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»Nein, Sir.«

»Was soll das heißen?«

»Das soll heißen, daß ich nicht verstanden habe, Sir!«

»Sie, wenn Sie mir frech kommen, bringe ich Sie …«

Das Folgende unverständlich, weil Motorengeräusch alles übertönt. Geräusch wird leiser.

»Hier ist der Captain. Sorry, Gentlemen. Habe auf den falschen Hebel gedrückt. Kann vorkommen. Wird wieder vorkommen, wenn ihr uns nicht bald sagt, was wir tun sollen!«

»Mann, steck dir doch deinen Hebel in den Arsch!«

»Ruhe! Der Befehlshabende hier bin ich! Und ich dulde diesen Bordellton nicht!«

»Hr-rm. Sofern ich mir eine Bemerkung erlauben darf, Sir: Wenn das da über uns ein Transporter ist und kein Bomber, dann müssen die Passagiere doch auch langsam durchdrehen, weil die Maschine immer im Kreis fliegt, Sir!«

»Ist ja auch schon passiert!«

»Was ist auch schon passiert, Sir?«

»Na, was Sie sagen! Sind schon welche ausgekrochen.«

»Au … au … ausgekrochen, Sir?«

»Ja doch, verflucht!«

»Au … au … aus der Maschine, Sir?«

»Aus ihren Schalen, dämlicher Kraut!«

»Entschuldigen Sie, Sir, aber Menschen haben keine Schalen.«

»Wer redet denn von Menschen?«

»Sie, Sir!«

»Niemals! Niemals habe ich …«

»Chörsching Tower! Chierr Vienna Center … Chierr Vienna Center. Chörsching Tower, bitte kommen!«

»Das sind die Russen, Mann! Los, los, los, gehen Sie ran!«

»Vienna Center … Vienna Center … Hier ist Hörsching Tower! Es spricht der Dolmetscher.«

»Freundschaft, Genosse Dolmetscher, Freundschaft! Chörren zu und übbersetzen Colonel Chobson: Chabben nicht gefunden Genossen Generalmajor Tschurasjew. Tutt uns leid, Chörsching Tower. Obberbefehlshaber von sowjetische Besatzungstruppen in Österreich, Genosse Generalmajor Tschurasjew, ist gefarren auf Semmering. Mit Genossin Gemahlin. Abgestiegen Chotell Panhans …«

Hin- und Herübersetzen Jakobs.

»Colonel Hobson läßt ihnen mitteilen: Dann fliegt die Maschine eben so in den Korridor ein, Vienna Center!«

»Dann fliegt Maschinn ebben nicht so in Korridor ein! Sagen das Colonel Chobson! Schlimme Sache sonst! Amerikanskaja aggressija! Over!« Jakob übersetzt. Der Colonel flucht.

Dann wieder Jakobs Stimme: »Wenn Sie schon nicht Menschen gesagt haben, dann haben Sie aber Passagiere gesagt, Sir!«

»Passagiere, ja! Aber Menschen, nein! Westmorelands!«

Jetzt sehr starke Motorengeräusche.

Dann:

»…wissen nicht, was Westmorelands sind, Sie – wie heißen Sie?«

»Formann, Sir. Jakob Formann, Sir. Nein, Sir, weiß nicht, was Westmorelands sind.«

»Küken, Formann! Hochgezüchtete Küken! Über Ihnen! Vierzigtausend! Vierzigtausend!«

»Yesssirr, Colonel, Sir!«

»Passen Sie auf, Formann: Gestern früh startete drüben eine ›Fliegende Festung‹. Alles klar?«

»Alles klar, Sir.«

»Unsere ›Fliegende Festung‹, alles klar? Die da oben, kapiert?«

»Kapiert, Sir.«

»An Bord eine Ladung angebrüteter Eier von Westmoreland-Hühnern für österreichische Landwirtschaftsbetriebe, die daniederliegen. Spende des ›American Friends Committee‹. Alles …«

»…klar, ja, Sir!«

»Maschine hatte Defekt in Treibstoffleitung! Stellte sich bei Zwischenlandung in Frankfurt heraus. Aufenthalt wegen Reparatur: Sieben Stunden!«

»Verstehe, Sir. Die ›Fliegende Festung‹ hätte Linz sieben Stunden früher erreicht und den Luftkorridor zu Mittag passiert, und alle vierzigtausend Eier sind so angebrütet, daß die erste Schale erst gebrochen wäre, wenn das letzte Ei den Bauernhof erreicht hätte.«

»Phantastisch, wie schnell … äh … äh … Wie heißen Sie?«

»Jakob Formann, Sir.«

»…wie schnell Sie das begriffen haben, Formann.«

»Gesunder Menschenverstand einfach, Sir.«

»Das sagen Sie so. Wenn Sie wüßten, was für ein Idiot ich … äh, mit was für Idioten ich es zu tun habe, dann …«

Die Maschine muß direkt jetzt über den Tower geflogen sein, so laut ist an dieser Stelle das Motorengeheul.

