Eine auf einer Insel isolierte Herde von Tieren, die sich nur untereinander paarten… Plötzlich lagen Sinn und Zweck der Rinder auf Trox klar auf der Hand.
«Über Paratuberkulose beim Menschen ist nur wenig bekannt«, sagte der Inder vergnügt.»Wenn Sie wollen, bringe ich Ihnen ein paar Infohefte. Dafür könnten Sie mir vielleicht erzählen, wo ich diese Kühe finde.«
«Danke… ja, okay. Wann kann ich hier raus?«
Er sah auf seine Uhr, zerschlug aber meine Hoffnungen.
«Sonntag«, sagte er.»Vielleicht. Vor Sonntag früh sind meine Tests nicht schlüssig, und dabei forciere ich das schon. «Er lächelte ein wenig.»Ich gedenke meine Ergebnisse zu veröffentlichen. Bis es soweit ist, werde ich meine Befunde streng unter Verschluß halten, und sogar Sie, fürchte ich, werden alles erst genau erfahren, wenn mein Buch erscheint.«
«Wollen Sie damit sagen«, fragte ich langsam,»daß Sie Ihre Erkenntnisse erst einmal in einem Tresor verwahren?«
«Natürlich. In der Forschung herrscht ein wilder Wettstreit. Ich kann mir meinen Knüller doch nicht von der Konkurrenz wegschnappen lassen, oder?«
Das Wort» Knüller «kam ihm humorvoll über die Lippen, es erklärte aber den Zweck des Tresors auf Trox. Die aus der Versuchsherde gewonnenen Erkenntnisse konnten Ruhm und Anerkennung fürs ganze Leben bedeuten. Ich war diesen Kühen dankbar gewesen. Zu spät, mir zu wünschen, ich wäre verhungert.
«Bin ich noch ansteckend für andere?«fragte ich.
Diesmal antwortete er nicht so schnell.»Tja, wenn wir das wüßten. Bei Rindern überträgt sich die Johnesche Krankheit, von der Sie eine Variante haben, nur durch den Verzehr von Kot oder infizierter Milch. «Er grinste breit.
«Da dürften Sie aus dem Schneider sein. Man kann Sie besuchen, ohne einen Mundschutz zu tragen.«
Jett kam oft und brachte als Geschenk meiner Großmutter meistens ein Buch mit, das man gut lesen konnte, wenn man im Rollstuhl oder im Bett saß, sich bei einem GinTonic entspannte oder Rippenbrüche auskurierte. Ich war auf den Beinen und konnte in gepflegter Umgebung herumlaufen, und doch bekam ich von Mittwoch bis Sonntag ein ungefähres Bild von der eingeschränkten Lebensweise meiner Großmutter.
Am Donnerstag sprach ich mit ihr am Telefon, und ich schickte ihr eine Schale Christrosen und ein Parfumspray.
Freitag früh riefen Arbeitskollegen an, um mich zur bal-destmöglichen Rückkehr zu drängen, da ich offenbar im großen Preisausschreiben des Wetteramts in Bracknell mit dem Tip, am 1. September würde dort auf dem Dach die höchste Temperatur des Jahres gemessen, richtig gelegen hatte und sie den ausgeschriebenen Preis, eine Flasche Schampus, mit mir teilen wollten.
Kaum hatte ich lächelnd aufgelegt, als auch schon der nächste Anruf kam und eine hocherregte, kaum zu verstehende Bell mir eine Katastrophe ersten Ranges in die Ohren schrie.
«Beruhige dich, liebste Bell«, bat ich und hoffte, daß von dem, was sie mir gerade ziemlich hysterisch erzählt hatte, höchstens die Hälfte stimmte.»Was war das mit Glenda?«
«Hab ich doch gesagt«, fuhr sie auf.»Hörst du denn nicht zu? Kris ist außer sich. Sie hat ihm die Züge geklaut.«
«Bell! Beruhige dich.«
«Sie hat sich vor einen Zug geworfen. «Die Worte kamen immer noch hervorgesprudelt.
«Glenda?«
«Natürlich Glenda. Sei doch nicht so schwer von Begriff. Vor eine U-Bahn. Vergangene Nacht. Heute morgen war die Polizei hier. Sie muß schrecklich… sie ist tot. Die Polizei ist noch nicht lange weg.«
Bell schluckte wiederholt, um die Worte herauszubringen, weinte aber dennoch.»Ich habe mit Dad gesprochen.«
«Bell…«Endlich ging mir ein, was sie sagte, und ich war bestürzt.»Wo bist du? Ist jemand bei dir? Kris? Jett könnte zu dir kommen. Ich kann auch kommen.«
«Nein, kannst du nicht, du bist im Krankenhaus. Glenda hat am Mittwoch auf dem ganzen Weg nach London her-umgejammert, und ehrlich gesagt, ich war sie leid — Herrgott…«Sie schluckte, aber die Tränen hörten nicht auf.»Ich wünschte, ich wäre netter zu ihr gewesen, aber ich konnte sie nie so richtig leiden… Ich habe mich bemüht, solange ich bei George war, habe mich aber schon nach einer anderen Stelle umgesehen — aber das ist erst die halbe Geschichte, und was jetzt kommt, ist noch schlimmer.«
Viel schlimmer konnte es nicht kommen, dachte ich, und natürlich lag ich falsch.
