»Was … was ist das für eine Organisation, Hilde?« fragte er endlich. Ein Auge … zwei Augen hat die Person!
»Laureen.«
»Was?«
»Laureen ist jetzt mein Vorname. Nicht mehr Hilde. Laureen Fletcher.«
»Pardon! Also, was ist das für eine Organisation, Laureen?«
»Steh nicht so steif rum. Setz dich aufs Bett.« Er ließ sich daraufplumpsen. In ihre Magenkuhle. (Sie lag auf der Seite.) Ist ja wirklich zu blöd, dachte er. Ich bin ein erwachsener Mann! »Ich habe so etwas wie eine offene Handelsgesellschaft mit Filialen in verschiedenen Ländern. Du bist der einzige, der zu mir Laureen sagen darf. Brauchst mich nicht Boß zu nennen.«
»Sehr freundlich, Laureen.«
»Ich handle mit den verschiedensten Artikeln. Ich würde sagen, daß die Basis aller meiner Geschäfte die menschliche Dummheit ist.«
»Da hast du dir eine goldene Basis ausgesucht, Laureen!«
»Übrigens heiße ich nicht nur Fletcher. Ich habe eine ganze Menge Namen und Pässe. Und Perücken.«
»Selbstverständlich.«
»Und wie heißt du mit Vornamen?«
»Jakob, und meine Freunde sagen Jake zu mir.«
Die ehemalige schwarze Hilde räkelte sich wieder. Unter der Decke. Sie schubberte sich an Jakob.
»Ich habe so oft an dich denken müssen, Jake.«
»Klar«, sagte er. »Welche Frau kann mich schon vergessen?«
»Trottel. Ich habe so oft an dich denken müssen, weil du einem andern Mann ähnlich siehst. Und dann kommst du in das gleiche Schlafwagenabteil wie der Franzl. Zufälle gibt es!«
»Was ist das für ein anderer Mann?«
»Gib mir mal bitte meine Tasche vom Waschtisch. Danke.« Sie kramte kurz und entnahm der Tasche einen Paß, so geöffnet, daß Jakob das Paßfoto sehen konnte.
Das Paßfoto zeigte das Gesicht eines Herrn, der Jakob in der Tat außerordentlich ähnelte.
»Donnerwetter. Wer ist das?«
»Das«, sagte die ehemalige schwarze Hilde – derzeit Laureen –, »ist Señor Miguel Santiago Cortez. Kennst du nicht?«
»Nie gehört den Namen.«
»Mensch, Junge, in welchem Kuhdorf bist du denn gewesen, seit wir uns zum letztenmal gesehen haben?«
»In Theresienkron«, sagte Jakob.
»Wo ist denn das?«
Jakob sagte, wo das war und was er da gemacht hatte.
»Eier«, sagte Laureen. »Großer Gott! Eier. Und dich habe ich für intelligent gehalten. Natürlich sind einem wie dir die Namen der internationalen Hochfinanz nicht bekannt.«
»Was ist also mit diesem Cortez los?«
»Er hat Tbc.«
»Wo?«
»In der Lunge, Idiot.«
»Wo er ist, meine ich!«
»Für das nächste Jahr in Davos. Um seine Tuberkeln loszuwerden.«
»Weiter, du Luder.«
»Ach, ich habe ja gleich gewußt, daß du auf mich stehst! Weiter, Junge, wäre zu sagen, daß Señor Cortez, bevor er nach Davos fuhr, in Paris seinen Paß verloren hat. Ein ehrlicher Finder gab den Paß bei der Argentinischen Gesandtschaft ab. Trotzdem hat Señor Cortez ihn nicht wiederbekommen.«
»Warum nicht?«
»Ein Kulturattaché hat ihn zurückbehalten. Der ist auch Mitglied meiner Organisation. Heute. Damals war er’s noch nicht. Damals sagte er sich nur, daß der Paß eines Milliardärs immer etwas Gutes ist, und verkaufte ihn deshalb an deinen Freund Franzl. Der war gerade in Paris, zum Glück. Wir fahren jetzt wieder hin …«
»Wieso kann der Franzl nach Paris fahren?«
»Na, er ist doch immer noch bei der österreichischen Zollbehörde! Mit allen Vollmachten und mit Paß und Fahrbefehlen und so weiter! Er ist mein Fachmann in Devisenfragen. Daneben ist er natürlich für die Österreicher tätig. Nach dir haben wir gesucht wie nach einer Stecknadel im Heuhaufen.«
»Wegen der Ähnlichkeit mit dem da«, sagte Jakob und wies auf das Paßfoto.
»Wegen der Ähnlichkeit mit dem da«, sagte Laureen.
