»Die der Vatikan ohne Zweifel genau unter die Lupe nahm, ziemlich gefährlich, wenn Sie mich fragen.«
»Zugegeben. Nichtsdestotrotz wurde der Hinweis auf diese Weise lanciert.«
»Und niemand hat ihn je entdeckt?«
»Niemand. Eigenartigerweise wird häufig in Form einer Zahl auf il segno hingewiesen, ganz gleich, wo Hinweise auftauchen in Freimaurerberichten, alten wissenschaftlichen Journalen, Illuminati-Briefen.«
»666?«
Langdon lächelte. »Nein. 503.«
»Und das bedeutet?«
»Keiner von uns konnte sich je etwas darunter vorstellen, Ich war fasziniert von dieser Zahl und habe alles Mögliche ausprobiert, um ihre Bedeutung zu entschlüsseln - Numerologie, Kartenreferenzen, Breiten- und Längengrade.« Langdon war am Ende des Gangs angekommen und bog um die Ecke in den nächsten Gang, während er die Beschriftungen keine Sekunde aus den Augen ließ. »Viele Jahre schien der einzige Hinweis die Tatsache, dass 503 mit der Ziffer fünf beginnt. eine der Schlüsselzahlen der Illuminati.« Er zögerte.
»Irgendetwas verrät mir, dass Sie es vor kurzem herausgefunden haben. und das ist der Grund, aus dem wir hier sind.«
»So ist es«, antwortete Langdon und gestattete sich einen seltenen Augenblick von Stolz auf seine Leistung. »Kennen Sie ein Buch von Galileo namens Dialogo?«
»Selbstverständlich. Es ist unter Forschern berühmt als der ultimative Verrat an der Wissenschaft.«
Verrat war nicht ganz das Wort, das Langdon benutzt hätte, doch er wusste, was Vittoria meinte. Anfang der dreißiger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts wollte Galileo ein Buch veröffentlichen, in dem er das von Kopernikus entwickelte heliozentrische Modell des Sonnensystems unterstützte, doch der Vatikan gestattete die Veröffentlichung nicht, bevor Galileo nicht überzeugende Beweise für das geozentrische Modell der Kirche einfügte - ein Modell, von dem Galileo wusste, dass es vollkommen falsch war. Doch ihm blieb keine andere Wahl, als den Forderungen der Kirche nachzugeben und ein Buch zu publizieren, in dem beide Modelle - das richtige wie das falsche
- mit gleicher Ausgiebigkeit abgehandelt wurden.
»Wie Sie vielleicht wissen«, entgegnete Langdon, »wurde Dialogo trotz des Kompromisses von der Kirche immer noch als Häresie betrachtet, und der Vatikan stellte Galileo unter Hausarrest.«
»Keine gute Tat bleibt ungestraft.«
Langdon lächelte. »Wie wahr. Und doch, Galileo blieb unbeugsam. Während er unter Hausarrest stand, verfasste er heimlich ein weniger bekanntes Manuskript, das Gelehrte häufig mit Dialogo verwechseln. Dieses Buch nannte er Discorsi.«
Vittoria nickte. »Ich habe davon gehört. Diskurs über die
Gezeiten.«
Langdon blieb überrascht stehen, erstaunt, dass sie von der obskuren Publikation über die Planetenbewegungen und ihren Einfluss auf die Gezeiten gehört hatte.
»Hey!«, sagte sie, »Sie reden mit einer italienischen Meeresphysikerin, deren Vater Galileo angebetet hat!«
Langdon lachte. Discorsi war nicht das Buch, nach dem sie suchten. Er erklärte ihr, dass Discorsi nicht Galileos einziges Werk aus der Zeit war, als er unter Hausarrest stand. Historiker glaubten, dass er außerdem ein weiteres Buch mit dem Titel Diagramma geschrieben habe.
