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»Vielleicht haben Sie sich mit DIII ja auch geirrt?«

Langdon starrte sie an.

»Also schön«, gestand sie, »DIII ergibt einen Sinn. Aber vielleicht ist es kein mathematischer Hinweis?«

»Lingua pura. Was sonst sollte es sein, wenn nicht Mathematik?«

»Kunst?«

»Aber es gibt weder Diagramme noch Bilder in diesem Buch!«, gab Langdon zu bedenken.

»Ich weiß nur, dass lingua pura eine andere Sprache als Italienisch meint. Mathematik scheint mir der logische Schluss.«

»Genau meine Meinung.« Langdon wollte sich nicht so rasch geschlagen geben. »Die Zahlen sind vielleicht ausgeschrieben. Die Formeln sind in Worte gekleidet, nicht in Gleichungen.«

»Es wird sicher einige Zeit dauern, sämtliche Seiten zu lesen.«

»Zeit haben wir aber nicht. Wir müssen uns die Arbeit teilen.« Langdon blätterte zum Anfang des Manuskripts zurück.

»Ich kann genug Italienisch, um geschriebene Zahlen zu erkennen.« Mit seinem Spatel teilte er den Stapel Seiten wie ein Kartenspiel und legte Vittoria das erste halbe Dutzend Blätter hin.

»Es muss irgendwo in diesem Manuskript sein. Ich bin ganz sicher.«

Vittoria blätterte die erste Seite mit der Hand um.

»Nehmen Sie einen Spatel«, ermahnte sie Langdon.

»Ich trage doch Handschuhe!«

»Trotzdem. Benutzen Sie einen Spatel.« Langdon reichte ihr eines der Instrumente aus der Lade.

»Spüren Sie es eigentlich auch?«, fragte sie.

»Was?«

»Kurzatmigkeit.«

Langdon nickte. Er litt ebenfalls unter Atemnot. Die Luft verbrauchte sich schneller, als er erwartet hatte. Er wusste, dass sie sich beeilen mussten. Die Suche nach verborgenen Andeutungen in antiker Literatur war nichts Neues für ihn, doch in der Regel blieben ihm mehr als ein paar Minuten, um ein Rätsel zu lösen. Ohne ein weiteres Wort senkte er den Kopf und begann die erste Seite seines Stapels zu übersetzen.

Zeig dich endlich, verdammt! Zeig dich!

Kapitel 53.

Irgendwo in Rom stapfte eine dunkle Gestalt durch einen unterirdischen Tunnel. Die alte Passage war nur von Fackellicht erhellt, was die Luft heiß und stickig machte. Ein Stück voraus hallten die verängstigten Stimmen von Männern durch die Dunkelheit, die vergeblich um Hilfe riefen.

Die dunkle Gestalt umrundete eine Biegung. Alles war , wie sie es verlassen hatte - vier alte Männer, verängstigt und eingesperrt in einer kleinen Zelle mit einer rostigen Gittertür.

»Qui etesvous?«, fragte einer von ihnen auf Französisch. »Was wollen Sie von uns?«

»Hilfe!«, rief ein anderer auf Deutsch. »Lassen Sie uns gehen!«

»Wissen Sie überhaupt, wer wir sind?«, fragte ein dritter mit spanischem Akzent.

»Ruhe!«, befahl die dunkle Gestalt mit rauer Stimme. Das Wort besaß etwas Endgültiges.

Der vierte Gefangene, ein Italiener, still und nachdenklich, starrte in das düstere Schwarz der Augen des Fremden und hätte schwören können, darin die Hölle selbst zu sehen. Gott sei uns allen gnädig, dachte er.

Der Hashishin warf einen Blick auf seine Uhr und wandte sich dann wieder seinen Gefangenen zu. »Also schön«, sagte er. »Wer ist der Erste?«

Kapitel 54.

Im Innern des Büchertresors Nummer zehn überflog Robert Langdon italienische Kalligrafie auf der Suche nach ausgeschriebenen Zahlen. Mille... cento... uno, due, tre... cinquanta. Ich brauche eine Spur! Irgendetwas, verdammt!

Als er auf der unteren Zeile des Blattes angelangt war, blätterte er mithilfe des Spatels um und stellte fest, dass er Schwierigkeiten hatte, das Instrument ruhig zu halten. Ein paar Minuten später wurde ihm bewusst, dass er den Spatel weggelegt hatte und die Seiten mit der Hand wendete. Hoppla, dachte er mit dem dumpfen Gefühl, etwas Unrechtes zu tun. Der Sauerstoffmangel beeinträchtigte sein Denkvermögen. Sieht ganz danach aus, als würde ich in der Bibliothekarshölle schmoren.

