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»Er fühlte sich diesem Amt nicht gewachsen. Nervenzusammenbruch. Liegt in einem Sanatorium. Schlafkur.«

»Warum denn einen Nervenzusammenbruch, Herr Rusch?«

»Die Arbeit, Herr Formann«, kam die sympathische Stimme aus Köln. »Die ungeheure Arbeit, die er sich mit der provisorischen Leitung Ihres Imperiums aufgebürdet hat … Er war doch den Banken gegenüber verantwortlich … Stündlich gab es neue Aufregungen … Hervorragend, dieser Herr von Herresheim …«

»In der Tat!«

»Ach was, Herr Formann, warum soll ich Ihnen etwas vorlügen? Sie erfahren es ja doch! Also: Die Banken haben den Herrn von Herresheim gefeuert!«

Hasenpfote, ich danke dir!

»Gefeuert? Aber weshalb denn?«

»Weil er den Aufgaben, die ihm das CWWDWW gestellt hat, in keiner Weise gewachsen war und den Erwartungen aufgrund dessen, was er von sich und seiner Qualifikation behauptete, nicht im geringsten entsprochen hat.«

Lieber Gott, dachte der vor einiger Zeit wieder in die Gemeinschaft der katholischen Christen Zurückgekehrte ergriffen, es gibt Dich also doch! Niemals mehr werde ich daran zweifeln. Aber ich muß jetzt etwas sagen. Verzeih mir, bitte …

Jakob sagte: »Tja, für einen Wehrwirtschaftsführer unter den Nazis hat’s bei dem gerade noch gereicht. Aber für mehr auch nicht. Ist er also auf die Nase gefallen, der Trottel, der hochnäsige.«

»Hrm! Herr Formann, Sie werden doch zu diesen letzten Sätzen nicht ausgerechnet von mir eine Bestätigung erwarten! Ich meine, was Sie da sagen in Ehren … Aber ich …«

»Aber Sie?«

»Aber ich bin dieser schwierigen Materie auch nicht gewachsen! Und ich war kein Wehrwirtschaftsführer unter den Nazis!«

»Sie sind dieser Materie auch nicht gewachsen, Herr Rusch?« Jetzt pochte die Narbe an Jakobs Schläfe, als wollte sie platzen.

»Nein! Darum suchen wir Sie ja so dringend, Herr Formann! Ganz besonders jetzt, wo dieser Herr Arnusch im Gefängnis sitzt.«

Der Hörer glitt aus Jakobs Hand und krachte auf den Tisch. Er hob ihn mit bebenden Händen wieder auf. Der Arnusch Franzl im Hefen! Der Arnusch Franzl, der mir fünfundsiebzig Millionen Schilling aus den Rippen gezogen und mich dann mit der Steuer aufs Kreuz geschmissen hat. Jessas, jessas, so a Freud’, wir alle fahr’n nach Konnersreuth!

»Der Arnusch sitzt …«

»… im Gefängnis. Untersuchungshaft. Das wird wohl etliche Jährchen geben. Und den haben Sie für Ihren besten Freund gehalten!«

»Ja, aber was hat er denn angestellt?« erkundigte Jakob sich selig, während der Hase wie wild an ihm herumküßte.

»Er war doch Generalbevollmächtigter für das gesamte Finanzwesen all Ihrer Unternehmen, Herr Formann, nicht wahr?«

»Ja, und?«

»Und nun, bei der gründlichen Prüfung durch vereidigte Fachleute hat es sich herausgestellt, daß dieser Arnusch schon vor vielen Jahren in absolut krimineller Weise bei zwei Plastikwerken in Argentinien und einem in Brasilien die Bilanzen gefälscht hat – zusammen mit anderen natürlich.«

»Er hat die Bilanzen …!«

»Ich wußte, es würde Ihnen sehr nahegehen, das zu hören. Ihr vermeintlich bester Freund. Die Bilanzen waren so gefälscht, daß sie nur Verluste oder kaum Gewinne auswiesen – viele Jahre lang. Ist Ihnen das denn nie aufgefallen?«

»Wissen Sie, ich hatte so viel zu tun! Und ich habe dem Arnusch Franzl doch völlig vertraut!«

»Das war Ihr Unglück, Herr Formann.«

»Wieso?«

Der Hase hörte zu küssen auf und wurde ernst. Frauen haben ein unheimliches Gespür für Dinge, die da kommen.

»Weil die Bilanzen alle so gefälscht waren, daß der Arnusch Millionen und Millionen einstrich, während es so aussah, als ob diese Werke überhaupt nichts erwirtschafteten. Das haben wir jetzt festgestellt.«

»Das haben Sie jetzt festgestellt …«

Der Hase sah auf einmal zu Tode betrübt aus.

Um so freudiger wurde Jakob.

