Der Camerlengo schien über Olivettis Einwand nachzudenken. Dann drehte er sich zu Langdon um und musterte ihn so intensiv, dass Langdon der Atem stockte. »Mr. Langdon, ich habe mein ganzes Leben im Dienst der katholischen Kirche verbracht. Ich bin vertraut mit der Geschichte der Illuminati und der Legende von ihren Brandmalen. und doch muss ich Sie warnen! Ich bin ein Mann der Gegenwart. Die Christenheit hat genug reale Feinde, auch ohne wiederauferstandene Gespenster.«
»Das Symbol ist echt«, entgegnete Langdon ein wenig zu defensiv, wie er im Nachhinein fand. Er streckte die Hand aus und drehte das Fax in den Händen des Camerlengos.
Als dieser die Symmetrie erkannte, verstummte er.
»Selbst moderne Computer«, fügte Langdon hinzu, »waren bisher nicht imstande, ein Ambigramm dieses Wortes zu entwickeln.«
Der Camerlengo faltete die Hände und schwieg lange Zeit. »Die Illuminati sind tot«, sagte er schließlich. »Seit vielen Jahren. Das ist eine historische Tatsache.«
Langdon nickte. »Bis gestern hätte ich Ihnen ohne zu zögern beigepflichtet.«
»Gestern?«
»Bevor die Ereignisse sich überschlugen. Heute glaube ich, dass die Illuminati wieder zurückgekehrt sind, um eine alte Rechnung zu begleichen.«
»Verzeihen Sie mir, meine Geschichtskenntnisse sind ein wenig eingerostet. Was meinen Sie?«
Langdon atmete tief durch. »Sie wollen die Vatikanstadt vernichten.«
»Die Vatikanstadt vernichten?« Der Camerlengo sah weniger verängstigt als verwirrt aus. »Aber das ist ganz und gar unmöglich!«
Vittoria schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, wir haben noch ein paar weitere schlechte Nachrichten.«
Kapitel 40.
Ist das wahr?«, fragte der Camerlengo erstaunt und blickte von Vittoria zu Olivetti.
»Monsignore!«, versicherte ihm der Oberst, »ich gebe zu, wir haben ein fremdes Gerät entdeckt. Es ist auf einem unserer Sicherheitsmonitore zu sehen, doch was Signorina Vetras Behauptungen über die Sprengkraft dieser Substanz angeht, so kann ich nur sagen.«
»Warten Sie!«, unterbrach ihn der Camerlengo. »Sie können dieses Ding sehen?«
»Jawohl, Monsignore. Auf der drahtlosen Kamera Nummer sechsundachtzig.«
»Und warum haben Sie es dann noch nicht geborgen?« In der Stimme des Camerlengos schwang neuer Ärger mit.
»Das ist leider so gut wie unmöglich, Monsignore«, entgegnete Olivetti und stand stramm, während er das Problem schilderte.
Der Camerlengo lauschte, und Vittoria bemerkte seine zunehmende Besorgnis. »Und Sie sind ganz sicher, dass sich dieses Gerät im Innern der Vatikanstadt befindet?«, fragte er schließlich. »Vielleicht hat jemand die Kamera mitgenommen, und sie sendet jetzt von woanders?«
»Unmöglich, Monsignore«, sagte der Oberst. »Unsere Außenmauern sind elektronisch abgeschirmt, um die interne Kommunikation zu schützen. Dieses Signal kann nur aus dem Innern der Vatikanstadt kommen, sonst würden wir es nicht empfangen.«
»Ich nehme an«, sagte der Camerlengo, »dass Sie inzwischen mit allen zur Verfügung stehenden Kräften nach dieser verschwundenen Kamera suchen?«
Olivetti schüttelte den Kopf. »Nein, Monsignore. Diese Kamera zu finden, würde Hunderte von Arbeitsstunden in Anspruch nehmen. Wir haben gegenwärtig eine Reihe anderer Sicherheitsprobleme, und bei allem nötigen Respekt gegenüber Signorina Vetra - dieser Tropfen, von dem sie spricht, ist äußerst klein. Er kann unmöglich so gefährlich sein, wie sie es behauptet.«
Vittorias Geduld war am Ende. »Dieser Tropfen reicht aus, um die Vatikanstadt zu verdampfen! Hören Sie eigentlich zu, wenn jemand mit Ihnen redet?«
»Signorina«, entgegnete Olivetti mit einer Stimme wie Stahl, »meine Erfahrung mit Sprengstoffen ist umfassend.«
