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Die Bestätigung folgte bald. Kris faxte:»Hier läßt sich’s leben. Robin und Evelyn möchten unbedingt, daß du Montag rüberkommst und ein paar Tage hierbleibst. Nur zur Erinnerung, die kleine Störung, die wir jetzt in der Karibik haben, wird Odin heißen, wenn sie sich entwickelt. Ich beabsichtige da durchzufliegen. Kommst du mit?«

Die kleine Störung in der Karibik, so schätzte ich nach einem raschen Blick auf das chaotische Geschehen dort, würde wahrscheinlich in sich zusammenfallen, so daß der Name Odin ein andermal Verwendung fand.

Am nächsten Morgen legten die Winde südlich von Jamaika zu, und das Barometer fiel weit unter 1000 Millibar, ein bedenklich tiefer Stand gegenüber dem Durchschnittswert von etwa 1013. Eine Windscherung in der Höhe, die eine organisierte Kreisbewegung bisher verhinderte, hatte sich aufgelöst und aufgehört, die obere Atmosphäre auseinanderzureißen, und als sei sie sich über neue Möglichkeiten klargeworden, hatte die kleine Störung langsam mit einer Einladung zum Tanz begonnen.

Kris faxte:»Odin wird jetzt als tropischer Sturm geführt. Ein Hurrikan ist es leider noch nicht, aber komm trotzdem am Montag. «Er erklärte mir den Weg zu den Darcys und grüßte mich herzlich von ihnen.

Am Montag fing offiziell mein Urlaub an.

Ich dachte über meine kargen Ersparnisse nach, mit denen ich eigentlich auf Sizilien wandern gehen wollte, dann rief ich Belladonna Harvey an. Ich erfuhr, wie es um die Stute stand (geschwächt, aber wieder auf den Beinen, noch kein Laborbefund), wie es um Oliver Quigley stand (todtraurig), wie sich die Beziehung zu ihrem neuen Chef Loricroft anließ (er stellte ihr nach) und wie es um ihren Vater stand (er kochte vor Wut). Schließlich erkundigte sie sich, wie es Kris gehe, der schon acht Tage nicht auf dem Bildschirm gewesen sei.

«Er ist nach Florida geflogen.«

«So, so.«

«Er wollte Sie ja mitnehmen.«

«Mhm.«

«Er wohnt bei Robin und Evelyn Darcy. Sie haben mich eingeladen, auch hinzukommen. Ist das ungewöhnlich?«

Sie schwieg einen Moment, bevor sie sagte:»Was wollen Sie wissen?«

Mit einem Lächeln, das ich selber in meiner Stimme hörte, fragte ich:»Zunächst mal, was macht der Mann?«

«Evelyn erzählt überall, daß er Pilze verkauft. Er streitet das nicht ab.«

«Er kann doch unmöglich Pilze verkaufen!«widersprach ich.

«Wieso nicht? Evelyn sagt, er handelt mit sämtlichen Pilzsorten, nach denen die Feinschmecker verrückt sind. Portobello, Steinpilz, Pfifferling, Shitake und dergleichen. Er läßt sie gefriertrocknen und luftdicht verpacken und verdient ein Vermögen damit. «Sie schwieg.»Außerdem verkauft er Gras.«

«Was?«

«Er verkauft Gras. Ich meine jetzt nicht das andere Gras. Sie werden lachen, aber in Florida wird Rasen nicht gesät. Das Klima ist dafür ungeeignet oder so. Man setzt vielmehr Grasplacken ein. Rasen wird verlegt wie Teppichboden. Robin Darcy hat eine Rasenfarm. Das ist kein Witz. So heißt das, und es ist ein Millionen-Dollar-Geschäft.«

«Sie meinten auch, er sei als kluger Kopf geboren«, sagte ich langsam.

«Ja, genau. Und wie gesagt, lassen Sie sich nicht von ihm täuschen. Er läuft da mit seiner dicken schwarzen Brille rum wie ein ziemlich unbedarfter, knuddeliger kleiner Kerl, aber was er anrührt, wird zu Gold.«

«Und mögen Sie ihn?«

«Eigentlich nicht. «Die Antwort kam ohne Zögern.»Er ist Dads Kumpel, nicht meiner. Mir ist er zu berechnend. Mit allem, was er tut, verfolgt er einen Zweck, aber das merkt man erst hinterher.«

«Und Evelyn?«fragte ich.

«Wie ich schon sagte, sie ist sein V-Mann. Na ja, seine V-Frau. Ich kenne die zwei mehr oder weniger seit Jahren. Robin und Dad unterhalten sich immer über Landwirtschaft, obwohl man sich fragt, was Gras und Pilze groß mit Vogelfutter gemein haben, dem Haupterwerbszweig meines Vaters.«

«Ich dachte, Ihr Vater baut Gerste an«, sagte ich leicht verwirrt.

