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»Mein liebes Kind«, sprach Jakob, die Bebende streichelnd, »hör doch bloß auf zu weinen!«

»Ich will ja aufhören«, schluchzte Julia. »Aber ich ka … ka … kann nicht!« Und sie weinte nur um so heftiger.

»Ich komme doch zurück«, sagte Jakob. »Ich habe dir doch versprochen, daß ich zurückkomme …«

»Das hast du mir schon einmal versprochen, Bärchen!« Ganz fest umklammerte der Hase den Bär. »Und dann hat es dreißig Jahre gedauert, bis du zurückgekommen bist … länger! Wenn es diesmal wieder so lange dauert, dann kommst du im Jahre … jetzt haben wir siebenundsiebzig … siebenundsiebzig und dreißig sind hundertsieben … dann kommst du im Jahr zweitausendsieben wieder zurück … Oder kann sein auch erst im Jahr zweitausendacht … Und dann bin ich schon …« Es war zuviel für den Hasen. Er brach in hemmungsloses Heulen aus.

Jakob streichelte und streichelte. Es wurde nicht besser. Aber ich muß doch nach Köln! dachte er. Ich kann doch nicht ewig weiterstreicheln! Also, das geht wirklich nicht! Und dreißig Jahre bleibe ich diesmal bestimmt nicht weg!

Zärtlich machte er sich von Julia frei, küßte sie wortlos und rannte davon, auf das schneeweiße Flugzeug zu, den schäbigen großen Koffer in einer Hand, den schäbigen kleinen Diplomatenkoffer in der anderen. Nur weg, dachte er, nur weg! Das halte ich nicht aus!

Der Hase sank schluchzend und bebend auf eine Bank. Aber das sah Jakob nicht. Der hatte schon die Gangway der Maschine erreicht und hastete sie empor. Die Besatzung – vier Mann – begrüßten ihn herzlich. Langes Händeschütteln. Äußerster Respekt. Alles wie früher. Tja, dachte Jakob, Menschen …

In dem Moment, in dem er die Maschine betreten hatte, verspürte er bereits das Duftgemisch aus Benzin, Metall, Leder und Parfum, das er seit so vielen Jahren so sehr liebte. Er atmete tief ein. Er betrat die Kabine. Er war der einzige Passagier. Sanft summend schloß sich die Luke mit der Gangway wieder. Jakob sah plötzlich wieder einmal aus wie ein armer Kretin. (Alle seine Intelligenz war ganz nach innen gekehrt.) Reglos saß er da. Die Narbe zuckte, zuckte, zuckte. Und plötzlich rief Jakob nach dem Captain.

»Herr Formann?«

»Kommen Sie doch bitte mal her. Ich muß Ihnen etwas sagen.«

Der Captain kam zu Jakob.

Und Jakob sagte ihm vieles ganz leise ins Ohr.

Der Captain nickte und nickte.

5

Fünf Minuten später öffnete sich die Cockpit-Tür der weißen Düsenmaschine noch einmal. Die Gangway glitt herab. Über sie verließ Jakob Formann den Jet langsam und würdevoll. Würdevoll und langsam schritt er über das Vorfeld zu der Bank zurück, auf welcher der Hase zusammengebrochen war. Julia hatte sein Kommen gar nicht bemerkt. Als Jakob vor ihr stand, mußte er laut husten.

Der Hase schrak auf und starrte den Bären an wie eine Geistererscheinung.

»Aber … aber was machst du denn hier? Wieso bist du nicht im Flugzeug? Du mußt doch nach Köln fliegen!«

»Ich fliege nicht nach Köln«, sagte er.

»Nicht nach Köln …« Der Hase bekam kaum Luft zum Atmen. »Wohin denn?«

»Nirgendwohin, mein liebes Kind. Ich bleibe hier.«

»Du bleibst … hier?«

»Ja.«

»Bei mir?«

»Wie ich gerade bemerkte.«

Der Hase sank wieder auf die Bank. Jakob zog ihn zärtlich hoch.

