»Wissenschaft?«, fragte Langdon und wechselte einen
bedeutsamen Blick mit Vittoria.
»Wo befindet sich dieses Grab?«, wiederholte Vittoria.
Der Führer ignorierte ihre Frage. Mit einem Mal schien seine Begeisterung wieder zu erwachen, den beiden merkwürdigen Touristen behilflich sein zu können. »Ob dieses Grab nun irden ist oder nicht, vermag ich nicht zu sagen, doch es ist mit Sicherheit. es ist, sagen wir, differente.«
»Anders?«, fragte Langdon. »Inwiefern?«
»Es passt nicht zur restlichen Architektur. Raphael war nur der Architekt. Die Verzierungen im Innern stammen von einem anderen Künstler. Ich erinnere mich nicht an seinen Namen.«
Langdon hing an den Lippen des Mannes. Der anonyme Illuminati-Meister vielleicht?
»Wer auch immer es war - er besaß keinen Geschmack!«, sagte der Fremdenführer. »Dio mio! Eine Monstrosität! Wer will schon unter einerpiramide begraben sein?«
Langdon traute seinen Ohren nicht. »Pyramide? Die Kapelle besitzt eine Pyramide?«
»Es ist schrecklich, nicht wahr?«, sagte der Fremdenführer.
Vittoria riss ihn zu sich herum. »Signore, wo befindet sich diese Chigi-Kapelle?«
»Ungefähr anderthalb Kilometer nördlich von hier, Signora. In der Kirche von Santa Maria del Popolo.«
Vittoria stieß den Atem aus. »Danke sehr. Kommen Sie, Robert, wir.«
»Oh!«, rief der Fremdenführer, »da fällt mir noch etwas ein! Wie dumm von mir, das zu vergessen!«
Vittoria blieb wie angewurzelt stehen. »Jetzt sagen Sie mir nicht, dass Sie sich geirrt haben!«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich hätte wirklich früher daran denken müssen. Die Chigi-Kapelle hieß nicht immer so.
Früher nannte man sie Capella della Terra.«
»Terra wie Land!«, fragte Langdon.
»Nein«, sagte Vittoria und zog ihn mit sich zum Ausgang. »Terra wie irden.«
Vittoria Vetra riss ihr Mobiltelefon aus der Tasche, während sie hinaus auf die Piazza della Rotunda rannten. »Oberst Olivetti? Wir sind am falschen Ort!«
Olivetti klang verwirrt. »Falsch? Was soll das heißen, wir sind am falschen Ort?«
»Der erste Altar der Wissenschaft! Er befindet sich nicht im Pantheon, sondern in der Chigi-Kapelle!«
»Wo?« Olivetti klang unüberhörbar erzürnt. »Aber Mr. Langdon hat doch gesagt.«
»Santa Maria del Popolo! Anderthalb Kilometer nördlich von hier! Schaffen Sie Ihre Männer dorthin! Uns bleiben noch genau vier Minuten!«
»Aber meine Männer sind hier beim Pantheon in Stellung gegangen! Ich kann sie unmöglich.«
»Beeilung!« Vittoria klappte das Telefon zu.
Hinter ihr kam Langdon aus dem Pantheon und blinzelte benommen.
Sie packte ihn bei der Hand und zog ihn mit sich zu der Schlange scheinbar fahrerloser Taxis, die am Straßenrand warteten. Sie hämmerte auf die Motorhaube des ersten Wagens. Der dösende Fahrer stieß einen erschrockenen Ruf aus und schoss kerzengerade in die Höhe. Vittoria riss die hintere Tür auf und schob Langdon in den Wagen, bevor sie selbst hineinkletterte.
»Santa Maria del Popolo!«, wies sie den Fahrer an. »Presto!«
Verängstigt und noch ein wenig verschlafen trat der Fahrer aufs Gas und fädelte sich in den Verkehr ein.
Kapitel 63.
Glick saß im Übertragungswagen am Bildschirm und tippte weitere Schlagworte in die Eingabemaske der BBC-Datenbank. Chinita Macri stand hinter ihm und sah ihm bestürzt über die Schulter.
