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Ich hatte vier lange Tage und Nächte Zeit zum Nachdenken gehabt, und dabei war mir vieles klarer geworden. Wenn sie mir erlaubten, mein Spiel zu spielen, würden sie zu dem Schluß kommen, ich sei noch genauso ahnungslos wie an dem Tag, als ich verschüttgegangen war.

Drei der Vermummten setzten sich in Richtung Dorf ab, so daß nur noch zwei ihre unfreundlichen schwarzen Eisen auf mich gerichtet hielten. Die beiden wirkten eigentlich eher nervös als mordlustig und traten verlegen von einem Bein aufs andere; aber nervöse Waffenträger ängstigten mich mehr als solche, die ihr Geschäft verstanden. Ich verhielt mich still und brav und war froh, daß ich nicht in schwerer Schutzkleidung zu schmoren brauchte.

Als die anderen drei schließlich von ihrem Rundgang zurückkehrten, trugen sie den Geigerzähler und den Hefter offen bei sich. Wenn sie meine Kamera an ihrem rindersicheren neuen Aufbewahrungsort hoch oben auf dem Haufen Bauholz entdeckt hatten, behielten sie es für sich.

Alle fünf besprachen sich beim Flugzeug, dann stieg ein neu gebildetes Trio in die Maschine und schloß die Türen hinter sich.

Meine Stimmung sank auf den Nullpunkt, als sie beide Motoren starteten, aber da meine zwei Bewacher mich gleichmütig weiter in Schach hielten, faßte ich mich, so gut es ging, ebenfalls in Geduld, auch wenn ich innerlich schrie. Essen, Schlaf und Schuhe brauchte ich. Auf diesem Inselparadies hatte ich Hunger, Durst, Hitze, Insekten und jede Art Entbehrung ausstehen müssen, und ich war bedenklich nahe daran zu betteln.

Denk an was anderes, sagte ich mir.

Ein leichter Wind blies stetig über die Startbahn zum Dorf hin, doch das Flugzeug rollte zwar in die richtige Richtung, machte aber viel zuwenig Fahrt, um abzuheben. Schließlich blieb es ganz stehen, jemand stieg aus und ging zum Rand der Startbahn, um das felsige Terrain zwischen Landestreifen und Meer zu überblicken. Die Gestalt kehrte um, stieg wieder ein, und die Prozedur des Rollens, Anhaltens und Erkundens wurde mehrmals nacheinander wiederholt.

Mir ging auf, daß sie das Vieh suchten, aber ich dachte nicht daran, ihnen auf die Sprünge zu helfen, obwohl ich es gekonnt hätte. Ich ließ sie anhalten und suchen, anhalten und suchen, anhalten und suchen, bis sie am anderen Ende der Insel fündig wurden, wo die Tiere friedlich im saftigen Gras lagen und wiederkäuten.

Nach einer ausgiebigen Begutachtung der Herde wendete das Flugzeug und hielt wieder an seinem Ausgangspunkt.

Es folgte eine weitere Besprechung, die damit endete, daß zwei meiner Langzeitbewacher nervös auf mich zukamen und einer mit dem Gewehr im Anschlag aufpaßte, während mir der andere zuerst mit einem Tuch die Augen verband und dann mit etwas Schmalerem mir die Hände unangenehm straff auf dem Rücken fesselte.

Ich war versucht, mich mit Worten und Taten zu wehren, hielt das aber für völlig zwecklos und beschwerte mich auch nicht, als man mich unsanft vorwärts stieß, so daß ich ohne etwas zu sehen die Treppe hinauf ins Flugzeug stolperte und hinten auf einen Sitz gedrückt wurde. Die Motoren heulten sofort auf, als hätten sie es eilig, und schon hob sich das Flugzeug in die Luft.

Von der Insel und den vertrauten Ruinen sah ich daher nichts mehr, als ich Trox verließ, aber wenn meine Häscher dachten, ich wüßte nicht, wer sie seien, hatten sich drei von ihnen geirrt.

Bis wir landeten, schätzungsweise fünfunddreißig bis vierzig Minuten später, hatte sich zu meinen Wehwehs noch ein Krampf gesellt, eine Kleinigkeit gemessen daran, daß man mich auch über Bord in das tiefe karibische Meer hätte schmeißen können. Die Maschine rollte nach der Landung noch ein ganzes Stück und wartete dann mit leerlaufenden Motoren, bis die hintere Tür aufging und einige der Passagiere ausstiegen. Danach rollte sie wieder eine Weile und hielt erneut mit laufenden Motoren. Wieder hörte ich die hintere Tür aufgehen, und schwitzend und mit klopfendem Herzen dachte ich, wenn mich der Tod erwartete, dann sicher hier, am Ende einer langen Fahrt nach nirgendwo.

