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Unsinn, dachte ich. Wegen der kranken Stute hatte Harvey ja seine anderen Pferde von Quigley weggeholt und sie zu ihrem Mann geschickt, zu Loricroft, und daß sie es darauf angelegt hatte, bezweifelte ich.

Überraschend stellte sich durch einen jener Gedankensprünge, die aus dem Nichts Erkenntnis bringen, so klar und deutlich ein Wort in meinem Kopf ein, daß ich mich wunderte, wieso es jetzt erst kam. Das Wort hatte zu einem Briefkopf in dem Hefter auf Trox gehört. Ich hatte gedacht, ich könnte mich nur an Hippostat erinnern, aber jetzt wußte ich, es gab noch eine andere — und wahrscheinlich wichtigere — Adresse, wenn sie auch nicht ganz genau war.

Rennbahn.

Rennbahn Baden-Baden.

Tamtam tata-ramtam.

Rennbahn, auf deutsch.

Ich tat, was ich eine halbe Stunde vorher noch für unmöglich gehalten hätte, ich suchte die Begegnung mit Glenda. Sie war mit ihren Gedanken woanders. Sie stolperte mit ihren heißen Schuhen über meinen Fuß.

Sie sagte» Baden-Baden «vor sich hin, ohne mich zu beachten, aber das änderte sich schlagartig, als ich ihr anbot, nun doch das Wetter einst und jetzt und überall für sie zu erkunden, wann immer sie es wollte.

«Ist das Ihr Ernst?«fragte sie, und Blick, Verstand und Stimme nahmen eine Schärfe an, die zu ihren Glitzerhaaren nicht recht paßte.

«Es geht erst ab Montag«, sagte ich.»Vorher kann ich nicht an den entsprechenden Computer.«

«Bell sagt, Sie sind der Chef vom Regional wetter«, wandte sie ein.»Da haben Sie doch wohl freie Hand. «Ich sagte, ich sei nur der Stellvertreter des Chefs, und behielt für mich, daß ich wegen solcher, wie mir schien, spekulativen Nachforschungen niemanden um einen Gefallen bitten wollte. Mit einem Entschuldigung heischenden Lächeln erklärte ich Glenda wahrheitsgemäß, daß der Zentralrechner sonntags nur lief, wenn es unbedingt sein mußte. Fremdgehenden Ehemännern auf die Spur zu kommen war nicht zwingend notwendig.

«Und warum«, fragte ich ohne Nachdruck,»reist er nach Baden-Baden und an all die anderen Orte?«

«Frauen natürlich! Ich gebe Ihnen die Liste. «Glit-zerglenda war gar nicht so dumm.»Das sind alles Städte mit Rennbahnen«, sagte sie.»Haben Sie vielleicht nicht gewußt.«

«Nein«, gab ich zu.»Alle in Deutschland?«

«Kluges Kerlchen! Nicht alle, aber die meisten.«

«Und Ihr Mann läßt da Pferde laufen?«

«Das sagt er. Dann behauptet er, die Rennen seien wegen Schneefalls ausgefallen, aber glauben Sie mir, es schneit nicht, wenn er sagt, es schneit.«

«Ich prüf das nach«, versprach ich.

Sie langte in ihre Handtasche und gab mir die Liste, die auch Bell von ihr bekommen hatte, und ich warf kurz einen Blick darauf, bevor ich sie einsteckte.

«Baden-Baden«, sagte sie.»Alles Blödsinn.«

Ich stand in dem Augenblick so nah bei ihr, daß ich ihre Alkoholfahne riechen konnte und an der Spitze ihrer steifen Wimpern schwarze Pünktchen sah. Das leuchtende Blondhaar hatte schwarze Wurzeln.

«Ich werde mich von George scheiden lassen«, sagte sie mit jäher, heftiger Entschlossenheit.»Und das geschieht ihm recht.«

Auf einmal hatte ich keine Lust mehr, mich mit den durchgedrehten, destruktiven Damen und Herren Newmarkets auseinanderzusetzen. Ich verbrachte die folgende Stunde beim November-Handicap einfach mit Zuschauen, beobachtete, wie das Räderwerk der unbekannten, bestrickenden Welt des Rennsports funktionierte, und gewann einen kleinen Betrag, als Harveys Pferd, der zweite Favorit, als Dritter einkam.

Ich wußte nicht genau, ob Robin Darcy mir vorsätzlich auswich, aber als wir uns dann über den Weg liefen, sah es ganz nach einem Zufall aus — so wie wenn zwei sich gleichzeitig umdrehen und plötzlich Auge in Auge dastehen.