»Ja. Und damit stimmt natürlich die Generalbilanz, die Herr von Herresheim Sie im Namen des Bankenkonsortiums vorzulegen genötigt hat, nicht! Sie ist viel zu ungünstig!«

»Zu … ungünstig?«

»Sage ich doch! Was sollten wir tun? Wir haben Arnuschs Auslieferung gefordert. Österreich hat ihn ausgeliefert. Einen üblen Wirtschaftskriminellen. Da war Herr von Herresheim schon im Sanatorium. Und ich saß auf seinem Stuhl.«

»Und Sie saßen auf seinem …«

»Ja. Aber jetzt ging es erst los, Herr Formann! Die Wirtschaft begann sich zu erholen! Alle Ihre Fabriken und Werke arbeiten wieder mit Gewinn. Natürlich noch nicht so wie früher …«

»Natürlich nicht …«

»…aber doch so, daß Sie den Banken gegenüber wieder liquid sind, was Zinsen und so weiter angeht … Herr Formann, Sie müssen sofort herkommen! Sofort! Ich schaffe es, wie gesagt, auch nicht. Und die Banken wollen – nein, sie bitten Sie, Herr Formann, wieder die Gesamtleitung über alle Ihre Werke und sonstigen Firmen zu übernehmen! Sie sind doch der einzige, der sich auskennt. Sie waren doch immer der einzige, der sich vollkommen ausgekannt, der alle Fäden in der Hand gehabt hat! Natürlich können wir Ihnen Ihren gesamten Besitz noch nicht zurückerstatten … Aber selbstverständlich das Schloß am Starnberger See! Und einen Rolls-Royce! Oder auch zwei! Und wenn sich die Lage weiter so bessert, dann werden die Banken mit Freuden in Ihnen schon in Kürze einen interessanten Kunden sehen, und alles wird Ihnen wieder gehören … wenn die Lage sich weiter bessert … wenn Sie dieses entsetzliche Knäuel, das sich gebildet hat, entwirren … Herr Formann! Hören Sie? Herr Formann! Um Himmels willen, sind Sie noch da?«

Der Hase war auf einen Stuhl gesunken.

Jakob betrachtete ihn blinzelnd.

»Natürlich bin ich noch da …«

»Gut. Dann fliegt hier sofort die Maschine los, die wir für Sie gechartert haben. Direkt nach Österreich! Sie wird auf dem Flugplatz Hörsching bei Linz landen. Das ist doch ganz in Ihrer Nähe, nicht wahr?«

»Ganz in meiner Nähe, jawohl.«

»In zwei Stunden ist die Maschine da! Seien auch Sie da, Herr Formann! Kommen Sie! Helfen Sie uns! Ich bitte Sie! Wir alle bitten Sie! Sie dürfen uns jetzt nicht im Stich lassen! Schließlich geht es ja auch um Ihre Interessen, nicht wahr?«

»Schließlich geht es ja auch um meine Interessen …«

»Sie werden also auf dem Flugplatz Hörsching sein in zwei Stunden, ja?«

»Ja«, sagte Jakob Formann.

4

Aus einem strahlend blauen Herbsthimmel senkte sich eine makellos weiße Düsenmaschine und fand auf Rollbahn 2 des österreichischen Flughafens Hörsching bei Linz Bodenberührung. Die Sonne schien, es war warm, sehr warm noch für diese Jahreszeit.

Auf dem Rasen vor dem Tower standen der Hase und der Bär. Sie hatten ihre Räder daheimgelassen und waren mit dem Taxi von Theresienkron hierhergekommen. Neben Jakob stand sein schäbiger Koffer. In einer Hand hielt er einen schon sehr mitgenommenen Diplomatenkoffer, den er seit dreißig Jahren mit sich in der Welt herumschleppte – ein Geschenk des Hasen.

Der arme Hase bemühte sich verzweifelt um Beherrschung und Fassung, Fassung, Fassung! Julia hatte ein Tuch um das Haar gebunden. Sie war nicht geschminkt, denn sie hatte sich gesagt, daß sie ja doch nur fürchterlich würde weinen müssen – und dann rann die ganze Schminke, so sie drauf war, bloß über ihr Gesicht, und sie sah aus wie ein Clown. Ach, dachte der arme Hase, jetzt weiß ich, warum die Clowns im wirklichen Leben alle so traurig sind.

Die schneeweiße Düsenmaschine war ausgerollt und glitt jetzt langsam auf das Vorfeld. Das Jaulen der Triebwerke starb ab.

Bei der Pilotenkanzel wurde eine Treppe heraus- und heruntergeklappt. In der offenen Cockpit-Tür erschienen Pilot und Copilot und winkten. Sie stiegen die Gangway ein paar Stufen herab. Da schluchzte der Hase laut auf und klammerte sich an Jakob. Sofort zogen sich die zwei Piloten dezent in das Cockpit zurück. Draußen, in großer Entfernung, graste eine Lämmerherde.

»Ja, also dann …«, sagte Jakob heiser. Ihm war auch nicht sehr wohl zumute.

»Ach, Bärchen«, barmte der Hase. »Bitte, bitte, bitte, flieg nicht weg! Verlaß mich nicht schon wieder! Bitte, Bärchen!«