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Wieder herrschte Schweigen. McCracken dachte nach und sagte schließlich: »Mir stehen neunzig Prozent zu, weil ich den größten Teil meines Lebens damit verbracht habe, diesen Ort zu suchen. Aber ich will Ihnen einen Vorschlag machen. Ihre zehn Prozent gegen sechs Stunden. Gehen Sie und suchen Sie die Stelle. Alles, was Sie finden, gehört Ihnen, aber wenn Sie nichts finden, werden Sie alles verloren haben.«

Der König der Lüfte warf ihm einen langen, bohrenden Blick zu. Was er sah, missfiel ihm scheinbar, denn er grinste breit und erwiderte: »Sie Schlitzohr! Sie wollen mir eine Lektion erteilen, was? Von wegen Habgier führt ins Verderben.« Er stopfte seine Pfeife und zündete sie achselzuckend an. Nach geraumem Schweigen gab er endlich nach. »Na schön, Sie sitzen am längeren Hebel. Ich gebe mich geschlagen. Ich nehme die zehn Prozent. Es ist mehr als das, womit ich gerechnet habe, und wenn ich vorsichtig bin und nicht alles auf einmal verprasse, könnte auch ich ein sorgenfreies Leben führen. Was schlagen Sie jetzt vor?«

»Dass wir versuchen, so schnell wie möglich in die Zivilisation zurückzukehren.«

Der Pilot sah sich um und dachte eine Weile nach. Dann stand er auf und streckte die Arme aus.

»Der Nebel kann sich ebenso gut drei Stunden wie drei Tage halten. Und eigentlich ist es völlig egal, ob wir beim Start etwas sehen können oder nicht. Also brechen wir auf.«

Sie fingen an, die Plane abzubauen und die Maschine loszumachen. Während sie schweißgebadet das Flugzeug wendeten, um in Richtung des Abgrundes starten zu können, fragte der Amerikaner plötzlich:

»Jetzt sagen Sie mal ganz ehrlich: Wie lange hätte ich gebraucht, um diese Ader zu finden?«

Der andere lächelte belustigt.

»Mit Sonne und viel Glück einen Monat. Ohne das niemals.«

»Sie sind mir ja ein Schlawiner! Mit anderen Worten, ich hätte keine Chance gehabt. Ich wäre völlig leer ausgegangen.«

»Mehr oder weniger.«

»Gut zu wissen.«

Jimmie kletterte in die Maschine und setzte sich auf den Pilotensitz, wo er seinem Fluggast mit einer Geste bedeutete, den Propeller anzuwerfen. Anschließend ließ er den Motor in aller Ruhe Warmlaufen. Während sie das Lager abbauten, erklärte er beiläufig, als sei die Tatsache ganz unbedeutend: »Die Strecke ist nicht lang genug, um abzuheben. Sobald wir über den Rand des Abgrunds schießen, wird die Maschine an die fünfhundert Meter in die Tiefe fallen. Versuchen Sie, sich möglichst wenig zu bewegen. Das Wichtigste ist, dass wir die Flugrichtung beibehalten, damit wir nicht vom Kurs abweichen und gegen eine Felswand prallen, wenn der Motor anfängt, uns abzufangen. Beim kleinsten Seitenwind sind wir geliefert!«

»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, werden wir also gar nicht richtig fliegen?«

»Damit ein Doppeldecker fliegen kann, muss er eine bestimmte Trägheit erreicht haben. Und wir haben hier einfach nicht genug Platz, um die nötige Geschwindigkeit zu erreichen.«

»Sie wollen sich doch nicht etwa rächen und mir Angst einjagen?«

»Was hätte ich wohl davon?«, antwortete der Amerikaner. »Ich will Ihnen nur klar machen, dass es sein kann, dass wir auf einem Baumwipfel landen.«

»Dann werden wir die reichsten Affen sein, die der Urwald je gesehen hat«, scherzte McCracken mit offensichtlichem Galgenhumor, während er den Inhalt der beiden Bastkörbe, sorgfältig nach Gold und Diamanten getrennt, in braune und schwarze Wildledersäcke umfüllte.

Plötzlich erweckte ein ungewöhnlich großer Goldklumpen seine Aufmerksamkeit. Er hatte die Form eines leuchtend gelben Reihers, der zum Flug ansetzt.