Wir hatten Stunden Zeit gehabt, uns darauf einzustellen. Wir sagten einander alles, was sich gehörte. Ich beklagte den Verlust seines trefflichen Flugzeugs, ihm war es die Hauptsache, daß Kris und ich noch lebten. Er dankte mir für den Brief, den ich ihm eine halbe Stunde vor meiner Abreise auf dem Flughafen Miami geschrieben hatte. Ich hoffte, er habe auch einen guten Flug gehabt; er sei gestern in Newmarket eingetroffen, vertraute er mir an.

Er war freundlich. Er drückte mir die Hand. Er lud mich ein, ihn und Evelyn jederzeit wieder zu besuchen. Ich hätte ihn gern gefragt:»Wo ist der Hefter? Wann bringen Sie das nächste Schnäppchen an den Mann, das nächste Bombenzubehör?«

In den braunen Augen hinter dem dicken schwarzen Brillengestell spiegelten sich ähnliche Gedanken.»Hat Perry Stuart die Listen in dem Hefter gesehen? Wohl kaum. Wie soll er denn den Tresor aufgekriegt haben? Er hat zwar das Kennwort gehört, Hereford, aber doch ohne jeden Zusammenhang.«

Ich hätte gern gesagt:»Vielen Dank demjenigen von euch, der auf die Idee kam, mir die Augen zu verbinden«, und in seinen Augen las ich:»Sie ahnen nicht, wie knapp Sie einer Kugel entgangen sind.«

Ich hätte gern gewußt, was er zu Kris gesagt hatte… was er von Kris wollte.

Ich wünschte, Robin Darcy wäre ein Verbündeter gewe-sen, nicht ein Feind. Ein kluger Mann… warum machte so jemand den Tod zum Geschäft?

Zu viele kluge Männer machten den Tod zum Geschäft.

Er nickte mir zu und ging eine Ecke weiter, wo Caspar Harvey lauwarmen Beifall für den dritten Platz seines Pferdes im November-Handicap entgegennahm. Nur ein Sieg hätte ihn bei seiner Hauruckeinstellung zum Rennsport zufriedenstellen können, und Oliver Quigley schien mir viel zu riskieren, als er in Caspars Hörweite sagte, mit seinen Trainingsmethoden und seinen Anweisungen für den Jockey würde das Pferd gesiegt haben.

Als Kris und ich nach dem sechsten Rennen zum Landeplatz gingen, um nach Hause zu fliegen, war mein normalerweise wacher Verstand durch die extremen körperlichen Anforderungen der letzten zehn Tage ausgelaugt wie eine leere Batterie. Auf dem benachbarten Parkplatz verabschiedeten wir uns noch ewig lang von den vielen New-marketer Bekannten, und mir fielen schon die Augen zu, als Kris zum Abflug ans Ende der Bahn rollte. Demonstrativ schaltete er von einem Treibstofftank auf den anderen. Ich tat, als bemerkte ich es nicht.

Es war spät im Jahr für Landungen bei Tageslicht, und Kris hatte an diesem Samstag mit einem Bekannten im Kontrollturm von White Waltham vereinbart, daß ihm der Landeanflug gegen fünf, nach Toast und Teezeit, durch an der Rollbahn aufgestellte, batteriebetriebene Lampen erleichtert werden sollte.

Wir waren in der Luft und schon weit südlich von Doncaster, als Kris mich wach rüttelte.

«Entschuldige«, sagte ich gähnend und griff nach der Karte,»wo sind wir?«Es war eben noch hell genug, um die Verkehrswege zu sehen, Straßen, Flüsse und Bahnlinien.

«Ist doch alles in Ordnung«, sagte ich. Er flog sein Ziel immer direkt an.

Aber Kris sagte, seine Sorge sei nicht, er könnte sich verflogen haben, sondern das Öl auf der Windschutzscheibe.

«Was?«fragte ich verständnislos.

«Öl. Auf der Windschutzscheibe. Perry, wach auf!«

Die Intensität der Aufforderung war es, die scharf zu mir durchdrang. Ich wachte auf. Mein Herz machte einen Satz.

Dunkle goldgelbe Fäden liefen über die Windschutzscheibe, es wurden zusehends mehr, und sie breiteten sich von unten nach oben auf dem Glas aus.

Entsetzt begriffen wir beide, was los war. Das heiße Öl, das als Schmiere für die vier dröhnenden Kolben im Motorgehäuse hätte kreisen sollen, kam irgendwie aus dem Motorraum und lief an den Kanten der Motorhaube tropfenweise nach oben und nach hinten, schlug gegen die Windschutzscheibe — und verteilte sich langsam darauf, so daß es dem Piloten effektiv die Sicht nahm.

Das Öl selbst war nicht die schwarzbraune, schmutzige alte Soße, zu der es wird, wenn es viele Flugstunden lang durch den Motor läuft. Kris pflegte sein Prachtstück, und er wechselte das Öl regelmäßig. Die Bescherung auf der Windschutzscheibe stammte von dem Öl, das er erst vor dem Lunchausflug nach Newmarket frisch eingefüllt hatte.