»Diagramma della Verit’a«, sagte Langdon. »Das Diagramm der Wahrheit.«
»Nie davon gehört.«
»Das überrascht mich nicht. Diagramma war Galileos geheimste Arbeit - mutmaßlich handelt es sich um eine Art Abhandlung über wissenschaftliche Fakten, die er für wahr erachtete und mit niemandem teilen durfte. Wie einige der vorhergehenden Manuskripte wurde auch Diagramma von einem Freund aus Rom herausgeschmuggelt und später in Holland publiziert. Das Buch wurde in den wissenschaftlichen Kreisen, die im Untergrund arbeiteten, äußerst populär. Dann erfuhr der Vatikan davon und begann eine Bücherverbrennung.«
Vittoria schien fasziniert. »Und Sie glauben, dass der Hinweis in Diagramma steckt? Il segno? Die Informationen, die zum Weg der Erleuchtung führen?«
»Diagramma ist jedenfalls das Werk, mit dem Galileo die Nachricht verbreitet hat, dessen bin ich mir sicher.« Langdon betrat den dritten Mittelgang zwischen den Büchertresoren und überflog weitere Hinweisschilder. »Archivare suchen seit vielen Jahren nach einer erhaltenen Ausgabe von Diagramma. Doch irgendwie scheinen die wenigen Exemplare, die der Verbrennung entgingen, aufgrund ihrer geringen Haltbarkeit
vom Angesicht der Erde verschwunden zu sein.«
»Geringe Haltbarkeit?«
»Ja. Archivare besitzen ein Bewertungssystem für die Qualität des verwendeten Papiers. Diagramma wurde auf RiedgrasPapyrus gedruckt. Es ist wie ein Papierhandtuch. Lebensdauer unter normalen Bedingungen nicht mehr als ein Jahrhundert.«
»Warum hat man nichts Besseres genommen?«
»Es geschah auf Galileos Veranlassung. Um seine Anhänger zu schützen. Ein Wissenschaftler, der mit dem Buch überrascht wurde, konnte es rasch in Wasser werfen, und es hätte sich binnen kürzester Zeit aufgelöst. Eine großartige Methode, um Beweise zu vernichten, aber schrecklich für die heutigen Archivare. Man glaubt, dass nur eine einzige Ausgabe von Diagramma die Zeit nach dem achtzehnten Jahrhundert überlebt hat.«
»Eine?« Vittoria blickte sich aufgeregt in dem großen Gewölbe um. »Und sie ist hier?«
»Kurz nach Galileos Tod wurde sie in den Niederlanden vom Vatikan konfisziert. Ich richte seit Jahren Eingaben an das Archiv, um es einzusehen. Seit ich zu dem Schluss gelangt bin, dass es hier lagern muss.«
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, bewegte sich Vittoria auf die andere Seite des Ganges und suchte die aigrenzenden Container ab. Auf diese Weise kamen sie doppelt so schnell voran.
»Vielen Dank«, rief Langdon. »Suchen Sie nach Hinweisen, die irgendetwas mit Galileo zu tun haben, mit Wissenschaft oder Forschern. Sie werden es erkennen, sobald Sie es erst sehen.«
»In Ordnung, aber Sie haben mir immer noch nicht erzählt, wie Sie herausgefunden haben, dass der Hinweis in Diagramma versteckt sein muss. Hat es etwas mit der Zahl zu tun, die Sie immer wieder in Dokumenten der Illuminati gefunden haben?
Langdon lächelte. »Ja. Ich habe eine Weile dazu benötigt, aber schließlich fand ich heraus, dass 503 ein einfacher Code ist. Er weist ohne jeden Zweifel auf Diagramma hin.«
Einen Augenblick lang durchlebte Langdon erneut dieses Gefühl einer unerwarteten Entdeckung, diesen sechzehnten August vor zwei Jahren. Es war auf der Hochzeit des Sohnes eines Kollegen gewesen. Er stand am Ufer eines Sees, und Dudelsackmusik dröhnte über das Wasser, während Braut und Bräutigam ihren Auftritt hatten. sie kamen mit einem Boot über den See. Das Boot war geschmückt mit Blumen und Kränzen, und es trug eine römische Zahl am Bug - DCII.
Verwirrt hatte Langdon den Vater der Braut gefragt: »Was bedeutet die 602?«
Der Mann hatte gelacht. »Das ist keine römische Zahl, sondern der Name des Bootes.«
»Was denn, DCII?«
Der Mann hatte genickt. »Die Dick and Connie II.«
Langdon hatte sich verlegen entschuldigt. Dick und Connie waren das Paar, das damals geheiratet hatte. Das Schiff war offensichtlich ihnen zu Ehren so genannt worden. »Was ist aus der DCI geworden?«
Der Mann hatte gestöhnt. »Sie ist gestern bei der Generalprobe gesunken.«