»Der hier ist für Sie!«, sagte er und zeigte Jimmie den Klumpen. »Er sieht aus wie ein Abzeichen für das Geschwader des Goldenen Reihers.«

»Klingt nicht übel!«, räumte der Pilot ein. »Aber wenn die Kiste hier den Arsch nicht hochkriegt, wird es das Abzeichen für das Geschwader mit der kürzesten Lebensdauer in der Geschichte der Luftfahrt werden, fürchte ich.« Er nahm den goldenen Reiher und nickte. »Ich verspreche Ihnen, dass ich ihn stets bei mir tragen werde, solange ich fliege!«

Als McCracken ihm wenig später drei braune und ein schwarzes Säckchen überreichte, prüfte der Pilot das Gewicht und sagte wie aus der Pistole geschossen: »Wenn mich nicht alles täuscht, sind das hier mehr als nur zehn Prozent.«

»Schon möglich. Ich habe leider keine zuverlässige Waage dabei«, antwortete der andere achselzuckend. »Ich jedenfalls bin mit meinem Anteil zufrieden. Mehr brauche ich nicht. Aber was meinen Sie, sollten wir uns langsam auf den Weg machen?«

»Dasselbe wollte ich Ihnen auch vorschlagen. Ich sehe hier weit und breit keine Kneipe, wo wir feiern könnten«, erwiderte der Pilot.

Der Nebel hatte sich kaum gelichtet, sodass sie keine drei Meter weit sehen konnten, doch angesichts der Tatsache, dass sie auf allen Seiten von einem tiefen Abgrund umgeben waren, war es relativ gleichgültig, ob sie das, was vor ihrem Bug lag, sehen konnten oder nicht.

Kurz bevor sie auf ihren Sitzen Platz nahmen, drehte sich der König der Lüfte zu seinem Passagier um und streckte ihm die Hand entgegen. Der andere drückte sie fest.

»Egal, wie das Ganze ausgeht«, erklärte Jimmie bewegt. »Sie sollen wissen, dass ich sehr froh bin, Sie kennen gelernt zu haben, und es keinen Augenblick bereut habe, mich mit Ihnen auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben.«

»Was immer passiert«, antwortete der Schotte, »auch ich freue mich über unsere Bekanntschaft und bin überzeugt, dass ich keinen mutigeren und besseren Piloten hätte finden können… Viel Glück!«

»Gleichfalls! Schnallen Sie sich an und halten Sie sich fest. Denken Sie daran, so wenig wie möglich bewegen!« So lauteten die letzten Anweisungen des Piloten. »Sie können so laut schreien, wie Sie wollen, Hauptsache, Sie rühren sich nicht vom Fleck!«

Mehr als fünf Minuten blieben sie schweigend auf ihren Plätzen angeschnallt sitzen, umhüllt von einem feuchtwarmen Dunst, der ihre ledernen Fliegeranzüge durchnässte, bis sie anfingen zu stinken. So lange brauchte der Pilot, um jeden einzelnen Handgriff im Kopf durchzugehen, den er ausführen würde, sobald sie gestartet waren.

Man hätte ihn für einen Kunstspringer halten können, der sich auf der Kante des Sprungbretts auf jede Drehung und Pirouette konzentriert, die ihm ermöglichen würden, anschließend so gerade und widerstandslos wie ein Nagel ins Wasser einzudringen.

Schließlich stieß er einen tiefen Seufzer aus.

»Sind Sie bereit?«, fragte er.

»Jawohl!«, antwortete McCracken ernst.

»Na schön. Auf geht’s!«, rief Jimmie.

Langsam holperte die helle Bristol Piper durch den dichten Nebel, der um den Gipfel des Tepui waberte, über die Felsspalten und Höcker in dem felsigen Boden mit seiner kargen moosigen Vegetation. Der Propeller fing an zu kreischen, als drehte er sich plötzlich in die falsche Richtung. Die Maschine gewann immer mehr an Tempo, bis sie plötzlich einen zaghaften Satz machte und sich blind in den leeren Raum fallen ließ.

Der Tod faltete seinen schwarzen Umhang auf und sprang hinterher, um sie einzufangen.

Zweiter Teil

Man konnte nichts erkennen.

Absolut nichts.

Über den Wolken brannte die Sonne unbarmherzig, aber hier unten am Boden war das Licht nur ein trübes und staubiges Halbdunkel, wo alles wie in einem nicht enden wollenden Albtraum ebenso schnell auftauchte wie es verschwand.

Versunken beobachtete McCracken die unwirkliche Landschaft.

Mehr als eine Stunde verging, ehe die alte Dame, die ihm im Zugabteil gegenüber saß, ihre runde Brille abnahm und sie behutsam zu putzen begann. Ohne ihn anzusehen, erklärte sie plötzlich: »Als ich klein war, gab es für mich nichts Schöneres, als mit dem Zug durch diese Gegend zu fahren. Alles war grün. Endloses, von winzigen Blumen übersätes saftiges Weideland. Ein dunkelblauer Himmel, an dem weiße Wolken seltsame Figuren bildeten. Meine Brüder und ich gaben ihnen während der Zugfahrt Namen. Und manchmal tauchten am Horizont sogar Büffelherden auf.«