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Er zuckte die Schultern. »Also gut, was ist eine Blume?«

Augenblicklich fing sie an zu kichern. »Was eine Blume ist? Materie, Papa! Alles ist Materie! Felsen, Bäume, Atome, Ameisenfresser! Alles ist Materie!«

Er lachte. »Hast du dir das ausgedacht?«

»Ziemlich schlau, wie?«

»Mein kleiner Einstein.«

Sie runzelte die Stirn. »Er hat so schreckliche Haare! Ich hab’ ein Bild gesehen.«

»Aber einen klugen Kopf. Ich hab’ dir erzählt, was er herausgefunden hat, oder?«

Ihre Augen weiteten sich vor Abscheu. »Nein, Papa! Nein! Du hast es versprochen!.«

»E gleich M mal C zum Quadrat.« Er kitzelte sie ausgelassen. »E gleich M mal C zum Quadrat!«

»Keine Mathematik! Ich hab’s dir gesagt! Ich hasse Mathematik!«

»Ich bin froh, dass du die Mathematik hasst. Weil kleine Mädchen nämlich überhaupt nicht rechnen dürfen!«

Vittoria verstummte ungläubig. »Sie dürfen nicht?«

»Selbstverständlich nicht. Jeder weiß das. Kleine Mädchen spielen mit Puppen. Jungen rechnen. Rechnen ist nichts für Mädchen. Ich dürfte eigentlich nicht einmal mit dir darüber reden!«

»Was? Aber das ist nicht gerecht!«

»Gesetze sind Gesetze. Und Mathematik ist für kleine Mädchen streng verboten!«

Vittoria blickte ihn entsetzt an. »Aber immer nur Puppen ist

langweilig!«

»Tut mir Leid«, sagte ihr Vater. »Ich könnte dir etwas über die Mathematik erzählen, aber wenn ich erwischt werde.« Er schaute nervös zu den einsamen Hügeln ringsum.

Vittoria folgte seinem Blick. »Also gut«, flüsterte sie, »dann erzähl’s mir ganz leise.«

Die Bewegung des Aufzugs riss sie aus ihren Träumen. Vittoria öffnete die Augen. Er war verschwunden.

Die Wirklichkeit stürzte auf sie ein und packte sie mit eisigem Griff. Sie sah zu Langdon. Die ernste Besorgnis in seinem Blick

erinnerte sie an die Wärme eines Schutzengels, insbesondere in Kohlers eisiger Nähe.

Ein einziger Gedanke stieg in ihr auf und hämmerte mit erbarmungsloser Wucht auf sie ein.

Wo ist die Antimaterie?

Die schreckliche Antwort ließ nur Sekunden auf sich warten.

Kapitel 30.

Maximilian Kohler, bitte setzen Sie sich unverzüglich mit Ihrem Büro in Verbindung!«

Blendendes Sonnenlicht überflutete Langdons Augen, als sich die Aufzugstüren in das Atrium des Hauptgebäudes öffneten. Bevor das Echo der Lautsprecherdurchsage verklingen konnte, fingen sämtliche elektronischen Geräte auf Kohlers Rollstuhl gleichzeitig an zu summen, zu blinken und zu piepsen. Der Pager. Das Mobiltelefon. Der Posteingang. Kohler starrte verblüfft auf das Sammelsurium verrückt spielender Apparate. Der Direktor war zur Oberfläche zurückgekehrt und in Reichweite der Kommunikationsverbindungen.

»Direktor Kohler, bitte rufen Sie Ihr Büro an.«

Der Klang seines Namens aus der Lautsprecheranlage schien Kohler einen Schreck einzujagen.

Er sah verärgert zur Dicke hinauf, doch sein Zorn wich im gleichen Augenblick Besorgnis. Er blickte zuerst Langdon, dann Vittoria an. Alle drei standen für eine Sekunde reglos da als wären sämtliche Spannungen zwischen ihnen verschwunden und einer dunklen Vorahnung gewichen.

Kohler zog sein Mobiltelefon aus der Halterung. Er wählte eine Nummer und kämpfte gegen einen weiteren Hustenanfall. Vittoria und Langdon warteten.

»Hier ist. Direktor Kohler«, sagte er schnaufend. »Ja? Ich war unter der Erde, außer Reichweite.« Er lauschte, und seine grauen Augen weiteten sich. »Wer? Ja, stellen Sie ihn durch.« Eine kurze Pause trat ein. »Hallo? Hier ist Maximilian Kohler. Ich bin der Generaldirektor von CERN. Mit wem spreche ich?«

Vittoria und Langdon beobachteten schweigend, wie Kohler lauschte.