»Ihre Erfahrung ist obsolet«, schoss sie genauso hart zurück. »Trotz meiner Kleidung, die Ihnen ja scheinbar einiges Kopfzerbrechen bereitet, bin ich eine hochrangige Wissenschaftlerin bei der weltweit führenden Forschungsanlage für subatomare Physik. Ich persönlich habe die Antimateriefalle entwickelt, die verhindert, dass diese Probe augenblicklich annihiliert! Und ich sage Ihnen noch einmal, wenn es Ihnen nicht gelingt, diesen Behälter innerhalb der nächsten sechs Stunden zu finden, werden Ihre Gardisten nichts mehr zu bewachen haben außer einem riesigen Krater im Boden!«
Olivetti wirbelte zu dem Camerlengo herum. In seinen Insektenaugen blitzte ohnmächtiger Zorn. »Monsignore, ich kann nicht guten Gewissens zulassen, dass dies hier so weitergeht! Ihre Zeit wird von Schwindlern vergeudet! Die Illuminati! Ein Tropfen Flüssigkeit, der uns alle vernichten soll!«
»Basta!«, erklärte der Camerlengo. Er sagte es leise, und doch schien es durch den weiten Raum zu hallen. Danach herrschte Stille. Fast unhörbar leise fuhr er fort: »Gefährlich oder nicht, Illuminati oder nicht, was immer dieses Ding ist - es sollte auf gar keinen Fall in der Vatikanstadt sein. erst recht nicht am
Abend des Konklave. Ich möchte, dass es gefunden und entfernt wird. Organisieren Sie augenblicklich eine Suche!«
»Monsignore, selbst wenn wir all unsere Männer einsetzen, um den gesamten Komplex abzusuchen, würden wir Tage benötigen, um diesen Behälter zu finden!«, beharrte Olivetti. »Außerdem habe ich, nachdem ich mit Signorina Vetra gesprochen habe, einen meiner Leute abkommandiert, um unsere neuesten Ballistik-Datenbänke nach einer Substanz namens Antimaterie zu durchsuchen. Er fand nicht einen einzigen Hinweis. Nichts.«
Selbstherrliches Arschloch!, dachte Vittoria. Eine BallistikDatenbank? Hast du es mal mit einem einfachen Lexikon versucht? Unter A?
Olivetti redete noch immer. »Monsignore, wenn Sie verlangen, dass wir die ganze Vatikanstadt mit bloßem Auge absuchen, muss ich Einspruch erheben!«
»Oberst.« Die Stimme des Camerlengos vibrierte vor Zorn. »Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mit diesem Amt sprechen, wenn Sie mit mir sprechen? Ich weiß, dass Sie meine Position nicht ernst nehmen - nichtsdestotrotz bin ich nach dem Gesetz für den Augenblick Ihr Vorgesetzter. Falls ich mich nicht irre, befinden sich die Kardinale inzwischen alle in der Sixtinischen Kapelle. Ihre Sicherheitsprobleme dürften minimal sein, solange das Konklave andauert. Ich verstehe nicht, warum Sie immer noch zögern, nach diesem Gerät zu suchen! Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, dass Sie dieses Konklave absichtlich in Gefahr bringen!«
Olivetti sah den Camerlengo verächtlich an. »Wie können Sie es wagen? Ich habe dem letzten Papst zwölf Jahre lang gedient! Und dem vorherigen Papst ganze vierzehn Jahre! Die Schweizergarde sorgt seit 1483 für.«
Das Walkie-Talkie an Olivettis Gürtel gab ein lautes Pfeifen von sich und unterbrach ihn mitten im Satz. »Comandante?«
Olivetti riss das Gerät aus dem Gürtel und drückte auf den Sendeknopf. »Sto occupato! Cosa voi!«
„Scusi«, sagte der Soldat am anderen Ende. »Hier Kommunikationszentrale. Ich dachte, Sie wollten informiert werden, wenn eine Bombendrohung eingeht?«
Olivetti hätte nicht desinteressierter dreinblicken können. »Erledigen Sie das! Verfolgen Sie den Anruf wie üblich, und schreiben Sie alles auf!«
»Das haben wir, doch der Anrufer.» Der Gardist zögerte. »Ich hätte Sie nicht gestört, Comandante, es ist nur. der Anrufer hat die Substanz erwähnt, über die ich Informationen suchen sollte. Antimaterie.«
Alle Anwesenden wechselten verblüffte Blicke.
»Er hat was?«, stammelte Olivetti.
»Antimaterie, Herr Oberst. Während wir versuchten, seinen Anruf zurückzuverfolgen, habe ich ein paar zusätzliche Nachforschungen darüber angestellt. Die Informationen über Antimaterie sind. offen gestanden, sie sind höchst beunruhigend, Herr Oberst.«