«Tut er auch. Das gibt hervorragenden Whisky. Das Vogelfutter pflanzt er nicht. Er kauft alles mögliche Saatgut containerweise, läßt es im eigenen Werk mischen und ver-kauft’s fein abgepackt an Leute, die Wellensittiche haben oder so. Man könnte sagen, Robin Darcy und mein Vater machen hundertgrammweise Millionen.«

«Tja, und… ehm, Evelyn?«hakte ich nach.

«Sie und meine Mutter verstehen sich bestens. Beide lie-ben Schmuck. Wenn man sich mit Evelyn über Klunker unterhält, hat man eine Freundin fürs Leben.«

Bell hatte nicht das Zünglein an der Waage gespielt, aber der Gedanke, Florida kennenzulernen, reizte mich doch sehr, und an dem Punkt war ich so unvorsichtig, meiner Großmutter zu erzählen, daß Kris mit mir durch einen Hurrikan fliegen wollte.

«Fahr nicht, Perry. Mir wird ganz unheimlich…«

Aber ich hatte sie geküßt und ihre Bedenken in den Wind geschlagen. Die schleichende Lähmung auf dem Flug von Phoenix nach London lag Jahre zurück, und seit diesem Horrorflug hatte sie keine bösen oder unheimlichen Vorahnungen mehr gehabt.

«Mir passiert schon nichts«, versicherte ich ihr und nahm den billigsten Flug nach Florida, den ich finden konnte.

Robins und Evelyns Zuhause in Südflorida war für die Gegend anscheinend nichts Besonderes, doch für jemanden, der aus einer 1-Zimmer-Mansarde mit winzigem Bad und Kochnische kam, ein märchenhafter Anblick.

Mit den leuchtenden Farben fing es schon an. Ich war das graublaue Licht gewohnt, das in London W 12, zwischen 51 und 52 Grad nördlicher Breite, bereits die Nachmittage eintrübte.

Am Sand Dollar Beach, auf dem 25. Breitengrad, wenig nördlich vom Wendekreis des Krebses, flimmerte die Luft in Rosatönen, das Meer leuchtete türkis bis zum Horizont, und grüne Palmen schwankten über den spitzenbesetzten, sich kräuselnden Wellen.

Nur selten bedauerte ich die Einschränkungen, die ich meiner Großmutter zuliebe in Kauf nahm, doch an diesem schönen, heiteren Spätnachmittag schienen mir die kreischenden englischen Möwen, die sich über dem Niedrigwasser zankten, teuer bezahlt.

Ich hatte die Einladung der Darcys dankend angenommen und war herzlich von ihnen empfangen worden, aber so angenehm die berühmte Großzügigkeit auch sein mag, die die Amerikaner gewohnheitsmäßig an den Tag legen, ich wußte noch immer nicht genau, warum ich dort am Sand Dollar Beach war, den goldenen Sonnenuntergang betrachtete, ein berauschendes exotisches Getränk süffelte und Appetithappen so groß wie Frisbeescheiben aß.

Evelyn redete, wie Bell es vorausgesehen hatte, über Schmuck. Das silberne Haar tadellos frisiert, trug sie eisblau schimmernde Seidenhosen, dazu eine weite Bluse aus dem gleichen Material, über und über mit Perlen und silbernen Röhrchen bestickt, die ich dank meiner welterfahrenen Großmutter als Schmelzperlen erkannte.

Robin lag mit einem eisgekühlten Drink in der Hand faul auf einem Gartensofa, die nackten Füße auf den dicken Polstern. Als er mich am Flughafen in Miami abholte, hatte er mich mit» Dr. Stuart «begrüßt, aber als er mir dann die Pina Colada in die Hand drückte, sagte er» mein Lieber «und fügte hinzu:»Ananassaft, Kokosmilch und Rum. Recht so?«

Er war sich über mich nicht im klaren, und ich mir nicht über ihn. Wohlwollen erkennt man oft auf Anhieb. Bei Robin kam mir alles wie ein Schachspiel vor.

Wir saßen auf einer großen, nach Süden gehenden Terrasse, von der aus man nach einer Seite auf den friedlichen Atlantik blickte und auf der anderen einen Zug effektvoll golddurchwirkter Wolken sah.

Kris, der, auch wenn er nicht flog, selten Alkohol trank, wanderte rastlos von der Terrasse zum tiefer gelegenen

Pool und wieder zurück und suchte das goldene Firmament ab, als sei er furchtbar enttäuscht.

Robin Darcy meinte nachsichtig:»Gehen Sie ins Haus, Kris, und schalten Sie den Wetterkanal ein. Wenn der große Gott Odin in der Karibik umgeht, sieht man ihn hier noch tagelang nicht.«