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Wie sehr er seine alte Bristol vermisste!

Während der Dreharbeiten zu Legion der Verdammten hatte er eine Bruchlandung hingelegt und war wie durch ein Wunder unversehrt aus dem brennenden Wrack gestiegen.

Wenn Jimmie ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass es tatsächlich an ein Wunder grenzte, dass er noch lebte. Vielleicht lag es an seinem Namen, jedenfalls musste er einen Schutzengel haben, der Tag und Nacht über ihn wachte. Anders war es nicht zu erklären, dass er bislang alle gefährlichen Abenteuer so gut wie unbeschadet überstanden hatte.

Ein paar Narben, mehrere gebrochene Rippen und ein gebrochenes Bein, das nun etwas kürzer war als das andere — das war der Preis, den er für Millionen von Adrenalinstößen hatte bezahlen müssen.

Kaum der Rede wert.

Vor allem, wenn er an das Schicksal seiner unzähligen ehemaligen Kollegen dachte, die weniger Glück gehabt hatten als er.

Dutzende, vielleicht auch Hunderte von Piloten waren bei Bruchlandungen umgekommen oder, was ihm noch schlimmer vorkam, bei lebendigem Leib in ihren Maschinen verbrannt. Er aber war immer noch da, auch wenn er jetzt unmerklich hinkte und über allerlei Zipperlein klagte, sobald das Wetter umschlug.

Er hatte Glück gehabt, vielleicht allzu viel Glück. Wahrscheinlich hatte Virginia Recht und es war höchste Zeit, dass er aufhörte, damit zu kokettieren.

Er setzte seinen Weg fort, betrat Currys Kneipe und setzte sich an die Theke. Noch ehe er ein Wort herausgebracht hatte, schenkte ihm der Wirt einen großzügigen Whisky ein und erklärte: »Du brauchst kein Wort zu sagen. Virginia ist in die Luft gegangen, stimmt’s?«

»Woher weißt du das?«

»Weil ich Virginia von klein auf kenne.«

»Es ist ungerecht«, beschwerte sich Jimmie.

»Nicht aus ihrer Sicht. Virginia will nur nicht frühzeitig Witwe werden. Und sie hat das Gefühl, dass sie es bald sein wird, wenn du so weitermachst.«

»Als wir uns kennen gelernt haben, war ich Pilot in einem Zirkus«, protestierte Jimmie wütend. »Wenn ich meine Runden da oben drehte, hatte ich zwei Kerle auf den Tragflächen sitzen. Das hat sie nicht daran gehindert, mich zu heiraten. Warum stellt sie sich jetzt so an?«

»Weil alle Frauen sich einbilden, sie könnten den Mann, den sie lieben, derart umkrempeln, bis er ihnen nicht mehr gefällt.« Der Wirt schenkte ihm nach. »Glaub mir!«, fuhr er fort. »Virginia wird dich so lange lieben, bis sie einen Mechaniker oder Postpiloten aus dir gemacht hat.« Er zapfte sich ein Bier. »Dann wird sie sich über ihren Sieg freuen, aber auch aufhören, dich zu bewundern, und nach einem Jahr wird sie mit dem Erstbesten, der ihr über den Weg läuft, durchbrennen.« Er nahm einen langen Zug und stellte den Bierkrug auf die Theke, wobei er vernehmlich rülpste — ob aus Ekel oder Verachtung, war unklar. »Ich kann ein Liedchen davon singen!«

»Du kannst doch Virginia nicht mit Ketty vergleichen.«

»Ich bin kein Freund von Vergleichen«, entgegnete der Wirt, »aber damals hatte ich mir einen Namen als Rennfahrer gemacht und man sagte mir eine große Karriere in der Branche voraus.« Er seufzte frustriert. »Aber wer hält schon das ewige Gejammer einer ängstlichen Frau aus? Sie hat so lange auf mich eingeredet, bis ich die Rennfahrerei an den Nagel gehängt habe und wir uns hier niedergelassen haben.« Er machte eine verächtliche Gebärde, die alles einschloss, was ihn in seinem Lokal umgab. »Den Rest der Geschichte kennst du ja. Zwei Jahre lang hat sie es hier an der Zapfsäule ausgehalten, bevor sie dann mit einem vermeintlichen Schauspieleragenten durchgebrannt ist. Und weißt du, wie weit sie es gebracht hat? Nicht weiter als zu einem Zwanzigsekundenauftritt in einem Musical.«

»Du kannst ihr doch nicht dein Leben lang nachtrauern!«

»Nein, natürlich nicht. Tatsache ist aber, dass ich immer noch hier bin und meine Gläser spüle, während sie in Hollywood lebt und zu jedem ins Bett steigt, der ihr eine kleine Rolle verspricht.« Er stützte die Ellbogen auf die Theke und musterte seinen Freund eindringlich. »Lass dir die Gelegenheit nicht durch die Lappen gehen, hörst du? Wenn du sicher bist, dass du diesen Schatz da unten finden kannst, dann lass dich nicht von Virginia davon abbringen.«

»Sie ist meine Frau«, erinnerte ihn Jimmie.

