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«Bleib weg von Newmarket, Perry, da wimmelt es von Schurken. «Sie sagte das ohne Vorbedacht, und es schien fast, als ob ihre Worte sie selbst überraschten.

«Newmarket ist aber ziemlich groß«, meinte ich freundlich.»Von wem genau soll ich mich denn fernhalten?«

«Bleib von der Stute weg.«

«Okay«, sagte ich obenhin, ohne das wirklich ernst zu meinen.

Soweit ich mich erinnern konnte, war sie selbst nur ein einziges Mal in Newmarket gewesen, und zwar vor Jahren, als sie für eine Illustrierte eine Artikelserie schrieb über vergnügliche Möglichkeiten, an freien Tagen Zeit und Geld zu verschwenden. Danach hatte sie Newmarket im Geiste mit» da war ich, das kenn ich «abgehakt, und wie sie oft sagte, war das Leben zu kurz, um den gleichen Weg zweimal zu nehmen.

«Was ist denn dabei, wenn ich mir die Stute ansehe?«fragte ich.

«Genau darum geht’s. Egal, was mit der Stute ist, laß die Finger davon.«

Sie zog allerdings die Stirn in Falten, und ich nahm an, sie wußte selbst nicht genau, was sie sagen wollte. Viel schlimmer als nicht mehr laufen zu können wäre es für sie gewesen, ihren Durchblick zu verlieren, und ich wagte nicht zu entscheiden, ob ihre Bemerkung über die Stute nun scharfsinnig oder bloß sinnlos dahergeredet war.

Jett van Els konnte mit dem Dialog wenig anfangen, da Pferde sie nicht interessierten. Sie klopfte die Kissen im Rücken ihrer Patientin zurecht und bewies mit jeder fließenden Bewegung das Geschick einer guten Krankenschwester. Trotz ihres ausländischen Namens wirkte sie sehr englisch und redete auch so; ganz der Typ Frau, für den ich einmal eine Industriellentochter hatte sausen lassen, nur um selbst den Laufpaß zu bekommen, als sich bei ihr das tolle Gefühl, in prominenter Begleitung auszugehen, abgenutzt hatte. Das Leben fing an, wenn der Bildschirm erlosch.

Jett van Els sagte gelassen, für Mrs. Mevagissey werde es Fischpastete mit Petersiliensauce zu Abend geben; ob ich bleiben wolle.

Mrs. Mevagissey war meine Großmutter.

«Nein, er bleibt nicht«, antwortete sie friedlich.»Aber nach meiner bisherigen Erfahrung kann es sein, daß er Sie in ein, zwei Wochen zu einem Sandwich in ein Pub einlädt.«

«Oma!«protestierte ich.

«Ich freu mich doch«, meinte sie wahrheitsgemäß.»Also ab mit dir, und morgen seh ich dich im Fernsehen.«

Wenn sie mich darum bat, ging ich immer, um sie nicht zu erschöpfen, und diesmal verfolgte mich im Weggehen der freundliche und belustigte Blick der braunen Van-Els-Augen, die mir bedeuteten, daß ich mein Sandwich vielleicht bekam, wenn ich fragte.

Mrs. Mevagissey kannte mich eine Spur zu gut, dachte ich.

Freitag saß ich im Wetterstudio und sah zu, wie die Berichte aus aller Welt eingingen. Der anhaltende Landwind von Osten löste sich zwar auf, aber der Rasen in Newmarket wäre dennoch am Nachmittag trocken und für Harveys Stute vorteilhaft gewesen, wenn sie hätte antreten können.

Bell wußte wenig Erfreuliches zu melden. Die rührigen Nachrichtenjäger des Rennbetriebs hatten die Stute fürs Wochenende zurückgestellt, um über die Rennen selbst zu berichten, und am Montag würde das kranke Pferd, so es überhaupt Erwähnung fand, nur noch Nebensache sein. Über den Transfer der anderen Pferde von Quigley zu Lo-ricroft in der gleichen Straße gab es eine kurze Notiz; zu Bells Antritt als Trainerassistentin bei Loricroft gab es ein Foto — nicht von Loricroft, nicht von Harvey, nicht von den Pferden, sondern von Bell. Sie war hübsch anzusehen.

Der arme Oliver Quigley behelligte mich nicht mehr zweimal täglich am Telefon; einen einzigen kläglichen Anruf bekam ich noch von ihm, da konnte er kaum sprechen, er unterdrückte seine Erregung nur sehr mühsam und war nervöser denn je.

Aber trotz der anstehenden beiden Spitzenrennen für zweijährige Hengste — das Dewhurst und das Middle Park Stakes — und des Cheveley Park Stakes für die Stuten gab es für mich Wichtigeres als den Rennsport.