»Also, jetzt begreife ich überhaupt nichts mehr«, sagte Julia Martens.

»Wieso …«

Er unterbrach sie freundlich, während er ihr den alten Diplomatenkoffer gab, sich bei ihr unterhakte und langsam zu gehen begann. Der Hase stolperte an seiner Seite.

»Jakob Formann, mein liebes Kind«, sagte der Bär, »ist seiner Zeit immer um zwei Schritte voraus.«

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Dank

Ohne die Hilfe, die mir von vielen Seiten so liebenswürdig gewährt worden ist, wäre es unmöglich gewesen, diesen Roman zu schreiben. Ich benötigte viele große Archive, Helfer bei der Recherchen-Arbeit und Experten auf den Gebieten von Politik, Wirtschaft, Finanzwesen, Justiz, Soziologie und Psychiatrie. Ein Verleger erzählte mir die Geschichte der deutschen Nachkriegsillustrierten, eine treue Seele tippte unermüdlich wieder und wieder meine vollgeschmierten, verbesserten Manuskripte ab. Freunde haben diese Arbeit von Anfang an hingebungsvoll unterstützt, indem sie alles, was ich geschrieben hatte, rechtlich absicherten, kritisierten, Änderungsvorschläge machten und neue Ideen entwickelten. Es ist unmöglich, alle diese Helfer hier zu nennen. Ich kann ihnen nur allen meinen herzlichsten Dank aussprechen und an dieser Stelle allein jene anführen, die mir am meisten geholfen haben.

Es sind:

Rudolf Augstein. Katharina Berg. Fritz Bolle. Dr. Walter Braun. Ilse Ebbinghaus. Margot Hielscher. Michael Jungblut. Diedrich Kenneweg. Universitätsprofessor Dr. Stephan Koren, ehemaliger Finanzminister der Republik Österreich. Universitätsprofessor Dr. Kornelius Kryspin-Exner. Erich Kuby. Professor Dr. Alex Möller, ehemaliger Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland. Luise Nikel. Dr. Hans J. Reichhardt. Und meine Frau.

Weihnachten 1977 Johannes M. Simmel

Über Johannes Mario Simmel

Johannes Mario Simmel, 1924 in Wien geboren, gehörte mit seinen brillant erzählten zeit- und gesellschaftskritischen Romanen und Kinderbüchern zu den international erfolgreichsten Autoren der Gegenwarts. Seine Bücher erscheinen in 40 Ländern, ihre Auflage nähert sich der 73-Millionen-Grenze. Der Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse wurde 1991 von den Vereinten Nationen mit dem Award of Excellence der Society of Writers ausgezeichnet. »Simmel hat wie kaum ein anderer zeitgenössischer Autor einen fabelhaften Blick für Themen, Probleme, Motive«, sagte Marcel Reich-Ranicki über den Schriftsteller.

Johannes Mario Simmel verstarb am 1. Januar 2009 84-jährig in der Schweiz.

Über dieses Buch

Johannes Mario Simmel erzählt, wie in den Jahren zwischen 1946 und 1976 aus Jakob Formann einer der erfolgreichsten, bekanntesten und reichsten Männer der Zeit wird, den seine Riesengeschäfte mit seinen Superfirmen um den ganzen Erdball jagen. Die Frauen fliegen ihm zu, vor Freunden kann er sich kaum retten, aber nicht wenige sind und bleiben eigentlich seine Feinde. So verliert Jakob Formann denn auch zur Zeit der Ölkrise durch ein Komplott alles, was er geschaffen und gewonnen hat, und ist arm wie am Anfang. Jetzt endlich aber hat er die Zeit, zu seiner großen Liebe von 1946 zurückzukehren - zu der Frau, die er nie vergessen hat …

Impressum

Copyright © 1978 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Copyright © 2010 der eBook Ausgabe by Knaur eBook.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Digitale Satzrekonstruktion: pagina GmbH, Tübingen

ISBN 978-3-426-40406-5

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