regte Jakob sich auf. »Und deshalb habe ich ab sofort keinen Generalbevollmächtigten mehr!«
»Aber du hast doch mich …«
»Gehabt! Du bist nämlich soeben gefeuert worden, kapiert? Zwanzig Prozent … Und wenn jetzt die Fahndung kommt … Mensch, ich könnte dich umbringen, du Drecksau! Bis morgen früh bist du hier raus, verstanden? Raus mit dir! Jakob Formann ist seiner Zeit immer um zwei Schritte voraus! Jakob Formann weiß, was ein guter Name und eine weiße Weste in zwei Jahren wert sein werden! Scher dich weg! Von Stund an kenne ich dich nicht mehr! Und wenn du morgen früh nicht verschwunden bist oder irgendwelchen Wirbel machst, zeige ich dich an. Und von alldem, was du Mistvieh da angerichtet hast, habe ich überhaupt nichts gewußt!«
37
Aufrecht, bieder, ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, so schritt Jakob durch den Garten vor der Villa des Arnusch Franzl auf die Straße hinaus, wo der gute alte Otto Radtke mit einem Rolls-Royce wartete und nun den Schlag aufriß. Otto bemerkte sofort, daß etwas nicht stimmte. Er fragte erschrocken: »Ist was passiert, Jakob?«
»Das kann man wohl sagen«, antwortete Jakob, auf den Sitz neben Radtke fallend. Otto rannte um den Wagen, kletterte hinter das Steuer und fragte: »Was denn, um Himmels willen? Jakob! Du siehst ja aus wie der Tod!«
»Ganz in der Nähe von dem bin ich auch«, sagte Jakob schwach. »Ich habe die größte Enttäuschung meines Lebens hinter mir. Mich hat’s grauenhaft erwischt. Fahr in den BREIDENBACHER HOF nach Düsseldorf …« Er zuckte zusammen. »Nein, nicht Düsseldorf! Auf keinen Fall Düsseldorf! Fahr nach Köln, ins DOM-HOTEL!«
»Ich habe gedacht, wir bleiben eine Weile in Bonn, Jakob, und du schläfst beim Herrn Arnusch.«
»Nenne diesen Namen nie mehr, ich bitte dich herzlich«, sagte Jakob.
»Diesen Mann gibt es nicht mehr für uns. Dieser Mann ist für uns gestorben!«
»Aber was hat er denn angestellt?«
Jakob erzählte seinem Kriegskameraden und Freund Otto Radtke auf der Fahrt nach Köln, was der Arnusch angestellt hatte. Als er fertig war, sagte Otto gedankenvolclass="underline" »Na ja, ich weiß aber gar nicht, was du hast, Jakob. Das waren doch prima Ideen!«
»Otto!« Jakob sah seinen Freund entsetzt an. »Hast du denn keinen Funken Verstand mehr?«
»Wieso Verstand?«
»Mensch, der Arnusch Franzl, der Hund, der hat das alles doch vollkommen idiotisch angefangen!« Jakobs Schläfennarbe pochte heftiger und heftiger. »Der bringt mich um Kopf und Kragen! Der bringt mich ins Loch! Wenn da jetzt die Fahndung auf was draufkommt, ist es aus mit mir! Denn ich, Otto, ich bin immer noch der Verantwortliche! Ein Generalbevollmächtigter tut ja nichts gegen den Willen des Chefs! Weiß Gott, was der Arnusch noch gemacht hat! Und zwanzig Prozent für sich!« Jakob stöhnte, preßte eine Hand gegen das Herz, denn da hatte er einen Stich verspürt. Er dachte scharf nach.
Also seit drei Jahren hat der Franzl diesen Beschiß gemacht und noch weiß Gott wie viele andere dazu. Bevor die Fahndung draufkommt, muß ich mich wenigstens halbwegs schützen. Am besten durch Selbstanzeige! Nehmen wir an, die Steuer ist – ganz niedrig gegriffen – nur um fünfundachtzig Millionen beschissen worden. Dann sind das in drei Jahren …
Zweihundertfünfundfünfzig Millionen!
Großer Gott im Himmel!
Bei einer Selbstanzeige kriege ich die Fahndung auf jeden Fall und dabei kommen dann die ganzen Geschichten raus, die ich angestellt habe … dazu Zinsen und Strafe, das macht gut und gerne … Vierhundert Millionen, gut und gerne.
Gut und gerne?
Das kann ich mir ja nie im Leben leisten! Das bringt mich ja um! Mit meinen Häusern und meinen Flugzeugen und meinen Autos und meinem Aufwand und mit meiner Natascha, die jetzt neuen Schmuck kauft! Herrgott, da muß ich ja Bankdarlehen aufnehmen, um meine Steuern nachzuzahlen! Und mein Ruf in der Branche wäre hin! Also, so geht das nicht! Also …
Also kann ich mich gar nicht selber anzeigen! Sondern muß mit dem ewigen Schrecken leben, daß sie mir von selber draufkommen! Entsetzlich! Unfaßbar, was dieser Schuft, dieser Verbrecher, dieser Arnusch Franzl mir da angetan hat.