Püffe und Stöße beförderten mich holterdipolter treppab auf steinigen Boden. Dem Ausstieg folgte erst mal keine Kugel ins Gehirn, sondern der Gang durch ein unsichtbares, aber quietschendes Tor in einem rasselnden Zaun. Grobe Hände brachten mich mit einem letzten Stoß aus der Balance, und während ich mich taumelnd wieder aufrichtete, hörte ich das quietschende Tor hinter mir ins Schloß fallen und begriff mit kolossaler Erleichterung, daß man mich definitiv lebend auf freien Fuß gesetzt hatte.

Ich schluckte, schauderte, mir war schlecht. Das Flugzeug rollte ins Unbestimmte davon. Ich machte die wenig erstaunliche Feststellung, daß man sich ganz schön blöd vorkommt, wenn man halbnackt mit verbundenen Augen und gefesselten Händen mitten in der Pampa steht.

Nachdem ich eine Zeitlang vergeblich versucht hatte, meine Hände freizubekommen, fragte eine Stimme neben mir verwundert:»Was machen Sie hier draußen, Mann?«, und ich antwortete heiser, mit eingerosteten Stimmbändern:

«Wenn Sie mich losbinden, erklär ich’s Ihnen.«

Er war groß, schwarz und lachte über meine mißliche Lage, als er mir das weiße Dreieckstuch abnahm, das um meinen Kopf geschlungen war.

«Das sind mehr Verbände, als Sie brauchen, Mann«, meinte er vergnügt.»Wer hat Sie denn da aufgezäumt wie ein Brathähnchen? Ihre Alte, hm?«Mit kräftigen Fingern befreite er meine Handgelenke aus den Binden.»Wo sind Ihre Schuhe, Mann?«fragte er.»Ihre Füße haben geblutet.«

Er sah das Ganze als einen Witz an.

Ich lächelte steif zurück und fragte, wo ich sei. Es war Abend, fast Nacht. In der Ferne überall Lichter.

«Auf der Crewe Road natürlich. Wo kommen Sie denn her?«

«Von Trox«, sagte ich ohne Betonung.

Ein Stirnrunzeln verdrängte das Lachen.»Das soll der Hurrikan ausradiert haben.«

Ich stand im Gras am Rand einer Straße, die am Maschendrahtzaun eines mittelgroßen Verkehrsflughafens entlangführte. Als ich meinen lachfreudigen Retter fragte, ob wir auf Jamaika oder auf Grand Cayman seien, meinte er gutgelaunt, wir ständen vor dem Owen Roberts Airport, Mann, auf Cayman. Da sei der Hurrikan ja gottlob drunter vorbeigezogen. Er selbst stamme aus Jamaika, aber die Crewe Road sei in Georgetown auf Grand Cayman.

Natürlich hätte er zu gern gewußt, wie ich in die Lage gekommen war, in der er mich gefunden hatte, aber er sah ein, daß ich, wenn ich überfallen worden war und völlig mittellos und ohne Kleider dastand, vor allem einmal ein Transportmittel brauchte, und bot mir an, mich in seines Schwagers Jeep, von dem aus er mich hilflos an der Crewe Road hatte stehen sehen, mitzunehmen — wo ich denn hinwollte?

Zu Michael Ford, sagte ich, falls er den Weg dahin kenne, und er zuckte die Achseln und fuhr mich längst nicht mehr so herzlich, eher schon mißbilligend zu Fords Adresse und nickte nur mit dem Kopf, als ich am Tor ausstieg und mich vielmals für seine Freundlichkeit bedankte. Er drückte mir die Binden in die Hände, sagte:»Die Leute sind nicht gut«, und fuhr davon, als bedaure er, überhaupt meinetwegen angehalten zu haben.

Michael und Amy Ford begrüßten mich mit der größten Verblüffung.

«Wir dachten, Sie seien tot…!«

«Kris sagte — «

Kris sagte.

Herzlich bedeuteten sie mir, einzutreten, und führten mich in das Wohnzimmer, das ich schon kannte.

«Kris lebt also?«fragte ich.»Ist das wahr?«

«Natürlich lebt er«, bekräftigte Michael. Er musterte mich im Wohnzimmerlicht.»Mein lieber Mann, wie sehen Sie denn aus!«

Ich schnitt ein Gesicht und fragte, ob meine Kleider und mein Paß noch bei ihnen seien, und zu meiner Erleichterung sagte Amy, sie hätten die Sachen noch nicht nach England geschickt.