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Warum wollte ich trotz aller Bedenken unbedingt diesen Flug?

Die Wetterfrösche schwatzten weiter sachlich über die Talfahrt der Millibar, an denen man fallenden Luftdruck und kommendes Unglück so gut ablesen kann.

Der Fernseher der Fords war ein sichtlich teures Einbaugerät, und Amy, Michael und ich saßen in schweren Sesseln und warfen ab und zu einen Blick auf das Bild der gigantischen, wirbelnden weißen Wolkenmasse, während sie mir erzählten, Grand Cayman sei von schweren Stürmen bisher eigentlich verschont geblieben, aber es gebe natürlich immer ein erstes Mal. Ihrem unbekümmerten Tonfall nach glaubten sie jedoch offensichtlich nicht, daß es soweit war.

Jockeys hatten mir die Atmosphäre im Umkleideraum vor dem Grand National beschrieben, der Steeple Chase, bei der sie zehn Zentner Pferd über die höchsten, schwersten Hindernisse im Rennsport bringen mußten. Knochenbruch und Querschnittslähmung drohten ihnen, aber sie konnten es kaum erwarten. Ich hatte mich gefragt, was sie trieb; und in dem luftigen, hellen, feudalen Wohnzimmer der Fords wußte ich es auf einmal.

In den Stunden des Nichtstuns, bevor Robin und Kris wieder auf der Bildfläche erschienen, erfuhr ich unter anderem, daß Amy in den Vereinigten Staaten Besitzerin und Chefin einer inzwischen verkauften Kette von Videotheken gewesen war, während Michael Fitneßcenter ausgestattet und Mitgliederbeiträge kassiert hatte.

Beide waren stolz auf ihren Erfolg, ebenso stolz aufeinander, und darüber redeten sie auch offen.

Ich erfuhr, daß weder Amy noch Michael geprüfte Piloten waren, daß Amy aber Flugstunden genommen hatte, bevor sie ihr Flugzeug dann an Robin verkaufte.

«Warum haben Sie’s ihm verkauft?«fragte ich Amy ohne Nachdruck, gesprächshalber und nicht etwa, weil ich es genau wissen wollte.

Michael machte eine dämpfende Handbewegung, wie um zur Vorsicht zu mahnen, doch Amy erwiderte elegant:»Er wollte es haben. Er hat einen guten Preis geboten, also sagte ich nicht nein. «Sie trank ihren Drink aus.»Wenn Sie wissen möchten, warum er es gekauft hat, müssen Sie ihn fragen.«

Da Robin und Kris gerade in dem Augenblick hereinkamen, fragte ich ihn auf der Stelle, in einem Ton, als wollte ich ihn einfach nur ins Gespräch ziehen.

Robin blinzelte, schwieg, lächelte und antwortete genauso irreführend:»Amy wäre es sicher nicht recht, wenn ich Ihnen verraten würde, daß sie sich von dem Geld für das Flugzeug ein Diamantcollier kaufen konnte.«

«Und noch einiges andere«, fiel Michael erleichtert ein.

Ich lächelte herzlich. Alle drei waren gewiefte Lügner. Amy gab Kris ein eisklirrendes hohes Glas, und ich sagte neutraclass="underline" »In meinem ist Rum.«

Er war auf halbem Weg zu einer manischen Hochstimmung, aber dazu brauchte er keine Promille. Mit zusammengekniffenen Augen sah er auf das beinah volle Glas, das neben mir auf dem kleinen Tisch stand, nippte dann an seinem, setzte es ab und erzählte mir hellauf begeistert, was es Neues gab.

«Die Maschine ist herrlich. Zweimotorig. Ein Fluglehrer hat mich eingewiesen. Er war zufrieden mit mir. Robin ist zufrieden mit mir. Friede, Freude allerseits. Das heißt, die meisten Leute sind zwar der Meinung, Amateure sollten sich von Stürmen unbedingt fernhalten, aber unsere Meßergebnisse interessieren sie trotzdem, auch wenn wir keine Spezialausrüstung an Bord haben.«

«Wann fliegen wir?«fragte ich.

Alle sahen wir uns den neuesten Wetterbericht an. Odin war soeben um noch ein paar beängstigende Millibar gefallen und hatte sich eine Minute nach Nordwesten bewegt. Ein strahlender, vermutlich vom Fremdenverkehr geschmierter älterer Gastansager verkündete fröhlich, daß

Odin über dem Wasser kreise und Urlaubern am Strand und auf dem Festland nicht zu nahe treten werde. Kris warf mir einen sarkastischen Blick zu und zuckte die Achseln, denn Odin kam durch das Kreisen über dem warmen Meer erst recht in Fahrt.

