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»Gefällt mir nicht!«, murmelte er. »Wenn diese Wolken das gesamte Wasser, das sie mit sich führen, über uns ablassen, wird sich diese Lichtung im Nu in einen See verwandeln und dann kriege ich die Kiste nicht mehr hoch.«

»Verdammt kompliziert, diese Fliegerei!«, antwortete sein Passagier ungehalten. »Was schlagen Sie dann vor? Sollen wir in das Unwetter hineinfliegen?«

Der Pilot schüttelte den Kopf.

»Nein. Wir müssen es umgehen.« Er deutete zum Himmel. »Am besten weichen wir nach Norden aus und hoffen, dass wir später eine Stelle zum Landen finden, ehe es ganz dunkel wird.«

»Und wenn nicht?«

Jimmie zwinkerte ihm zu und grinste. Dann stand er auf, ging zur Maschine und sagte:

»Einen Ausweg gibt es immer. Können Sie schwimmen?«

»Ziemlich gut.«

»Dann machen wir eben einen Kopfsprung in einen Fluss.«

Sie hoben hastig ab und versuchten, mit Vollgas der dunklen Wolkenwand zu entkommen, die sich wie ein vorrückendes Heer langsam, aber unaufhaltsam des Himmels bemächtigte. Dicke Tropfen prallten gegen ihre Gesichter und schmerzten wie feine Nadeln. Fast zwei Stunden lang flogen sie in niedriger Höhe, bis das geübte Auge des Piloten einen dunklen Fluss entdeckte, in dessen Mitte sich eine anscheinend trockene Sandbank befand. Eine richtige kleine Insel.

Sie lag knapp über der Wasseroberfläche und war nur hundertfünfzig Meter lang und fünfzehn Meter breit. Jetzt konnte Jimmie unter Beweis stellen, warum man ihn den König der Lüfte nannte. Er lenkte die Maschine knapp über die Baumwipfel, setzte dann sanft wie ein Albatros am Anfang der Sandbank auf und ließ das Flugzeug bis zehn Meter vor dem Ende der improvisierten Landepiste ausrollen.

Nachdem sie ausgestiegen waren, sah sich McCracken besorgt um und fragte: »Und wie wollen wir hier wieder wegkommen?«

»Weiß ich noch nicht.« Die Antwort war nicht gerade geeignet, um seinen Begleiter zu beruhigen. »Wenn es am Oberlauf genauso stark geregnet hat, dann wird der Fluss bald anschwellen. Die Wassermengen könnten die Maschine mitreißen. In dem Fall müssten wir uns keine Gedanken mehr darum machen, wie wir hier wegkommen.« Er grinste und zwinkerte ihm zu. »Wenn sie aber morgen noch da ist, können wir es uns immer noch überlegen.«

»Machen Sie das immer so?«

Jimmie, der sich in den Sand gesetzt und seine alte Pfeife herausgeholt hatte, warf ihm einen durchdringenden Blick zu.

»Wie sollte ich es Ihrer Meinung nach sonst machen?«, fragte er zurück. »Kann sein, dass eines Tages jede Stadt und jedes Dorf eine Landepiste hat, wo man landen und auftanken kann, und Fliegen so leicht ist wie Autofahren.« Er schwieg einen Augenblick, als wollte er sagen, dass er selbst nicht daran glaubte. »Aber wer heute in ein Flugzeug steigt, der sollte sich darüber im Klaren sein, dass er vielleicht nicht mehr landen kann oder nicht mehr hochkommt, nachdem er gelandet ist. Das sind die Regeln. Entweder stellt man sich darauf ein oder man bleibt lieber zu Hause.«

»Und Sie richten sich danach?«

»Bei klarem Verstand und mit geschlossenen Augen! Im Frieden und im Krieg, bei gutem Wetter oder während eines Sturms, in den Bergen, im Dschungel und in der Wüste…«Er grinste. »Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie uns Colonel Lawrence kurz vor einem Sandsturm befahl, auszuschwärmen und die türkischen Stellungen anzugreifen. Mein Gott! Nie im Leben habe ich so viel Staub geschluckt. Noch eine Woche danach schmeckte alles nach Sand.«

»Kannten Sie Lawrence etwa persönlich?«, fragte McCracken neugierig.