»Ich hab’s dir doch gesagt«, murmelte Glick, als die Suchergebnisse über den Bildschirm liefen. »Der British Tattier ist nicht die einzige Zeitung, die Storys über diese Typen bringt.«
Macri las vom Bildschirm ab. Glick hatte Recht. Die BBC hatte im Verlauf der letzten zehn Jahre sechs größere Beiträge über die Geheimbruderschaft gesendet, die sich »Illuminati« nannte. Da brat mir einer ‘nen Storch, dachte sie. »Wer waren die Reporter, die diese Geschichten recherchiert haben?«, fragte sie. »Mistfinken?«
»Die BBC stellt keine Mistfinken ein.«
»Dich hat man eingestellt.«
Glick verzog das Gesicht. »Ich weiß überhaupt nicht, warum du so skeptisch bist. Die Illuminati sind eine geschichtliche Tatsache, so viel steht fest.«
»Genau wie Hexen, UFOs und das Ungeheuer von Loch Ness.«
Glick blätterte die Liste von Artikeln durch. »Schon mal was von einem Typen namens Winston Churchill gehört?«
»Kommt mir bekannt vor.«
»Die BBC hat vor einer Weile einen Bericht über Churchills Leben gebracht. Ein strenger Katholik, nebenbei bemerkt. Wusstest du, dass Churchill 1920 eine Verlautbarung herausgab, in der er die Illuminati verurteilte und die Bevölkerung vor einer weltweiten Verschwörung warnte?«
Macri blieb misstrauisch. »Wo stand diese Geschichte? Im British Tattier?«
Glick grinste. »Im London Herald. Am achten Februar 1920.«
»Das glaube ich nicht.«
»Sieh her.«
Macri las mit zusammengekniffenen Augen vom Bildschirm. Tatsächlich. London Herald, 8. 2. 1920. Das wusste ich nicht. »Wenn du mich fragst, Churchill war sowieso paranoid.«
»Da war er nicht allein«, fuhr Glick fort und las weiter. »Sieht so aus, als hätte Woodrow Wilson 1921 in drei Radioansprachen vor dem zunehmenden Einfluss der Illuminati auf das Notenbanksystem der Vereinigten Staaten gewarnt. Möchtest du ein Zitat aus der Radioaufnahme hören?«
»Nicht unbedingt.«
Glick las trotzdem vor.>»Es gibt eine Macht in unserem Land, die so geheim, so wohl organisiert und alles durchdringend ist, dass niemand lauter als im Flüsterton über sie sprechen sollte, wenn er Missbilligendes zu sagen hat.<«
»Davon habe ich nie gehört.«
»Vielleicht, weil du 1921 noch ein Kind warst.«
»Wie charmant.« Chinita steckte den Seitenhieb weg. Sie wusste, dass sie ihr Alter nicht verbergen konnte. Mit dreiundvierzig zeigten sich die ersten grauen Strähnen in den schwarzen Krauslocken. Sie war zu stolz, um sich das Haar zu färben. Ihre Mutter, eine Südstaaten-Baptistin, hatte Chinita Zufriedenheit und Selbstachtung gelehrt. Du bist eine schwarze Frau, hatte ihre Mutter gesagt, und das lässt sich nun mal nicht verbergen. Der Tag, an dem du es versuchst, ist der Tag, an dem du stirbst. Steh aufrecht, lächle und lass die anderen sich wundern, welches Geheimnis dahinter stecken mag.
»Sagt dir der Name Cecil Rhodes etwas?«, fragte Günther.
Chinita blickte auf. »Du meinst den britischen
Finanzmagnaten?«
»Ja, der. Er hat die Rhodes-Stiftung gegründet.«
»Erzähl mir nicht.«
»Illuminatus.«
»Gequirlte Kacke.«
»Nein, BBC. Sechster November 1984.«
» Wir sollen verbreitet haben, dass Cecil Rhodes zu den Illuminati gehört?«
»Wir, ja. Und nach den Unterlagen unseres Senders zu urteilen, wurde die Rhodes-Stiftung vor mehr als hundert Jahren eigens dazu gegründet, die hellsten Köpfe auf die Seite der Illuminati zu ziehen.«
»Das ist lächerlich! Mein Onkel war ein Rhodes-Stipendiat.«
Günther zwinkerte. »Bill Clinton auch.«
Jetzt wurde Chinita ärgerlich. Sie hatte noch nie viel für schlampig recherchierten Sensationsjournalismus übrig gehabt. Andererseits kannte sie die BBC gut genug, um zu wissen, dass jede Story mit größter Sorgfalt recherchiert und durch Fakten belegt war.