Выбрать главу

Er warf seinem Reisegefährten einen Blick zu. »Na ja, hier gibt es wenigstens keine Türken.«

»Weder Türken noch sonst eine Seele.«

Sie befestigten eine große Plane an einer der Tragflächen und bauten ein improvisiertes Zelt, das ihnen sehr nützlich war, denn mitten in der Nacht setzte ein leichter, aber hartnäckiger Nieselregen ein, der zum Glück nicht stark genug war, um den Boden aufzuweichen.

Als der Morgen graute, lag schon wieder eine schwarze Wolkendecke über der endlosen Weite der Gran Sabana. Kurz darauf zeigte sich am Horizont ein riesiger Regenbogen, doch er war kein Vorbote für gutes Wetter, denn es dauerte nicht lange, bis auch er vom Grau des Himmels verschluckt worden war.

»Verfluchter Regen!«

Sie hockten unter ihrem improvisierten Dach und betrachteten stumpf die Leere und den Regen ringsum, bis der Amerikaner erneut den Boden abtastete und ungewöhnlich übellaunig erklärte: »Entweder starten wir jetzt gleich oder wir bleiben hier. Aber wenn wir bleiben, kann es gut sein, dass wir nicht mehr wegkommen. Der Boden wird allmählich sumpfig.«

Sie entschieden sich für die erste der beiden Möglichkeiten, durchbrachen die dichte Wolkenwand und nahmen Kurs nach Süden. Nach einer Weile tauchten in der Ferne hohe Tepuis wie gespenstische Inseln aus dem endlosen Meer aus Watte auf.

McCracken verfolgte das mit größter Aufmerksamkeit. Hin und wieder bedeutete er seinem Piloten eine leichte Kursänderung.

Trotz seines hervorragenden Orientierungssinns wusste Jimmie bald überhaupt nicht mehr, wo sie waren. Teufel auch! Über ihnen ein wolkenverhangener Himmel und unter ihnen die undurchdringliche, immer gleiche grüne Hölle.

Allmählich keimte der Verdacht in ihm, dass sein Passagier ihn absichtlich in die Irre führte und ihn deshalb eine Runde nach der anderen drehen ließ.

Fast zwei Stunden lang zogen sie ihre Kreise am Himmel, bis der Schotte plötzlich auf einen halb vom Nebel verhüllten flachen Tafelberg zeigte, der vor ihrer Nase aufgetaucht war. Gebieterisch rief er: »Da. Das ist er!«

Für Jimmie war es nur einer von zahllosen Tepuis, die sie seit Stunden überflogen und die alle gleich aussahen.

Zweimal umkreisten sie das Ungetüm, das aus der Nähe mehr Ähnlichkeit mit einer Festung als mit einem Berg hatte. Als McCracken alle Details genau studiert hatte, warf er triumphierend die Arme hoch.

»Das ist er. Wir haben es geschafft!«

Jimmie blieb vor Staunen die Sprache weg. Schließlich fragte er besorgt: »Sie wollen doch nicht, dass ich auf diesem Berg da lande?«

»O doch, genau das will ich!«

»Da oben?«

»Ja, natürlich.«

»Sind Sie verrückt geworden? Der Berg ist mindestens fünfzehnhundert Meter hoch.«

»Und wenn schon!«

»Wir wissen nicht einmal, wie der Boden beschaffen ist. Was sollen wir machen, wenn wir da oben im Morast stecken bleiben?«

»Nein, es ist steinig. Ich war schon einmal da oben. Der Boden ist überall fest.«

»Selbst wenn«, entgegnete der Amerikaner, »erstens ist der Berg fünfzehnhundert Meter hoch und zweitens bestimmt voller Spalten und Unebenheiten.«

»Dann müssen wir eben die Gläser wegräumen!«

Verwirrt schüttelte Jimmie den Kopf.

»Was meinen Sie damit?«

»Na, die Gläser vom Tisch«, erinnerte ihn sein Passagier. »Das waren doch Ihre großspurigen Worte, als ich Sie fragte, ob Sie auf dem Tisch des Lokals landen können, wissen Sie das nicht mehr?«

»Was sind Sie für ein gerissenes Schlitzohr!«, rief der Pilot lachend. »Sie halten sich für besonders schlau, was? Und Sie wollen also tatsächlich, dass ich da unten lande!«

»Dazu sind wir hergekommen.«

»Ein Selbstmordkommando.«

»Aber, aber!«, entgegnete der Schotte und stimmte in das Lachen ein. »Sind Sie nun der beste Pilot der Welt oder nicht?«

»Nun ja, das wird sich zeigen, wenn wir aus diesem Schlamassel heil herauskommen.«

Von diesem Augenblick an schien Jimmie die Anwesenheit seines Passagiers völlig zu vergessen. Seine Konzentration galt ausschließlich der schwierigen Landung, die vor ihnen lag.