Danach: »Verstehen Sie jetzt die grausige Situation, in der wir uns befinden, Formann?«

»Yes, Sir!«

Stoptaste drücken. Band steht.

3

Als wir den Krieg mit Hilfe der ›Vorsehung‹ verloren hatten, teilten die Sieger Deutschland und Österreich in Besatzungszonen auf. Berlin und Wien lagen tief in den sowjetischen Zonen. Westalliierte Flugzeuge mußten den Weg nach Berlin oder Wien auf vorgeschriebenen ›Luftstraßen‹ zurücklegen. In Österreich gab es einen einzigen Luftkorridor. Der durfte ›aus Sicherheitsgründen‹ nur bei Tageslicht benützt werden. Nachts nicht und nicht nach Einbruch der Dämmerung solcher Art, daß die Sichtweite weniger als vierhundert Meter betrug.

Am 3. November 1946 ging die Sonne um 7 Uhr 19 auf, und um 16 Uhr 48 ging sie unter. Dann kam die Dämmerung, die tiefe Dämmerung und endlich die Nacht, in der es verboten war, in den Luftkorridor einzufliegen. Als die ›Fliegende Festung‹ über dem amerikanischen Fliegerhorst Hörsching zu kreisen begonnen hatte, war es 17 Uhr 10 gewesen, und Vienna Control hatte ›Njet!‹ gesagt.

Jetzt, um 17 Uhr 42, dreht die ›Fliegende Festung‹ noch immer ihre Runde.

Es ist mittlerweile sehr dämmrig geworden.

Und Samstag ist es dazu.

4

Ton ab! Band läuft weiter.

»Verflucht noch mal, Herr Kollege, die Küken müssen nach Wien und von dort auf die Bauernhöfe! Sie wissen es so gut wie ich, daß ein neugeborenes Küken die erste Nahrung und die erste Flüssigkeit nur an dem Ort zu sich nehmen darf, an dem es dann immer bleibt.«

»Ach, leckt’s mich doch am Arsch!«

»Sie als befreiter Österreicher und Dolmetscher im Provost Marshal Office in Wien wollen also die Verantwortung für den Tod von vierzigtausend unschuldigen Küken auf Ihre Schultern laden?«

»Ich will überhaupt nix laden! Heut ist Samstag! Da sind die Hohen Herren alle weg! Der Provost Marshal ist nicht da, das habe ich Ihnen schon zweimal gesagt! Der ist übers Weekend nach Salzburg gefahren, mit seiner Frau!«

»Wer ist denn sein Stellvertreter?«

»Colonel Worsley. Steht hier neben mir. Er sagt gerade, daß er nichts tun kann. Versuchen Sie’s doch bei den Engländern, Herr Kollege. Die sind schließlich auch eine Schutzmacht Österreichs! Heil … äh, ’tschuldigung, Servus!«

Klick.

»Der Kerl hat aufgehängt!«

Jakob übersetzt.

Allgemeines Fluchen.

»Hörsching Tower! Hier Eins-acht-eins … Bitte kommen!«

»Was gibt’s?«

»Vierunddreißig weitere ausgekrochen, Colonel, Sir!«

»Machen Sie mich nicht wahnsinnig!«

Jetzt eine neue Stimme, lupenreines King’s English, schneidig: »Kommandantur Wien, McIntosh!«

»Wer ist denn um Gottes willen nun wieder McIntosh?«

»Colonel McIntosh, Vertreter Seiner Exzellenz, des Herrn britischen Stadtkommandanten.«

»Aha. Und der ist also auch mit seiner Frau …«

»No, Sir. Der ist mit einem Freund zur Jagd nach Kärnten.«

»Jagen, fischen, vogelstellen, das hält jung die Junggesellen …«

»Haben Sie den Verstand verloren, Formann?«

»Ach, das fiel mir gerade so ein, Sir.«

»Reißen Sie sich gefälligst zusammen, Kerl! Hallo, Colonel! Hören Sie: Wir haben über unseren Köpfen …«

»Vierzigtausend bebrütete Eier, ja, ja. Ich weiß, ich weiß. Die Herren amerikanischen Verbündeten haben uns bereits unterrichtet. Ich bin beauftragt, Sir, Ihnen mitzuteilen, daß das Britische Empire in dieser Angelegenheit strikteste Enthaltsamkeit üben muß. Warum versuchen Sie es nicht bei Seiner Exzellenz, dem Herrn französischen Stadtkommandanten? Auch Frankreich ist für das befreite Österreich verantwortlich!«

Auf dem Band ist nunmehr ein gräßliches Durcheinander von Stimmen und Geräuschen zu hören. Dann erklingt eine neue, helle Stimme, die in melodischem, leicht singendem Wienerisch mitteilt, Seine Exzellenz, der französische Stadtkommandant von Wien, sei nach Berlin geflogen – einer Einladung Jean Cocteaus folgend.