Выбрать главу

Kleinlaut gab ich ihnen recht. Will zahlte mir meine Ironie doppelt zurück und führte mir reuig Zerknirschtem vor Augen, wieso die Sturmforscher sich noch immer wegen Odin sorgten, der nach einem neuerlichen Schwenk jetzt von der Karibik ganz langsam in den Golf von Mexiko vordrang und mittlerweile von fern schon Galveston in Texas bedrohte. Der warme Golfstrom kurbelte die Kreisbewegung wieder gefährlich an. Weder Will noch ich verstanden, wie ich die Gewalt der turmhohen Sturzseen überstehen konnte.

Als ich ihm vorschlug, zur Feier des Tages etwas trinken zu gehen, sagte Will mit einem Blick auf seine Armbanduhr, er habe sowieso ein Treffen mit jemandem arrangiert, der mich interessieren könnte, und als wir dann unter dem rot-blauen Sonnenschirm eines Straßencafes saßen, gesellte sich eine bärtige, hochaufgeschossene Figur um die Sechzig zu uns, versetzte Will einen deftigen Schlag ins Kreuz, stellte sich mir als Unwin vor und fragte:»Was wollen Sie denn über Trox wissen?«

Überrumpelt sagte ich erst einmal unentschlossen:

«Ehm…«, und dann, dankbar:»Eigentlich alles, was Sie mir sagen können.«

Vierzig Minuten könnten wir reden, meinte er. Er hatte für ein Buch über Trox recherchiert, aber kein Verleger interessierte sich dafür. Als Pilot der Dakota, einer alten DC 3, die allwöchentlich den dreißig oder mehr Bewohnern frische Lebensmittel anlieferte, war er oft selbst auf der Insel gewesen.

Die Bewohner, sagte er, waren hauptsächlich die Meteorologen und Seismologen, die ihn angeheuert hatten, sowie Pilzzüchter, Holz- und Kokoshändler, und früher einmal hatte auch der Handel mit Guano floriert. Noch heute, sagte er, gab es auf Trox Tausende von Guano produzie-renden Tölpeln und Hunderttausende von faulenzenden Echsen. Die Insel sei einst Anlaufstelle für amerikanische Geheimagenten gewesen, auch wenn die CIA das jetzt bestreite. Deshalb sei damals die Landebahn gebaut worden, und Trox habe auch eine Funkstation gehabt, die aber vor Jahren schon aufgegeben worden sei.

Ich fragte, wem die Insel gehöre, und Unwin ließ sich viel Zeit mit der Antwort.»Erst war sie britisch, dann amerikanisch«, sagte er schließlich.»Dann hat ein ganzer Strauß südamerikanischer Staaten darauf Anspruch erhoben, aber immer nur für einen bestimmten Zweck, auf Dauer wollte sie keiner, weil kein fließendes Wasser da ist, nur das Regenwasser aus den Zisternen, und kein Strom, seit irgendein Verein den Generator abgestaubt hat. Wie es aussieht, hauen die Leute also jeweils wieder ab, wenn sie mit Trox fertig sind. Lange vor dem Hurrikan Nicky, nicht zu reden von Odin, hat eine Firma namens Unified Trading Company den Laden geschmissen, aber vor ungefähr einem Monat haben sie dann nichtsahnenden Tröpfen wie mir die Tür vor der Nase zugeknallt. «Er grinste und ließ zu meiner Überraschung große gelbe Zähne sehen.»Wenn Sie die Insel haben wollen, brauchen Sie nur hinzuziehen, zu sagen, daß sie Ihnen gehört, und alles, was anrückt, in die Flucht zu schlagen.«

Er unterbrach seine Erzählung, um sich dem kühlen Bier zu widmen, das Will ihm bestellt hatte, und fuhr dann fort, als habe er nur darauf gewartet, die Schleusen zu öffnen.

«Irgendwas war merkwürdig mit den Pilzen. Ein paar Züchter, mit denen ich mich unterhalten habe, meinten nämlich, daß man selbst mit exotischen Pilzen nichts anstellen kann, wenn man sie in so kleiner Menge anbaut. Es hieß, das sei eine Experimentierstation für Pilze, aber die Unified Trading Company hat ihre Arbeiter aus Europa mitgebracht, die Einheimischen wußten also nicht, was da eigentlich abging. Und mit den Kühen war es genauso.«

