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»Die Batterien aktivieren sich automatisch«, fuhr Vittoria fort. »Sobald die Energieversorgung unterbrochen wird. Sie reichen für vierundzwanzig Stunden. Wie ein Reservetank.« Sie wandte sich zu Langdon um, als hätte sie sein Unbehagen gespürt. »Antimaterie besitzt ein paar ganz und gar erstaunliche Eigenschaften, Mr. Langdon, die sie äußerst gefährlich machen. Eine Probe von zehn Milligramm - so groß wie ein Sandkorn -enthält der Theorie nach genauso viel Energie wie zweihundert Tonnen konventioneller Raketentreibstoff.«

Langdons Verstand geriet erneut ins Rotieren.

»Antimaterie ist die Energiequelle von morgen. Tausend Mal wirksamer als Nuklearenergie. Einhundert Prozent Effizienz. Keine Nebenprodukte. Keine Strahlung. Keine

Umweltverschmutzung. Ein paar Gramm Antimaterie reichen aus, um eine Großstadt eine Woche lang mit Energie zu versorgen.«

Ein paar Gramm? Langdon wich erschrocken von den Pfeilern zurück.

»Keine Sorge«, versicherte Vittoria. »Diese Proben hier sind viel kleiner. Millionstel Gramm. Relativ harmlos.« Sie griff erneut nach dem Behälter und schraubte ihn aus seiner Fassung.

Kohler zuckte nervös, doch diesmal ließ er es geschehen. Als der Kontakt zum Adapter unterbrochen war, ertönte ein lautes Piepsen, und in der Nähe des Behälterbodens leuchtete ein Display auf. Rote Zahlen blinkten und zählten rückwärts:

24:00:00.

23:59:59.

23:59:58.

Langdon starrte auf das Display und hatte das unangenehme Gefühl, eine Zeitbombe vor sich zu haben.

»Die Batterie«, erklärte Vittoria, »läuft volle vierundzwanzig Stunden, bevor sie leer ist. Sie lädt sich wieder auf, sobald der Behälter in seine Fassung gesetzt wird. Es ist eine Sicherheitsmaßnahme, aber sie ermöglicht auch einen einfachen Transport.«

»Transport?« Kohler sah aus wie vom Donner gerührt. »Sie nehmen dieses Zeug mit aus dem Labor?«

»Selbstverständlich nicht«, erwiderte Vittoria. »Aber die Transportfähigkeit ermöglicht uns, die Substanz zu studieren.«

Vittoria führte Kohler und Langdon zur anderen Seite des Labors. Sie zog einen Vorhang beiseite, und ein Fenster kam zum Vorschein, hinter dem ein weiterer großer Raum lag. Die Wände, die Decke, der Boden, alles war vollständig mit Stahl ausgekleidet. Der Raum erinnerte Langdon an den Tank eines großen Ölfrachters, mit dem er einmal nach Neu Guinea

gefahren war, um die Körperbemalung der Hanta zu studieren.

»Wir benutzen diesen Raum als Annihilationskammer«, erklärte Vittoria.

»Wollen Sie damit etwa andeuten, dass Sie tatsächlich Annihilationen beobachtet haben?«, fragte Kohler.

»Mein Vater war fasziniert von der Physik des Urknalls große Mengen Energie aus winzigen Mengen Materie.« Vittoria zog eine Stahlschublade unter dem Fenster auf. Sie legte die Falle hinein und schloss die Lade wieder. Dann zog sie an einem Hebel neben der Schublade. Einen Augenblick später erschien die Antimateriefalle auf der anderen Seite des Fensters. Sie rollte sanft über den Metallboden, bis sie fast genau in der Mitte der Kammer liegen blieb.

Vittoria lächelte angespannt. »Sie stehen im Begriff, Ihre erste Materie-Antimaterie-Annihilation zu beobachten. Ein paar Millionstel Gramm, eine vergleichsweise winzige Probe.«

Langdon starrte auf den kleinen Behälter, der einsam in der Mitte der riesigen Kammer lag. Auch Kohler sah verunsichert durch das Fenster.

»Normalerweise müssten wir jetzt volle vierundzwanzig Stunden warten, bis die Batterien leer sind, doch diese Kammer ist im Boden mit Magneten ausgerüstet, die stärker sind als die Magnete in der Falle und die Suspension der Positronen überwinden können. Sobald Antimaterie und Materie sich berühren.«

»Annihilation«, flüsterte Kohler.

»Eine Sache noch«, fuhr Vittoria fort. »Bei der Annihilation wird reine Energie freigesetzt. Einhundert Prozent der Masse werden in Photonen umgewandelt. Also blicken Sie nicht direkt auf die Probe. Schirmen Sie Ihre Augen ab.«

Langdon war misstrauisch, doch jetzt beschlich ihn das Gefühl, als übertriebe sie ein wenig. Sehen Sie nicht direkt auf die Probe? Diese Antimateriefalle war mehr als dreißig Meter weit weg, hinter einer ultradicken Wand aus getöntem Plexiglas! Mehr noch, die Probe in der Falle war winzig, so klein, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen war. Die Augen abschirmen?, dachte Langdon. Wie viel Energie soll denn in so einer winzigen Probe...?

