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28

Also tippte Jakob den ›Desk-Blotter‹, den laufenden Tätigkeitsbericht der Wache, um ein Stück weiter voll. Connellys Aussage. Die Aussage der Hilde Korn. Immer mit drei Durchschlägen. Er tippte allerdings etwas eigenwillig. Man kann sagen, er tippte ironisch. Sehr ironisch. Man kann sogar sagen: unverschämt ironisch.

Dann schrieb er einen Haftbefehl für Hilde Korn aus.

»Ich komm’ jetzt in’n Knast?«

»Tut mir leid. Ja.«

»Mensch, Junge, hat dir noch nie ’ne Frau einen geblasen?«

»Doch, natürlich.«

»Na und? Hast du sie eingesperrt?«

»Nein. Aber ich bin auch kein amerikanischer First Lieutenant.« Jakob tippte: ›… 23 Uhr 46: Dem Werwolf Handschellen angelegt …‹

»Ich komme mit«, erklärte Connelly.

»Aber das ist wirklich nicht nötig, Sir …«

»Ich komme mit!«

»Und dafür kriegt der Scheißer noch die höchste Auszeichnung für Tapferkeit vor dem Feind!« flüsterte Misaras, über Jakob gebeugt.

»Und wird General«, flüsterte Jakob und tippte: ›First Lieutenant Connelly begleitet Crew mit entsicherter Waffe, um jedes Entkommen des Werwolfs zu verhindern. Jeep ab Station zu Dependance Landesgericht Neubaugürteclass="underline" 23 Uhr 54.‹

Eine Stunde später saß die fünfundzwanzigjährige Hilde Korn, wohnhaft Wien 18, Kreuzgasse 232, zweiter Aufgang, dritter Stock, in einer besonders gesicherten Zelle.

Eine Stunde später verabschiedeten sich die Herren Misaras, Faynberg und Formann vor einer requirierten Villa von dem First Lieutenant Connelly. Der West-Point-Mann sprach: »Wohl getan, Boys. Laßt euch mein Entrinnen vor dem sicheren Tod eine ernste Warnung sein!«

Und dreizehn Stunden später standen die Boys und Jesus Washington Meyer dazu vor dem großen, schlanken General Mark Clark, dem amerikanischen Stadtkommandanten von Wien, in dessen Arbeitszimmer im Palais Auersperg.

29

»Ich habe heute früh Ihren Bericht gelesen, Formann«, sagte Mark Clark.

»Ich bin vor Lachen fast erstickt. Die Franzosen und die Russen brüllen noch immer vor Lachen. Die Engländer haben noch immer nicht begriffen, was an der Sache so komisch ist. Dieses Fräulein ist natürlich schon wieder frei – auf meine Anweisung. Ich habe es hierherbringen lassen und ihm ein CARE-Paket geschenkt für das Versprechen, keinem Menschen etwas von diesem Erlebnis zu erzählen. Süßes Fräulein, wirklich!«

»Herr General finden ihre Adresse auf dem Desk-Blotter!«

»Formann!!«

»Verzeihung, Herr General. Es sollte nur ein freundlicher Hinweis sein.«

»Sie scheinen nicht zu wissen, Herr Formann, daß diese Art von Liebesbezeigung, selbst unter Eheleuten, in mehreren Staaten Amerikas heute noch gegen das Gesetz verstößt und mit Gefängnisstrafen geahndet wird.«

Gott schütze Amerika, dachte Jakob und sagte: »Ist dem in der Tat so, Herr General?«

»Dem ist in der Tat so. Und jetzt Schluß mit dem Quatsch! Wir kommen zum ernsten Teil. Mein sowjetischer Kollege hat zuerst auch sehr gelacht und ist dann zum ernsten Teil gekommen. Sie sind doch aus sowjetischer Gefangenschaft ausgebrochen …«

»Es hat mir alles so lange gedauert, Herr General!«

»Ruhe! Ausgebrochen und haben gleich hundertundfünfzig deutsche Gefangene mit befreit und sind mit einem gewissen Sergeanten Jelena Wanderowa verschwunden. Deshalb muß jetzt alles sehr schnell gehen.«

»Was, Sir?« fragte Jakob.

»Ich hasse es, einen guten Dolmetscher zu verlieren«, sagte Mark Clark,

»Aber Sie müssen aus Wien verschwinden, augenblicklich! Und zwar in westlicher Richtung! Die Sowjets haben noch einiges Interesse an Ihnen, Herr Formann.«

»Man kann’s verstehen«, sagte Jakob demütig. »Aber wie komme ich aus Wien raus? Nach Tulln, zum Flughafen, müßte ich doch durch die Russische Zone. Und mit einem Auto wäre es dasselbe. Also ausgeschlossen.«

»Absolut ausgeschlossen! Wien ist eine Insel in der Sowjetischen Zone. Genau wie Berlin. Das wird noch einmal sehr unangenehme Folgen haben – für Berlin. Oder für Wien. Oder für beide Städte!« (Merke: Es ist nicht wahr, daß alle Generäle Idioten sind.)