Die Oberfläche des Tafelberges bestand aus schwarzem Gestein und wies eine kaum merkliche Steigung von Ost nach West auf. Obwohl sie aus großer Höhe betrachtet ziemlich flach und eben war, erkannten sie, sobald sie tiefer flogen, drei nicht unbedeutende Erhebungen und einen klaffenden Spalt im felsigen Boden, sodass der Raum, der ihnen für eine mögliche Landung blieb, stark begrenzt war.

Wolkenfetzen zogen darüber hinweg und bildeten einen gespenstischen Nebel, der es ihnen unmöglich machte, die Entfernungen einzuschätzen. Allein die Vorstellung, an diesem Ort mit einem Flugzeug landen zu wollen, schien vollkommen verrückt.

Ständig kam der Wind aus einer anderen Richtung, mal kräftig, mal weniger stark. Die spärliche Vegetation bestand größtenteils aus Moos und Flechten und war viel zu niedrig, um die Windrichtung erkennen zu lassen.

Es würde eine Blindlandung am helllichten Tag werden. Als Jimmie zum dritten Mal über den Tafelberg flog und dabei auch noch einen kleinen Bach entdeckte, der sich durch die Felsen schlängelte und etwa zehn Meter von einer steil abfallenden Felswand entfernt verschwand, deren Tiefe er wegen der dichten Wolken nicht erkennen konnte, sagte er außer sich vor Wut: »Unmöglich! Hier können wir nicht landen. Das ist Wahnsinn, wir riskieren Kopf und Kragen!«

Wieder drehte er ab, flog einen neuen Kreis um den Berg und entdeckte ein weiteres Hindernis. Die Ebene im Süden des Tafelberges, die auf den ersten Blick aus festem felsigen Boden bestand, konnte genauso gut schwarzer Lehmboden sein, in dem die Räder stecken bleiben würden. Falls sie dort landen würden, könnte sich die Maschine mit dem Bug in den Boden bohren und in tausend Stücke zerschellen.

»Mist!«

»Was sagen Sie?«

»Mist, verdammter! Sind Sie wirklich sicher, dass es hier ist?«

»Ja! Hundertprozentig!«

»Das ist das Letzte! Konnten Sie die verdammten Diamanten nicht woanders finden?«

»Das haben wir ja versucht, aber immer nur Kuhscheiße gefunden.«

Der König der Lüfte biss die Zähne zusammen, gab seine Seele in Gottes Hand und zog einen weiten Bogen Richtung Süden. Als sie sich etwa einen Kilometer von dem Tepui entfernt hatten, drehte er um und flog knapp über der Wolkendecke auf die Felseninsel zu, die sich wie ein vom Nebel umhülltes Märchenschloss mitten in einem endlosen weißen Meer erhob. Dabei ließ er den Berg nicht für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen.

»Beten Sie zu Gott!«, rief er McCracken zu.

»Bin schon dabei«, lautete die Antwort.

»Dann legen Sie auch für mich ein gutes Wort ein. Ich hab jetzt keine Zeit dazu.«

Plötzlich stieß er einen heiseren Schrei aus, als wollte er die zermürbende Spannung vertreiben, und als sie nur noch hundert Meter von der Steilwand entfernt waren, streckte er den Arm aus und schaltete den Motor aus.

Schlagartig brach das Dröhnen der Maschine ab, der Propeller verlor an Schwung, bis er zum Stillstand kam, und eine unheimliche Stille breitete sich aus. Totenstille, der Vorbote des Todes zwischen den Wolken, die sich wie ein weißes Leichentuch über die beiden Männer legte.

Es war ein magischer, einmaliger Augenblick.

Die alte Bristol Piper glitt sanft durch die Luft und verlor auf der Suche nach dem Rand des Felsens Meter um Meter an Höhe, als könne sie sich nicht entscheiden, ob sie gegen die Felswand prallen und in die Tiefe stürzen oder tatsächlich auf dem Berg landen wollte. Plötzlich schien die ganze Welt stillzustehen und Zeuge einer Katastrophe zu werden, die sich hier in diesem abgeschiedenen Winkel am Ende der Welt anbahnte.