»Frauen gibt es wie Sand am Meer«, rief ihm sein Freund ins Gedächtnis. »Sie kommen und gehen, aber dein Schicksal gehört nur dir. Es wird mit dir geboren und verlässt dich nie. Der Mann, der wegen einer Frau auf sein Schicksal verzichtet, verdammt sich selbst.«

»Ich wusste gar nicht, dass du so ein Philosoph bist.« Jimmie grinste. »Ich dachte immer, dass du dich nur für Baseball, Autorennen und Bier interessierst.«

»Wahrscheinlich weil mir noch nie jemand wie du über den Weg gelaufen ist. Wo hat man das gehört, da erbt einer eine Goldmine und seine Frau verbietet ihm, die Erbschaft anzunehmen?«

»Darum geht es gar nicht«, entgegnete Jimmie. »Die Sache ist nicht so einfach, wie du denkst.«

»Warum nicht?«

»Weil der verdammte Tafelberg am Arsch der Welt liegt. Und wahrscheinlich würde ich nicht noch einmal darauf landen können, auch wenn ich ihn tatsächlich finden sollte, was ich bezweifle.«

»Aha, jetzt kommen wir der Sache näher. Du hast also Angst.« Der Wirt schenkte sich ein weiteres Bier ein. »Gib es zu, du hast Angst. Du fühlst dich alt und traust es dir nicht mehr zu. Dann mach aber nicht Virginia dafür verantwortlich, sonst könnte sich deine Frustration schnell in Hass verwandeln. Sie hat ganz klar gesagt, was sie will. Jetzt bist du an der Reihe. Was willst du?«

»Ich? Ich will hinfliegen!«

»Dann tu es, verdammt noch mal!«

»Würdest du es an meiner Stelle tun?«

»Ohne mit der Wimper zu zucken!«

»Ist das dein Ernst?«

»So wahr ich hier stehe!«

»Würdest du mitkommen?«

»Sofort.«

Der König der Lüfte lehnte sich auf seinem Barhocker zurück, als bräuchte er mehr Platz, um den großen hageren Mann mit dem blassen Gesicht und dem festen Blick auf der anderen Seite der Theke besser ansehen zu können.

»Bist du sicher?«, fragte er schließlich. »Würdest du hier alles stehen und liegen lassen, um mit mir nach Venezuela zu fliegen?«

»Auf der Stelle!«, antwortete sein Freund in einem Tonfall, der jeden Zweifel ausräumte. »Seit du mir erzählt hast, dass du diesen Schotten getroffen hattest, zerbreche ich mir den Kopf darüber, wie ich dich bitten könnte, mich mitzunehmen.« Er deutete auf das halb leere, in aufdringlich fröhlichen Farben gestrichene Lokal. »Was lasse ich hier schon zurück. Was ist das für eine Zukunft?«

»Eine ruhige.«

»Eine voller Ekel und Hunger«, korrigierte sein Freund. »Jedes Mal, wenn die armen Teufel hier anhalten, um zu tanken, gebe ich ihnen das Benzin zum halben Preis, weil ich mich schon genau wie sie durch dieses gottverfluchte Land irren sehe.« Er stützte die Arme auf die Theke und wurde so laut, dass er fast aggressiv klang. »Dieses Land geht unter, Jimmie! Politiker und Spekulanten richten es zugrunde, ehrliche und arbeitsame Menschen werden verarscht. Wir haben nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir zetteln eine Revolution an, bei der viel Blut fließen wird, oder wir wandern aus.«

»Bist du etwa Kommunist geworden?«

»Komm schon, Jimmie, du bist doch nicht blöd! Was hat der Kommunismus mit der Wahrheit zu tun? Das sind doch Gegensätze. Tatsache ist, dass ich nur noch ein Viertel von dem verkaufe, was ich vor drei Jahren umgesetzt habe. Und manchmal habe ich ein so schlechtes Gewissen, dass ich das Benzin verschenke, verdammt! Das hat mit Kommunismus oder Faschismus rein gar nichts zu tun. Das ist die verdammte Realität, und sonst gar nichts!«