Vittoria drückte auf einen Knopf.

Langdon wurde augenblicklich geblendet. Ein unglaublich heller Lichtpunkt erstrahlte in der Falle und breitete sich in einer Schockwelle aus reinem weißen Licht in alle Richtungen aus. Sie donnerte mit überwältigender Macht gegen die Plexiglasscheibe. Langdon stolperte zurück, als die Wucht der Detonation den umliegenden Fels erschütterte. Einen Augenblick lang herrschte eine alles überstrahlende Helligkeit, dann kollabierte sie in sich selbst und erlosch, als hätte es sie nie gegeben.

Langdon blinzelte in Panik, während sein normales Augenlicht langsam zurückkehrte. Er spähte in das schwelende Innere der Kammer. Der Behälter am Boden war verschwunden. Verdampft. Nicht eine Spur war zurückgeblieben.

Es war wie ein Wunder. »Mein. Gott!«, krächzte er.

Vittoria nickte traurig. »Genau die gleichen Worte hat mein Vater auch benutzt.

Kapitel 23.

Kohler starrte vollkommen konsterniert in die Annihilationskammer. Er hatte das Schauspiel noch nicht verdaut, das sich vor seinen eigenen Augen ereignet hatte. Robert Langdon stand neben ihm und sah noch fassungsloser aus.

»Ich möchte meinen Vater sehen!«, sagte Vittoria. »Ich habe Ihnen das Labor gezeigt, und jetzt will ich meinen Vater sehen!«

Kohler wandte sich langsam zu ihr um, ohne ihre Worte zu hören. »Warum haben Sie so lange gewartet, Vittoria? Sie und Ihr Vater hätten mir sofort von Ihrer Entdeckung berichten müssen!«

Vittoria starrte ihn an. Wie viele Gründe brauchst du denn noch? »Herr Direktor, wir können gerne später darüber diskutieren. Ich möchte jetzt endlich meinen Vater sehen!«

»Wissen Sie überhaupt, was diese Technologie bedeutet?«

»Selbstverständlich!«, schoss Vittoria zurück. »Gelder für CERN. Eine Menge Gelder. Und jetzt will ich mei.«

»Ist das der Grund, warum Sie es geheim gehalten haben?«, fragte Kohler. Langdon bemerkte, dass er sie ködern wollte. »Hatten Sie Angst, der Vorstand und ich könnten entscheiden, die Technologie zu lizenzieren?«

»Sie muss lizenziert werden!«, giftete Vittoria zurück und ließ sich in eine Diskussion verwickeln. »Antimaterie ist eine wichtige Technologie! Aber sie ist auch gefährlich. Vater und ich wollten die Methoden noch ein wenig verfeinern, um sie sicher zu machen.«

»Mit anderen Worten, Sie haben dem Vorstand kein Vertrauen entgegengebracht. Sie halten uns für nicht besonnen genug, Wissenschaft vor finanzielle Gier zu stellen.«

Vittoria war überrascht von der Gleichgültigkeit in Kohlers Worten. »Es gab noch andere Probleme«, sagte sie. »Mein Vater wollte genügend Zeit haben, um Antimaterie im richtigen Licht darzustellen.«

»Und was heißt das?«

Was glaubst du denn, was es heißt? »Materie aus Energie. Etwas aus Nichts. Es ist der praktische Beweis, dass die Genesis der Bibel eine wissenschaftliche Möglichkeit darstellt.«

»Also wollte Ihr Vater verhindern, dass die religiösen Schlussfolgerungen aus seiner Arbeit in der bevorstehenden Kommerzialisierung untergingen?«

»Sozusagen, ja.«

»Und Sie?«

Vittorias Sorgen beruhten ironischerweise auf dem genauen Gegenteil. Kommerzialisierung war notwendig für den Erfolg jeder neuen Energiequelle. Obwohl Antimaterietechnologie ein atemberaubendes Potenzial als effiziente und saubere Energiequelle besaß, bestand die Gefahr, dass sie von der Politik und den Medien auf die gleiche Weise niedergemacht wurde, wie es der Nuklear- und Sonnenenergie widerfahren war. Atomenergie hatte sich ausgebreitet, bevor sie wirklich sicher gewesen war, und es war zu Unfällen gekommen. Solarenergie hatte ihre Verbreitung gefunden, bevor sie effizient genug gewesen war, und die meisten Menschen hatten viel Geld verloren. Beide Technologien waren in ein schlechtes Licht gerückt worden und mehr oder weniger am Ende.