Bell sagte:»Glenda hat unentwegt geschimpft, George sei ein Verräter. Sie habe es nicht ertragen können, mit einem Verräter verheiratet zu sein. Sie hätte dir alles erzählt, sagte sie, und du wüßtest, daß es stimmt — und sie würde vor Scham vergehen, wenn es zum Prozeß käme. Mit der Schmach könne sie nicht leben… und ich dachte… ich dachte, sie übertreibt. Du weißt ja, wie sie immer plappert und mit den Armen fuchtelt… ach herrje. Herrje.«
Ich hatte bei Kris daheim mehrmals vergeblich angerufen, deshalb fragte ich in die nächsten Schluchzer hinein noch einmaclass="underline" »Bell, wo bist du jetzt?«
«In deiner Mansarde. «Sachlich festgestellt, als hätte ich von selbst darauf kommen können.»Gestern abend sind wir hergefahren. Kris hatte einen Schlüssel«, setzte sie hinzu.»Er meinte, du hättest nichts dagegen. Wir waren so bedient von Glenda und ihrer Schimpferei, daß wir, als sie endlich verschwand, schnell zu dir sind, um von ihr wegzukommen, und natürlich hätten wir uns nicht träumen lassen.«
Das hemmungslose Schluchzen, dachte ich, enthielt vielleicht auch ein gewisses Schuldbewußtsein.
«Als Glenda bei euch war«, sagte ich,»konntet ihr da nichts tun, damit sie das mit George etwas gelassener hätte sehen können?«
«Perry«, Bells Stimme am Telefon war ein Jammerschrei,»du verstehst nicht. Die Newmarketer Polizei wollte George von Glendas Tod benachrichtigen. Sie hat ein paar Leute hingeschickt, aber nicht, um ihn zu verhaften. Die sind nur wegen Glenda hin. «Bell verfiel in ein Schweigen, das keine Tränen mehr zuließ.
«Und?«fragte ich.»Was hat George gesagt?«
«Er war tot«, erwiderte Bell.
«Tot?«
«Er lag oben in seinem Zimmer«, stieß Bell hervor.»Er hatte einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Sein Schädel war eingedrückt. Die Polizei kam dann zu Dad, weil ich bei George angestellt war, und sagte ihm, daß George tot sei…«Sie weinte.»Dad sagte der Polizei, sie sollten uns hier suchen, weil ich nicht bei Kris war…«
«Soll das heißen«, fragte ich rundheraus,»als Glenda in Newmarket in ihrer Küche saß und Jett und mir erzählt hat, wie die Stute durch sie strahlenkrank geworden war, lag George tot im oberen Stockwerk?«
«Ja. «In Bells Kummer schwang eine gehörige Portion Entsetzen mit.»Es sieht ganz so aus. Als du und Jett zu dem Forschungsinstitut gefahren seid und ich nach Hause bin, um zu packen, hatten sie eine Mordswut aufeinander… In der Zeit, als wir nicht da waren, muß sie ihn umgebracht haben. Dann hat sie ein paar Sachen gepackt, ist runter und hat auf uns gewartet. «Bell bekam ihre Stimme noch immer nicht ganz unter Kontrolle.»Kris nimmt an, sie habe George gesagt, sie würde nach oben gehen und ihre Sachen packen, denn sie werde ihn verlassen und seine Urangeschäfte publik machen, und er ist dann hinter ihr her, um sie aufzuhalten.«
Man konnte sich vorstellen, wie sich George wutentbrannt über Glendas Koffer beugte, um ihn auszuräumen… und man konnte sich vorstellen, wie Glenda nach einem schweren Gegenstand griff…
«Womit hat sie ihn erschlagen?«fragte ich.
«Das weiß ich nicht. Mensch, Perry, was liegt daran? Ich kenn ihr Schlafzimmer kaum… sie haben eine schwere Messinguhr… modern…«Ihre Stimme versagte, und Jett wäre sicher der Meinung gewesen, sie brauche ein Beruhigungsmittel, oder besser noch jemanden, der sie in den Arm nahm.
«Ist Kris jetzt bei dir?«fragte ich.
«Er kauft was zu essen.«
«Dann iß auch was.«