»Also wie komme ich nach dem Westen?«

»Hinten im Park auf der Wiese steht eine Kuriermaschine. Muß ich noch weitersprechen?«

»Keinesfalls«, beteuerte Jakob.

»Und Sie drei«, Mark Clark wandte sich an Jakobs MP-Freunde, »werden ebenfalls schleunigst Wien verlassen. Strafversetzt. Zum Fliegerhorst Hörsching bei Linz. Die Säcke mit all Ihren Sachen werden Ihnen nachgeschickt. Nur raus jetzt!«

»Warum strafversetzt, Sir?« fragte Misaras. »Wir haben doch überhaupt nichts getan!«

»Sie nicht, aber ich«, sagte der Generalmajor. »Wenn das rauskommt, schiebe ich es natürlich auf Sie!«

»Natürlich«, sagte Mojshe. »Wie’s der Brauch ist.«

»Seien Sie bloß ruhig, Private Faynberg! Wissen Sie, wer dieser Connelly ist?«

»Na, ein …«, begann Mojshe, aber Jesus hielt ihm schnell den Mund zu.

»Das natürlich auch«, sagte Mark Clark. »Und außerdem ist er der Sohn eines der einflußreichsten Senatoren in Washington! Mit dem hat er heute nacht noch telefoniert! Und heute früh hat dieser Senator mit mir telefoniert und mich zusammengeschissen! Also keine Widerrede! Sie müssen alle raus aus Wien – sofort!«

»Und diese junge Frau …«

»Stammt aus Deutschland. Displaced Person. Wird mit dem nächsten Transport abgeschoben. Keine Spuren! Dieser Senator kommt jetzt nach Wien!« sagte Mark Clark.

30

»Der Werwolf!« hatte Jakob gekeucht, während er gegen ein Fenster im Schlafwagengang des ›Orient-Expreß‹ taumelte.

In der Tat, er war es.

Präziser gesagt: Es war die Werwölfin.

»Der Formann!« sagte die Frau im Bett (man könnte hinzufügen: schmatzend) und räkelte sich noch ein wenig mehr. Eine Schulter war schon blank. Die Achsen des ›Orient-Expreß‹ pochten. Zu beiden Seiten des Zuges, der da durch die Nacht raste, stoben weiße Schneeflügel empor bis zu den Wagendächern. Die Stimme der schwarzen Hilde hatte sich in den letzten Monaten völlig verändert. Sie war rauh und tief geworden. Der heulende Werwolf von einst als ganzer hatte sich verändert! Den schmiß so leicht nichts mehr um. Der heulte so leicht nicht mehr los.

»Ha … hallo«, sagte Jakob und schluckte, denn die eine Nachthemdseite rutschte lebensgefährlich. Die schwarze Hilde räkelte sich wie ein Aal.

»Sonst hast du nichts zu sagen, Formann? Keine Freude? Keine Überraschung?«

»Wenn Sie sich noch ein bißchen mehr räkeln, stehen Sie im Freien, Fräulein Korn«, sagte Jakob. Er war auf einmal gleichfalls heiser.

»Seit wann denn ›Sie‹?« fragte die schwarze Hilde beleidigt. Und räkelte sich. Na also. Eine war draußen. Und was für eine. Mein lieber Mann! Hilde bedeckte lässig ihre Blöße.

»Na, schließlich hatte ich bisher nur die Ehre, Sie ein einziges Mal zu sehen, Fräulein Korn, und da mußte ich Sie einsperren.«

»Aber da hast du ›du‹ zu mir gesagt, Formann! Und außerdem heiße ich nicht Fräulein Korn, sondern Mrs. Fletcher.«

Es war alles ein bißchen viel auf einmal für Jakob.

»Mrs. Fletcher … Wieso? … Sie wurden doch längst nach Deutschland gebracht … gleich damals, nachdem …«

»Denkste.«

»Und du bist der … hrm … Boß vom Franzl?«

»Das ist der Boß von uns allen«, sagte Jakobs Schulfreund Franz Arnusch hastig. »Wir sind eine … eine Organisation, verstehst du?«

»Organisation von was?«

»Na von …«

»Laß mich mit dem Kleinen allein, Franzl! Hau ab!«

»Jawohl, Boß!«

Der Franzl haute ab.

Jakob stand vor der schwarzen Hilde dem Bett gegenüber an die Wand gepreßt und starrte auf sie herab. Er hielt sich an der Türklinke fest. Das hätte noch gefehlt, daß er gleich auf sie draufgefallen wäre bei diesem Schwanken des Wagens!