Evelyn Darcy mit ihrer dreireihigen Perlenkette und dem schwarzen Kleid hatte nicht nur zu viel Spray im silbergrauen Haar, sondern war auch entschieden zu neugierig, um sich mit Fragen zurückzuhalten. Sie wollte wissen — und tat es lautstark kund —, ob Kris und ich uns mit unseren vielen Fernsehauftritten eine goldene Nase verdienten. Sonst könne sich Kris doch wohl kein Flugzeug leisten.
Alle hörten sie. Kris, auf der anderen Raumseite, schüttelte sich vor Lachen, zwinkerte mir zu und antwortete ihr noch lauter:»Wir sind im öffentlichen Dienst. Wir kriegen Beamtengehälter. Ihr bezahlt uns — und das langt kaum, um den Kondombedarf zu decken.«
Die Reaktionen auf diese intime und unzutreffende Enthüllung reichten von Gelächter unter den Gästen bis zu Abneigung und Verlegenheit. Ich aß friedlich mein Moorhuhn. Wenn man mit Kris befreundet war, mußte man sich mit dem ganzen Kris abfinden. Er hätte viel Schlimmeres sagen können. Hatte er mitunter auch schon.
Evelyn Darcy gefiel es zu plaudern. Robin saß mit Duldermiene neben ihr. George Loricroft, der Dauerunterdrücker seiner Frau, fragte mich, ob wir wirklich Beamtengehälter bekämen, und ich bestätigte es ihm und meinte, warum auch nicht, schließlich dienten wir ja der Öffentlichkeit.
Hier schob dann Oliver Quigley einen Stuhl in die viel zu schmale Lücke zwischen Evelyn und mir und legte ein Benehmen an den Tag, als sei ihm die Militärpolizei wegen unsäglicher Verbrechen auf den Fersen. Entspannte sich der Mann denn niemals?
«Ich wollte Ihnen noch sagen«, stammelte er mir mehr oder weniger ins Essen,»daß ich gestern ein Angebot von so einem neuen Verein im Briefkasten hatte, da kann man… ehm, also ich meine, es lohnt sich, das mal zu versuchen, denke ich.«
«Was für ein Angebot?«fragte ich ohne sonderliches Interesse, als ihm die Worte ausgingen.
«Na ja… also… für einen persönlichen Wetterbericht.«
«Von einer Privatfirma?«fragte ich.»Meinen Sie das?«
«Hm… ja. Man schreibt… ehm, per E-Mail natürlich, für welchen Ort und welche Zeit man wissen möchte, wie das Wetter wird, und bekommt sofort die Antwort.«
«Faszinierend«, meinte ich trocken.
«Haben Sie noch nichts davon gehört? Das ist doch Konkurrenz für Sie, oder?«
Wäre er mutiger gewesen, hätte man ihm Sarkasmus unterstellen können. So aber aß ich das ausgezeichnete Moorhuhn mit den Croutons auf und lächelte, statt mich zu ärgern.
«Nehmen Sie die ruhig in Anspruch, Mr. Quigley«, sagte ich.»Kein Problem.«
«Jetzt bin ich aber platt!«rief er aus.»Ich meine… stört Sie das denn nicht?«
«Nicht im geringsten.«
Robin Darcy beugte sich vor und fragte mich an seiner Frau und dem zittrigen Trainer vorbei:»Wieviel berechnen Sie Mr. Quigley für die Empfehlung, Caspars Stute am Freitag laufen zu lassen?«
Oliver Quigley war vielleicht nervös, aber nicht dumm. Er hörte zu und begriff. Er machte den Mund auf und zu, und ich wußte, er würde sich auch weiterhin zuverlässige Auskunft bei mir holen, für die er nichts zu zahlen brauchte.
Robin Darcy fragte mich mit scheinbar ungespieltem Interesse, wann ich angefangen hätte, mich für das Wetter zu interessieren, und ich erklärte ihm wie hundert anderen vorher, daß ich schon mit sechs Jahren die Wolken beobachtet und mir nie ein anderes Leben gewünscht hatte.
Seine Freundlichkeit, dachte ich, beruhte auf der Überzeugung von seiner geistigen Überlegenheit. Ich hatte längst gelernt, solche Überzeugungen unangetastet zu lassen, und war als Folge davon einige Male befördert worden. Nur mir selbst gestand ich ein, welch ein beklagenswerter Zynismus dahinterstand. Aber ich war auch bescheiden genug, mir einzugestehen, wenn mir jemand wirklich überlegen war. Ich lächelte Robin Darcy ein wenig an und konnte mir nicht darüber klarwerden, wie klug oder wie stark er war.