«Morgen früh«, sagte Kris,»Punkt acht Uhr. Bevor es zu heiß wird.«

Michael und Amy hatten darauf bestanden, daß Robin, Kris und ich über Nacht blieben. Sie gaben uns unaufhörlich und zu Kris’ Leidwesen immer Stärkeres zu trinken, und Michael band sich eine Plastikschürze um und grillte mit gastgeb erischem Elan Steaks auf einem gemauerten Barbecue.

Kris und ich wurden zum Serviettenfalten und Eiskübelfüllen herangezogen, kleine Verrichtungen, bei denen wir in Amys Nähe bleiben mußten. Wie es aussah, sollten wir wohl nicht weglaufen, und im Gedanken an Robins Alarmanlage blieb ich, wo meine Gastgeber mich haben wollten. Ein bißchen fühlte ich mich wie im goldenen Käfig, aber ich hatte weder Geld noch eine gute Ausrede, um in ein Hotel zu gehen.

Außerdem war Michael, der charmante Koch, nach außen zwar liebenswürdig, bei all seinen Muskelpaketen aber von einer Geschmeidigkeit, die ich genaugenommen eher mit Nahkampferfahrung als mit den Kraftmaschinen verband, mit denen er gehandelt hatte.

Odin bewegte sich auf dem Bildschirm langsam und gefährlich nach Nordwesten.

Amy, die mit mir zusammen gutgelaunt den Tisch auf der Veranda hinter dem Grill deckte, rief plötzlich laut:»Wie gut Kris aussieht! Und Sie natürlich auch, Perry. Sucht die BBC ihre Wetterexperten etwa nach den hyperattraktiven Gesichtern aus?«

Kris grinste.»Wie denn sonst?«

Ich war sein Aussehen gewohnt, aber ich wußte, daß er einmal, als er besonders bös aus der Rolle gefallen war, seinen Job tatsächlich nur behalten hatte, weil die weiblichen Zuschauer so von ihm schwärmten. Erstaunlicherweise war der schöne Kris bei Männern jedoch genauso beliebt, und das führte ich darauf zurück, daß er ihnen aus seiner manisch-depressiven Bandbreite heraus eine etwas abgedrehte Freundschaft ohne sexuellen Beigeschmack anbot. Sein Verhältnis zu mir ähnelte dem eines Expeditionsleiters, der genau wußte: Was immer auch Schlimmes passierte, das Basislager war für ihn da.

Kris gab dem seltsamen Abend auf Cayman eine unbeschwert-verrückte Leichtigkeit, aber Robins Bitte, das Ca-pe-Canaveral-Gedicht noch einmal vorzutragen, wies er zurück; nach dem Grund gefragt, erwiderte er, die Verse seien in einer depressiven Stimmung entstanden und sollten dort bleiben.

Ich sah, wie Robin Kris nachdenklich musterte. Robin hatte hier nicht nur einen guten Amateurpiloten, er hatte sich einen sehr prominenten Engländer geholt, und ich hätte gern gewußt, ob diese Prominenz ein kalkulierter oder zufälliger Bestandteil seiner noch immer nicht offengelegten Planung war.

Am anderen Morgen um halb sieben war Odin eindeutig als Hurrikan der Kategorie 4 eingestuft worden und zog mit gerade einmal zehn Kilometern die Stunde nach Nordwesten.

Wenn er den Kurs genau beibehielt, würde er in ein oder zwei Tagen auf das Haus von Michael und Amy treffen, mit vielen hundert Tonnen Sand und Wasser durch den hellen Raum fegen und ihren Luxus wegpusten.

Kris stellte sich neben mich, verfolgte das mörderische

Spektakel auf dem Bildschirm und freute sich über die klare Ausprägung des Auges.

«Worauf warten wir?«sagte er,»komm mit. «Seine Augen leuchteten wie bei einem Kind, das sich auf ein Fest freut.»Es fliegen auch noch andere Leute«, fügte er hinzu,»ich muß einen Flugplan einreichen.«

Amy erklärte uns den Weg zum Flughafen. Wir fuhren mit dem orangen Pick-up hin, und unter einer erstaunlich großen Zahl leichter Flugzeuge, die in einem abgeteilten Bereich für allgemeinen Flugverkehr standen, suchte Kris die zweimotorige, propellergetriebene Piper heraus, die Robin gekauft hatte, und gab ihr einen anerkennenden Klaps.

«Setz dich schon mal rein in das schöne Ding«, schlug Kris vor,»und ich mach den Flugplan auf. Dauert nicht lange.«

«Haben wir eine Karte?«fragte ich.

Er schloß mit dem Rücken zu mir umständlich die Tür auf, drehte sich nach einer Weile um und sagte:»Wir brauchen eigentlich keine normale Karte, sondern die Route zum Auge Odins.«