»Ich habe fünf Monate unter seinem Kommando gestanden.«

»Wie war er?«

»Rätselhaft«, lautete die verwirrende Antwort. »Er war mutig und kompromisslos, aber es halten sich seltsame Gerüchte über ihn. Zum Beispiel, dass er eine Vorliebe für arabische Knaben hatte.«

»Sie meinen eine widernatürliche Veranlagung?«

»So kann man es auch nennen.« Der Pilot lachte. »Wider die Natur, wider den guten Geschmack, wider alles, was sich ihm in den Weg stellte.«

»Aber in England wird er doch wie ein Held verehrt«, empörte sich McCracken. »Lawrence von Arabien! Der Herrscher der Wüste.«

»Dass er das war, bezweifelt ja auch niemand. Ein Held ohnegleichen, aber eben andersrum.«

»Was für eine Enttäuschung!«

»Warum denn?«, entgegnete der Amerikaner überrascht und fuhr dann grinsend fort: »Sie haben ihn in die Wüste geschickt, damit er den Türken richtig einheizt, und das hat er getan, oder etwa nicht?«

»Sie nehmen wohl gar nichts ernst, was?«

»Nein, Gott sei Dank nicht! Stellen Sie sich vor, ich würde es ernst nehmen, dass wir uns auf einer Sandbank in einem Fluss befinden, der jeden Augenblick zu einem reißenden Strom werden kann, womöglich von einer Horde von Menschenfressern belauert werden, die nur darauf warten, uns zum Frühstück zu verspeisen. Und das alles bloß, weil ich mich mit einem verrückten Schotten eingelassen habe, der behauptet, er weiß, wo es einen verborgenen Schatz von Gold und Diamanten gibt. Hier, im gottverlassensten Winkel des Dschungels.« Er lachte laut. »Wenn ich das ernst nehmen würde, wäre ich doch längst meschugge! Finden Sie nicht?«

»Vielleicht haben Sie Recht.«

»Na also. Tut mir Leid, wenn ich Ihnen die Augen geöffnet habe, was Ihren Helden angeht, aber es ist nun einmal eine Tatsache. Es sollte trotzdem niemanden daran hindern, ihn zu bewundern. Er war ein großer Stratege, der einzige Mann, den ich kenne, der nicht wie ein Angsthase in Deckung ging, wenn uns die Granaten um die Ohren flogen. Am Ende hatte ich allerdings gelegentlich den Eindruck, dass er um jeden Preis sterben wollte, ja dass er den Tod nachgerade suchte.«

»Wie kommen Sie darauf?«, fragte McCracken neugierig.

»Es war sein ganzes Verhalten. Er schien jegliches Interesse am Leben verloren zu haben, als wüsste er, dass er nach dem Krieg nicht mehr der legendenumwobene Lawrence von Arabien sein würde, der mit Königen und Fürsten verkehrte, sondern bloß ein Colonel im Ruhestand, der sich in Soho seine Knaben von der Straße aufsammeln muss. Schon damals sprach fast niemand mehr von ihm. Als stimmte die alte Redensart: Der Krieg verschlingt die Feiglinge und der Frieden die Helden.«

»Wenn ich mich nicht irre, waren Sie doch auch ein Kriegsheld und trotzdem hat der Frieden Sie nicht verschlungen«, antwortete McCracken. »Sie sind immer noch Jimmie, der König der Lüfte.«

»Ich war weder der Held, noch bin ich der König, für den man mich hält. Ich bin nur ein Einzelgänger, der sich nicht anpassen will und die Welt lieber von oben betrachtet, weil sie mir zu kompliziert ist.« Er deutete mit der Pfeife auf das Wasser. »Und da wir gerade bei Problemen sind, ich fürchte, das Wasser fängt an zu steigen.«

»Machen Sie keine Witze!«

»Ich werde mich hüten. Sehen Sie selbst. Noch vor wenigen Augenblicken reichte es nur bis zu dem Zweig dort. Mittlerweile ist er völlig bedeckt.«

»Was sollen wir machen?«

»Nichts.«

»Wie meinen Sie das?«, fuhr sein Passagier ihn an.

»Genau so, wie ich es sage. Nichts!«, gab der Pilot ebenso schroff zurück. »Das ist eine der Situationen, in denen der Pilot nichts machen kann und sich damit abfinden muss. Als Flieger weiß man, dass die Elemente stets das letzte Wort haben.« Er breitete die Arme aus, als wollte er seine Ohnmacht unterstreichen. »Wenn der Fluss das Flugzeug haben will, dann wird er es bekommen! Das Einzige, worauf es jetzt ankommt, ist, die eigene Haut zu retten, um sich später eine neue Maschine kaufen zu können.«

»Komische Philosophie für einen Mann der Tat!«

»Jetzt hören Sie mal zu, mein Freund«, versetzte der Pilot ungehalten. »Eines Tages tauchten über Verdun sechs Fokker auf, die von Anfängern geflogen wurden, wie ich schnell feststellen konnte. Mir war sofort klar, dass ich zwei oder drei von ihnen leicht abschießen konnte, aber dass mich der Vierte oder Fünfte schließlich treffen würde. Also bin ich Hals über Kopf gelandet und habe mich schnellstens in einen Wald verdrückt. Die verdammten Schweine haben Asche aus meiner Maschine gemacht, aber nach ein paar Monaten hatten Bob Morrison und ich alle sechs abgeschossen. Was hätten Sie an meiner Stelle getan?«