Evelyn fragte:»Wo haben Sie denn Meteorologie gelernt? Ist das ein besonderer Studiengang?«
Ich sagte:»Im Regen stehen nennt sich das.«
Kris, wieder auf dem Weg zum Büfett, hörte sowohl die Frage als auch die Antwort und rief Evelyn über die Schulter zu:»Lassen Sie sich nichts aufbinden. Er ist Physiker. Dr. Perry Stuart, jawohl.«
Robin gähnte und kniff die kurzsichtigen Augen zu, aber irgendwo in dem scharfen Verstand hatte es klick gemacht. Ich hatte es gesehen und gespürt, und ich verstand nicht recht, warum er es verbergen wollte.
Oliver Quigley beeilte sich, mir zu versichern, daß er mich mit der Überlegung, ein anderer Wetterdienst sei vielleicht besser, nicht hatte beleidigen wollen, obwohl es vielleicht so geklungen habe. Im Gegensatz zu mir schien ihn das heftig zu beunruhigen. Hätte Oliver Quigley sein zerschlissenes Nervenkostüm genommen und es jemand anderem vor die Füße gelegt, wäre ich entzückt gewesen.
Caspar Harvey spielte tadellos den netten Hausherrn, um bei seinen Gästen in guter Erinnerung zu bleiben, kam zu mir an den Tisch, nahm mich ins Schlepptau, machte mich reihum bekannt und bat alle, sich von mir fotografieren zu lassen. Die Abgeneigten wurden überstimmt: Caspar schenkte Glühwein nach und bekam seinen Willen.
Ich lichtete Quigley und Loricroft zusammen ab, als die beiden Trainer sich noch eine Portion knusprige Röstkartoffeln nahmen und kurz übers Geschäft plauderten. Erst schnappte ich einen Satzfetzen von Quigley auf —»er zahlt nie pünktlich«- und dann von Loricroft —»ist mein Pferd in Baden-Baden am Start behindert worden«.
Loricrofts großbusige Frau vertraute ihren Tischnachbarn stolz an:»George fährt oft nach Deutschland und holt Siege heim, stimmt’s, George?«Aber Loricroft ließ ihre Begeisterung ins Leere laufen, verbesserte das» oft «durch» ein einziges Mal «in der letzten Saison.»In Frankreich gewinne ich viel mehr Rennen, aber es wäre zuviel verlangt, daß meine liebe Frau das klarkriegt.«
Er blickte Beifall heischend in die Runde und lächelte selbstgefällig. Ich fand Glenda schon schwer auszuhalten, ihren lieben George aber unerträglich.
Dem ausgezeichneten Lunch folgten Kaffee und bekömmlicher Portwein, und allmählich brachen die Gäste auf. Kris und ich mußten aber erst zu der Cherokee gebracht werden, und Bell war nirgends zu sehen.
Caspar Harvey selbst machte meiner unentschlossenen Warterei ein Ende, indem er sich vor mich hinstellte und auffordernd sagte:»Wenn Sie schon in Newmarket sind, können Sie genausogut mal einen Blick auf meine Stute werfen. Und sie fotografieren. Dann wissen Sie auch, was am Freitag auf dem Spiel steht.«
Er zupfte mich am Ärmel, so daß es direkt unhöflich gewesen wäre, mich zu weigern. Es sprach auch nichts dagegen, daß ich mir die Stute ansah, schon gar nicht nach einer solchen Bewirtung, außer daß es für Kris, der noch im Hellen zurückfliegen wollte, eng werden konnte.
Nicht die Zeit machte Kris zu schaffen, sondern die Erkenntnis, daß von ihm erwartet wurde, wieder mit Bell in dem Landrover zu fahren. Es gab keinen zwingenden Grund, warum fünf Personen mit drei Autos zu der Stute fahren mußten, aber Caspar Harvey wollte es offensichtlich so, und nachdem er Oliver Quigley mit einem herzlichen» bis gleich «verabschiedet hatte, bekam er seinen Willen.
Er fuhr hinter Quigleys hellblauem Volvo zum Tor hinaus und überließ es seiner Tochter, mit Kris in dem Landrover nachzukommen.
Da es nur eine Fahrt von knapp zehn Kilometern war, kam Caspar Harvey ohne Umschweife auf das zu sprechen, was er auf dem Herzen hatte.
«Wie labil ist Ihr Freund Kris?«
«Hm…«:, wich ich aus.
«Ich möchte ihn nicht zum Schwiegersohn«, erklärte er.
«Im Moment«, sagte ich,»können Sie da ziemlich beruhigt sein.«
«Unsinn! Das Mädchen ist in ihn vernarrt. Vor einem Jahr haben sie sich furchtbar gestritten, und ich muß sagen, da war mir gleich wohler. Nicht, daß er kein erstklassiger Meteorologe wäre; das ist er. Ich halte mich an seine