»Das wurde aber auch höchste Zeit!«, ächzte Vittoria, als sie es bemerkte. Sie ließ ihren Spatel fallen und folgte seinem Beispiel.

»Hatten Sie bereits Glück?«

Vittoria schüttelte den Kopf. »Nichts, das nach Mathematik ausgesehen hätte. Ich überfliege die Seiten, aber nichts von alledem sieht nach versteckten Hinweisen aus.«

Langdon hatte zunehmend Mühe, die kleingeschriebenen Buchstaben zu entziffern. Sein Italienisch war ückenhaft, und die archaische Sprache machte seine Übersetzungsbemühungen zu einer langwierigen Angelegenheit. Vittoria war vor Langdon mit ihrem Stapel fertig und beobachtete ihn entmutigt beim Lesen. Sie beugte sich vor, um noch einmal von vorne anzufangen.

Als Langdon mit seinen Blättern durch war, stieß er einen leisen Fluch aus und wandte sich zu Vittoria. Sie hatte die Stirn

in Falten gelegt und studierte angestrengt ein Detail auf einer ihrer Seiten. »Haben Sie etwas?«, fragte er.

Vittoria blickte nicht auf. »Hatten Sie auf Ihren Seiten Fußnoten?«

»Mir sind keine aufgefallen. Warum?«

»Diese Seite hat eine Fußnote. Sie ist in den Schnörkeln der Umrandung versteckt.«

Langdon versuchte zu erkennen, was sie meinte, doch er sah nur die Seitenzahl in der oberen rechten Ecke des Blattes. Nummer fünf. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm die Überein-Umrandung bewusst wurde, und selbst dann blieb sie noch vage. Blatt Nummer fünf. Fünf, Pythagoras, Pentagramme, Illuminati. Langdon überlegte, ob die Illuminati die Seite Nummer fünf gewählt hätten, um darauf ihren Hinweis zu verstecken, Durch den rötlichen Nebel, der sein Sichtfeld einengte, sah er einen winzigen Hoffnungsschimmer. »Ist es eine mathematische Fußnote?«, fragte er Vittoria.

Sie schüttelte den Kopf. »Text. Eine Zeile.

Sehr klein geschrieben und kaum zu entziffern.

Langdons Hoffnungen schwanden wieder. »Es muss aber Mathematik sein. Lingua pura!«

»Ja, ich weiß.« Sie zögerte. »Trotzdem glaube ich, dass Sie sich das hier anhören sollten.« Er spürte die Aufregung in ihrer Stimme.

»Schießen Sie los!«

Vittoria kniff die Augen zusammen, während sie die Zeile mühsam entzifferte. »Der Lichtpfad ist gelegt, der heilge Test.«

»Der Lichtpfad?« Langdon richtete sich auf.

»Das steht hier. Der Lichtpfad.«

Während die Worte in Langdons Bewusstsein sickerten, erlebte er einen Augenblick der Klarheit. Der Lichtpfad ist gelegt, der heiige Test. Er wusste nicht, wie es ihnen

weiterhelfen sollte, doch die Zeile war ein direkter Verweis auf den Weg der Erleuchtung, so viel schien sicher. Lichtpfad. Heiliger Test. Sein Kopf fühlte sich an wie ein Motor mit minderwertigem Kraftstoff. »Sind Sie sicher, dass Sie es richtig aus dem Italienischen übersetzt haben?«

Vittoria zögerte. »Offen gestanden.« Sie schaute ihn mit einem merkwürdigen Ausdruck an. »... offen gestanden ist es keine Übersetzung aus dem Italienischen. Die Zeile steht in Englisch da.«

Im ersten Augenblick glaubte Langdon, sich verhört zu haben. »Englisch?«

Vittoria schob ihm das Blatt hin, und Langdon las die winzige Schrift am unteren Rand der Seite. »The path of light is laid, the sacred test. Englisch? Was sucht englischer Text in einem italienischen Manuskript?«

Vittoria zuckte die Schultern. »Vielleicht meinten sie Englisch, wenn sie von der lingua pura, gesprochen haben? Englisch ist die internationale Sprache der Wissenschaft. Bei CERN sprechen wir nur Englisch.«