Die Winde rund um den Globus waren wie gewohnt um diese Jahreszeit zunehmend in Aufruhr, im Pazifik bedrohte ein ausgewachsener Hurrikan die kalifornische Südwestküste, und auf den Philippinen hatte ein über die Inseln ziehender verheerender Taifun Menschenleben gefordert. Japan wurde von ungeheuren Tsunamis — durch Seebeben ausgelöste Flutwellen — heimgesucht.

Im Atlantik waren für dieses Jahr bisher dreizehn Hurrikane und kleinere tropische Sturmtiefs gezählt worden, wobei die wirbelsturmträchtigsten Herbstwochen wahrscheinlich noch bevorstanden; und obwohl massive Stö-rungen von Orkanstärke nur selten die Britischen Inseln erreichten, es sei denn als verfallende Starkregensysteme, waren sie für uns wie für alle Meteorologen auf der Welt von größtem Interesse.

Zwei Wochen nach Caspar Harveys Lunch bildete sich der vierzehnte zyklonische Wolkenwirbel des Jahres vor der westafrikanischen Küste und überquerte etwas nördlich des Äquators den Atlantik. Die drei wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung eines echten Hurrikans waren gegeben, nämlich erstens eine Meeresoberflächentemperatur von mehr als sechsundzwanzig Grad, zweitens der Zusammenfluß heißer tropischer Luft mit vom Meer kommender feuchter Äquatorluft und drittens Winde, die hervorgerufen wurden durch die aufsteigende feuchte Warmluft und von unten nachdrängende Kaltluft. Die Co-riolis-Kraft hielt die nachströmenden Winde in kreiselnder Bewegung, und die Meereswärme verdichtete die wirbelnden Luftmassen.

Der Jahre im voraus für den vierzehnten Sturm dieser Saison festgelegte Name war Nicky.

Kris beobachtete mürrisch, wie Nicky sich entwickelte.

«Sie zieht westwärts, direkt auf Florida zu«, maulte er,»und das auch noch mit über dreißig Kilometern die Stunde.«

«Ich dachte, das interessiert dich«, sagte ich.

«Klar interessiert mich das, aber sie kommt doch vor mir an. Ich fliege ja erst übermorgen.«

«Sie bekommt langsam Profil«, meinte ich und nickte.

«Die Bodenwinde kreisen schon mit über hundertzwanzig Stundenkilometern.«

Kris sagte:»Ich wollte schon immer mal durch einen Hurrikan fliegen. «Er schwieg.»Als Pilot, meine ich.«

Ich hörte die leidenschaftliche Begeisterung in seiner Stimme; er plauderte nicht nur so daher.

«Es gibt Leute, die das machen«, sagte er ernst.

«Verrückt«, meinte ich. Dabei reizte es mich selber, sogar sehr.

«Stell dir das mal vor!«Seine hellen Augen glänzten vor wachsender Erregung.»Und erzähl mir nicht, daß dich das kalt läßt. Wer von uns wollte denn unbedingt zu dem Wettbewerb im Brandungsreiten nach Nordcornwall? Wer steht aufrecht auf dem Surfbrett? Wer betreibt da Tuberiding?«

«Das kannst du nicht vergleichen. Das ist völlig ungefährlich.«

«Ach ja?«

«So gut wie.«

«Ich flieg dich auch sicher durch den Hurrikan Nicky.«

Zu seiner großen Enttäuschung kam er jedoch nicht dazu. Nicky entwickelte sich zwar zu einem Hurrikan der Kategorie 3 auf der Saffir-Simpson-Skala, mit Windgeschwindigkeiten zwischen 180 und 210 Stundenkilometern, wartete aber erstens nicht, bis Kris in die Staaten kam, und drehte zweitens nach Norden ab, bevor er die amerikanische Küste erreichte, und verwehte harmlos über dem kalten Wasser des Nordatlantiks.

Kris flog dennoch nach Florida, nun vor allem, um sich die Raketen in Cape Canaveral anzusehen, besuchte aber auch das National Hurricane Tracking Center in Miami, doch zu seinem Leidwesen brauten sich in ihrer Hauptbrutstätte westlich von Afrika keinerlei Stürme zusammen.

In der ersten, sonst ereignislosen Woche dort faxte er mir, daß er jetzt wie vereinbart ein paar Tage bei den Leu-ten verbringe, die wir auf Caspar Harveys Lunchparty kennengelernt hätten.

Ich wußte zuerst gar nicht, wen er meinte. Das Essen selbst war mir kaum noch gegenwärtig, ganz verblaßt neben der vergifteten Stute, aber als ich mein Gedächtnis durchforstete, fielen mir dann doch die Darcys ein, Robin der Kopf und Evelyn die Perlen.