»Wo kommt ihr her?«
»Aus Wien.«
»Aber da habt ihr doch zuerst mit einem andern Zug fahren müssen! Durch die ganze Sowjetische Zone!«
»Na und? Ich als Amerikanerin, Franzl als Zollfahnder mit allen Ausweisen! Glaubst du, das war schwer?«
»Woher hast du aber den amerikanischen Paß?«
»Woher schon? Von einem Fälscher. Der hat auch alle meine anderen Pässe gefälscht. Großartiger Mann, sage ich dir. Jedenfalls – unterbrich mich nicht immer, bitte, ja? – hat Franzl den Paß von Señor Cortez mir gegeben, während der natürlich einen neuen Paß beantragen mußte.«
»Wie korrupt ist dieser argentinische Handelsattaché in Paris eigentlich?« fragte Jakob.
»Ich muß dir noch die Adresse und das Erkennungszeichen für meinen Paßfälscher geben. Du wirst auch Pässe brauchen jetzt. Sehr.«
»Was sehr?«
»Sehr korrupt ist dieser argentinische Handelsattaché. Dazu sehr häßlich. Dazu wie wild hinter den Weibern her. Das kostet ihn natürlich eine Menge Geld. Aus Liebe tut’s keine mit dem.«
»Verstehe.«
»Der braucht also dauernd Geld.«
»Verstehe.«
»Wir haben den Paß, wir haben den Handelsattaché, und jetzt, endlich, haben wir auch dich, der du diesem Tuberkel-Milliardär so ähnlich siehst. Nun laß dir was einfallen.«
»Einfallen?«
»Ich und der Franzl machen doch in Devisen!«
»Wo hinein?«
Darüber mußte sogar die Pfeife der Lok aufjaulen.
»In Devisengeschäften, du Trottel! Mit dir können wir ein Geschäft machen, das sich lohnt. Und ich habe dich in der Hand, mein Junge. Ich kenne ein kleines russisches Abenteuer.«
»Von wem?«
»Von einem russischen Mitarbeiter. Die suchen dich immer noch. Ein kleiner Hinweis von mir genügt also.«
»Du erpreßt mich …«
»Natürlich. Wovon reden wir denn die ganze Zeit? Wir arbeiten jetzt zusammen, oder ich lasse dich platzen. Kapiert? Na also, endlich. Ich liefere den Paß, den Attaché, meine Organisation. Wir werden Partner.«
»Ich brauche aber keinen Partner, Laureen! Denk doch an meine Eier!«
»Auf deine Eier kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen! Schau maclass="underline" Franzl und ich haben da in Recklinghausen einen Kerl aufgetrieben, der sieht dir halbwegs ähnlich. Halbwegs! Mit Schminke und so könnte man’s wohl hinkriegen. Wir wollten es auf alle Fälle versuchen. Deshalb sind wir mit dem Recklinghausener in Paris verabredet, der Franzl und ich. Finanztechnisch hat der Franzl schon alles ausgearbeitet.«
»Da ist er ja auch ein Genie!«
»Und doch ist auch da noch nicht alles in Ordnung! Franzl weiß das. Ganz abgesehen von dem Recklinghausener. Es kann alles schiefgehen, haben wir uns gesagt, aber probieren müssen wir’s! Na, aber jetzt haben wir dich! Also mußt natürlich du ran! Den Recklinghausener schicken wir zurück. Und was der Franzl noch nicht gefunden hat, das mußt du liefern.«
»Ich? Herrgott, Hilde, ich meine Laureen, ich habe doch keine Ahnung von Finanzen! Das ist doch Franzls Spezialgebiet! Da bin ich doch ein kompletter Trottel! Du darfst nichts von mir verlangen, was ich einfach nicht schaffe! Apropos: Wie geht der Trick vom Franzl?«
Laureen erklärte, wie der Trick vom Franzl ging. Gleich allen wirklich guten Tricks ging er sehr einfach. Sogar Jakob kapierte auf Anhieb.
»Phantastisch«, murmelte er ehrfurchtsvoll. »Ja, der Franzl!«
»Nichts ›ja der Franzl‹! Er weiß es, und ich weiß es, trotz allem fehlt bei dem Trick noch etwas! Wir haben uns abgequält, aber es kam uns nicht …«
»Was kam euch nicht?«
»Das … die … Wie soll ich dir das erklären, das ist Psychologie … Sagen wir, die Sache, die das Ganze unauffällig macht, sympathisch … Verstehst du, was ich meine?«
»Du meinst den ›Human touch‹?«
»Den Human touch, ja!«
»Das Menschliche, das Rührende, wie?«
»Das Menschliche, das Rührende, genau! Und das wirst du dir jetzt einfallen lassen! Das hat nichts mit Finanzen zu tun! Du bringst den Human touch in die Geschichte, und kriegst deinen Anteil. Na?«
»Hm …«
»Los, denk nach! Denk schneller, Genosse! Sonst bist du schon in Sibirien.«