»Es wäre nicht klug, diese Sache am Telefon zu besprechen«, sagte Kohler schließlich. »Ich werde zu Ihnen kommen.« Er hustete erneut. »Holen Sie mich. am Flughafen Leonardo da Vinci ab. In vierzig Minuten.« Kohler schien nun endgültig keine Luft mehr zu bekommen. Er erlitt einen nicht enden wollenden Hustenanfall und stieß unter größter Mühe hervor: »Finden Sie. diesen Behälter. so schnell Sie können. ich bin unterwegs.« Damit beendete er das Gespräch.

Vittoria hastete zu ihm, doch Kohler hatte aufgehört zu telefonieren. Langdon beobachtete, wie sie ihr eigenes Mobiltelefon hervorzog und die Krankenstation von CERN alarmierte. Langdon fühlte sich wie ein Schiff in den Ausläufern eines Sturms. durchgeschüttelt und doch entrückt.

Holen Sie mich am Flughafen Leonardo da Vinci ab, echoten Kohlers Worte durch seinen Verstand.

Die Ungewissen Schatten, die den ganzen Morgen über sein Bewusstsein getrübt hatten, verdichteten sich innerhalb eines Sekundenbruchteils zu einem lebendigen Bild. Es war, als hätte jemand eine Tür vor ihm aufgestoßen. Das Ambigramm. Der ermordete Wissenschaftler. Die Antimaterie. Und jetzt... das Ziel. Der Flughafen Leonardo da Vinci konnte nur eins Bedeuten. In einem Augenblick der Offenbarung erkannte Langdon, dass er eine Schwelle überschritten hatte. Er zweifelte nicht länger.

Fünf Kilotonnen. Es werde Licht.

Zwei Sanitäter trafen ein und rannten in ihren weißen Kitteln durch die Halle. Sie knieten bei Kohler nieder und legten ihm eine Sauerstoffmaske an. Andere Wissenschaftler blieben stehen und sahen neugierig aus sicherer Entfernung herüber.

Kohler nahm zwei tiefe Atemzüge, schob die Maske beiseite und starrte Vittoria und Langdon an, noch immer nach Luft ächzend. »Rom!«

»Rom?«, fragte Vittoria. »Die Antimaterie ist in Rom? Wer war der Anrufer?«

Kohlers Gesicht war schmerzverzerrt, und seine Augen tränten. »Die Schweizer.« Er hustete, und die Sanitäter drückten ihm die Maske wieder auf das Gesicht. Sie machten Anstalten ihn mitzunehmen, doch Kohler griff nach oben und packte Langdons Arm.

Langdon nickte. Er wusste Bescheid.

»Gehen Sie.«, schnaufte er unter seiner Maske. »Gehen Sie. rufen Sie mich an.« Die Sanitäter rollten ihn weg.

Vittoria stand wie angewachsen und sah ihm hinterher. Dann wandte sie sich zu Langdon um. »Rom? Aber. aber was hat er mit >Schweizer < gemeint?«

Langdon legte eine Hand auf ihre Schulter. »Die Schweizergarde«, antwortete er so leise, dass sie seine Worte kaum verstand. »Die eingeschworenen Wächter des Vatikans.«

Kapitel 31.

Die X-33 raste in den Himmel und schwenkte auf Südkurs in Richtung Rom. Langdon saß schweigend auf seinem Sitz. Die letzten fünfzehn Minuten waren verschwommen. Nachdem er Vittoria über die Illuminati und ihre Verschwörung gegen den Vatikan unterrichtet und ein wenig Zeit zum Verschnaufen gehabt hatte, begriff er allmählich die ganze Tragweite der Situation.

Was, zur Hölle, mache ich hier?, fragte er sich. Ich hätte nach Hause fliegen sollen, solange ich eine Gelegenheit dazu hatte! Doch tief im Innern wusste er, dass sich diese Gelegenheit zu keiner Zeit geboten hatte.

Langdons gesunder Menschenverstand schrie förmlich danach, auf der Stelle nach Boston zurückzukehren. Nichtsdestotrotz hatte akademische Neugier irgendwie vernünftige Besonnenheit verdrängt. Alles, was er bisher über den Untergang der Illuminati zu wissen geglaubt hatte, entpuppte sich mit einem Mal als brillanter Schwindel. Ein Teil von ihm verlangte Beweise. Bestätigung. Außerdem war es eine Frage des Gewissens. Kohler war krank und Vittoria auf sich allein gestellt, und Langdon wusste, dass er eine moralische Verpflichtung hatte zu bleiben, wenn sein Wissen über die Illuminati in irgendeiner Weise weiterhelfen konnte.

Doch es steckte noch mehr dahinter. Auch wenn Langdon sich schämte, es sich einzugestehen - sein anfängliches Entsetzen, als er erfahren hatte, dass die Antimaterie im Vatikan gelandet war, hatte nicht allein den gefährdeten Menschenleben gegolten, sondern auch noch etwas anderem.