«Kühe?«fragte Will verwundert.»Was denn für Kühe?«

Unwin der Trox-Experte zeigte wieder die Zähne.»Einmal, als ich da war, wurde am Pier ein Schiff voll Bullen und Kühen ausgeladen, und die sind landein spaziert, durchs Dorf getrampelt und haben sich über die ganze Insel verteilt. Das gab ein Riesentheater mit den Bewohnern, aber die Bullen haben nie jemanden angegriffen oder aufgespießt. Sie haben sich nur gegenseitig aufgespießt und die Kühe gebumst, und nach und nach sind sie zahmer geworden, dazu kamen Kälber, und dann haben sie ihre Zeit hauptsächlich damit verbracht, das Gras auf der Rollbahn kurz zu halten. Weiß der Geier, was Odin mit ihnen angestellt hat. Wahrscheinlich sind sie alle umgekommen.«

Will erinnerte ihn daran, daß ich nach Odin auf der Insel gewesen war, und ich schilderte ihm, wie sich die Rinder bäuchlings am Boden wie ein Teppich zusammengedrängt hatten, um zu überleben. Aber was sollten sie da überhaupt? fragte ich, doch der Experte sagte, das wisse er nicht.

Er brachte das Gespräch auf die Wissenschaftler, die die beiden Bunker erbaut und Seismographen zur Aufzeichnung von Erdbebenwellen aufgestellt hatten und die täglich Ballon- und Radiosonden hatten aufsteigen lassen, um den Luftdruck und die Temperatur in großer Höhe zu messen. Sie kannte er alle namentlich, da er in ihrem Auftrag die Dakota geflogen hatte.

Die Unified Trading Company hatte dann den zweiten Bunker übernommen, und stirnrunzelnd erzählte Unwin, gegen Ende hätten ihm die Bewohner gesagt, daß vor diesem Bunker immer ein bewaffneter Posten stand, so daß außer den Topleuten der Firma niemand hineinkam. Die Topleute wiederum hätten gesagt, solange sie Trox verwalteten, gehöre die Insel ihnen.

«Was für ein Durcheinander«, meinte ich.»Warum sind die Verwalter weg?«

Unwin lehnte sich auf seinem gußeisernen Kaffeehausstuhl zurück und musterte mich unter gesenkten Lidern hervor.

«Etwas hat die Bewohner verängstigt«, sagte er gedehnt.

«Wissen Sie, was?«fragte ich.

Unwin zögerte und sagte dann, man habe ihnen mitgeteilt, die Pilzschuppen seien verstrahlt und ihre Häuser durch aus dem Boden aufsteigendes Radon gefährdet.»Ein Schiff kam zur Evakuierung, und sie haben ihre Habseligkeiten verfrachtet und sind ab nach Grand Cayman, wo die meisten von ihnen Verwandte haben. Das ist mindestens einen Monat her, und soviel ich weiß, ist niemand krank geworden.«

Ich schwieg einen Augenblick und fragte dann:»Haben Sie mal welche von den Topleuten bei dem Bunker gesehen, als Sie dort waren?«

Unwin nickte und trank sein Bier aus. Ich wartete mit unterdrückter Ungeduld, während er eine neue Runde bestellte, aber schließlich erklärte der Quell aller Informationen dann, die Topleute, etwa fünf an der Zahl, hätten sogar abwechselnd selbst Wache gestanden oder vielmehr gesessen, auf einem Stuhl vor dem Eingang des Bunkers nämlich, mit einem Gewehr auf den Knien, und das sei ungefähr eine Woche so gegangen, bis das Fangboot kam und alle nach Cayman brachte.

«Kamen die Unified Trader von Cayman?«fragte ich.

Nach einer Denkpause sagte er:»Einige ja.«

«Und die anderen?«

«Ich weiß es nicht«, war Unwins direkte Antwort.»Bevor die Evakuierung losging, haben sie erst noch einen großen, schweren Pappkarton von Bord geholt und ihn mit einer Art Sackkarre, die sie da oben hatten, zu dem Bunker gefahren — und fragen Sie mich nicht, was in dem Karton war. Ich weiß es nicht. «Er schwieg.»Alle haben zugesehen.«

In dem Karton, dachte ich, war der Tresor gewesen.

«Waren Sie danach noch mal in dem Bunker?«fragte ich.

«Alle sind da rein. Die Trading-Leute haben keinen mehr zurückgehalten, aber was sie in dem Karton angeschleppt hatten, blieb ihr Geheimnis, denn außer dem Seismographen war da nichts zu sehen, und der stand vorher schon drin.«

«Und, ehm… wie sahen die Topleute aus?«

Unwin dachte nach und seufzte.»Sie werden alle so zwischen vierzig und fünfzig gewesen sein. Hatten Baseballmützen auf, waren aber nicht mehr jung. Das ist jetzt drei, vier Wochen her. Ich kann mich nicht erinnern. «Er kippte sein Bier, stand auf und wedelte zum Abschluß der vierzig Minuten mit der Hand.»Nächste Woche fliege ich wieder nach Trox«, sagte er.»Ich soll Leute und Material für den Wiederaufbau der Wetterstation hinbringen.«