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Sein Schutzengel hatte ihn geradewegs an sein Ziel geführt. Nach Managua.

Wenn ihm seine Erinnerung keinen Streich spielte, lag der Flughafen im Osten der Stadt, direkt am See. Doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte kein einziges Licht erkennen, das die Landebahn markierte.

Er überflog die Gegend.

Einmal, zweimal, dreimal.

Irgendwer musste doch Bereitschaftsdienst haben.

Irgendwer musste den Lärm des Motors hören und verstehen, dass sie in Not waren.

Irgendwer… aber wer?

Wieder stotterte der Motor.

Noch eine Runde?

Plötzlich flammten nacheinander die Lampen der Rollbahn neben dem See auf.

Man hatte sie gehört!

Jemand versuchte, ihnen zu helfen. Doch dann fiel Jimmie auf, dass ihn entweder sein Gedächtnis betrog oder diese Lampen nicht die richtige Richtung wiesen.

Doch für solche Überlegungen war jetzt keine Zeit.

Es gab nicht genügend Sprit, um sich sinnlose Fragen zu stellen.

»Halt dich gut fest!«, rief er und ließ die Maschine auf die unsichtbare Piste heruntersacken.

Knapp über der Wasseroberfläche des Sees flog er an und setzte dann nur drei Meter von der einzigen Lichterkette entfernt auf die asphaltierte Landebahn auf.

Einige der Gaslampen waren bereits von Regen und Wind gelöscht worden.

Er konnte so gut wie nichts sehen.

Dann schaltete er den Motor aus und schlug drei Kreuze.

Ziemlich ruppige Landung!

Einige Sekunden, die ihnen wie eine Ewigkeit vorkamen, rollte die Maschine ziellos weiter, machte noch einen Satz und setzte erneut auf. Dann holperten sie weiter, bis die Piste abrupt abbrach, die Maschine sich überschlug und der Bug sich in die Erde bohrte.

Der Propeller brach ab wie ein Zahnstocher.

Dann folgte Stille.

Eine Stille, die einzig durch das Trommeln des Regens auf den Rumpf der Gipsy Moth unterbrochen wurde.

Ein Stich fuhr Jimmie durch die Brust.

Seine Beine taten weh.

Am meisten aber schmerzte ihn seine Seele, als ihm klar wurde, dass alles zu Bruch gegangen war, was er auf Erden besaß.

Als er wieder zu sich kam, fragte er ängstlich: »Dick? Alles in Ordnung? Sag was!«

»Ich lebe noch!«, antwortete der andere heiser. »Was zum Teufel willst du hören? Dass ich die Fliegerei zum Kotzen finde?«

Man brachte sie in einem alten Schuppen unter, der gleichzeitig als Hangar diente. In der Nacht mussten sie ihn mit einem Dutzend Kühen teilen.

Trotzdem waren sie dankbar.

Zum Glück gab es kein elektrisches Licht, sonst wären sie vielleicht auf die Idee gekommen, auch nachts mit den Reparaturarbeiten weiterzumachen.

Draußen regnete es.

Tatsächlich wollte es gar nicht mehr aufhören zu regnen, als beklagte der Himmel den riesigen Verlust, den sie erlitten hatten.

»Meinst du, wir kriegen die Maschine wieder hin?«, fragte Curry ängstlich, während er das Flugzeug begutachtete, in das er sein ganzes Vermögen investiert hatte.

»Der Propeller ist keinesfalls zu retten. Wahrscheinlich brauchen wir auch ein neues Fahrwerk, aber was zählt, ist der Motor und ich glaube, dass er keinen allzu großen Schaden genommen hat.«

»Bist du sicher?«

»Nein. Das werden wir erst wissen, wenn wir ihn auseinander genommen haben.«

Sie machten sich unverzüglich an die Arbeit, obwohl ihnen alle Knochen wehtaten und sie bei der geringsten Anstrengung vor Schmerzen stöhnten. Doch als sie am Ende den Motor zerlegt und alle Einzelteile mit unendlicher Sorgfalt unter die Lupe genommen hatten, wechselten sie einen erleichterten Blick.

»Ein neuer Propeller und ein neues Fahrwerk und mit etwas Geduld und Glück kriegen wir die Kiste wieder zum Fliegen«, murmelte Curry zuversichtlich.

Der Chef des Flughafens, ein umgänglicher Mann mit einer großen Leidenschaft für alles, was fliegen konnte, bot ihnen seine Hilfe an.

»Dort drüben gegenüber dem Wäldchen ist vor weniger als einem Jahr eine Boeing 40 in den See gestürzt. Vielleicht kann man das Fahrwerk noch benutzen, wenn es intakt geblieben ist.«

»Aber wie könnten wir sie bergen?«

»Mein Schwager ist Fischer. Wenn es ihm gelänge, eine Kette an der Boeing anzubringen, könnte man sie mit Hilfe der Kühe vielleicht an Land ziehen. Sie sollten mit dem Besitzer sprechen.«

Es kostete sie fünfzig Dollar. Ein kleines Vermögen für Leute wie sie, die jeden Cent zweimal umdrehen mussten. Doch blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf den Handel einzugehen, wenn sie nicht weiter bei den Kühen schlafen und darauf warten wollten, dass aus Panama oder Mexiko Stadt ein viel teureres Fahrwerk eintraf. Und womöglich würde auch das von einer verunglückten Maschine stammen, die irgendwer ausgeschlachtet hatte.

Für den Propeller mussten sie selbst sorgen.

Zum Glück gab es in Nicaragua mehr als genug Edelholz und in einem kleinen Dorf im Landesinneren fanden sie tatsächlich einen Schreiner, der sich bereit erklärte, ihnen einen Propeller zu bauen.

Doch er war langsam. Langsam und pingelig. Vermutlich war ihm klar, dass die beiden verrückten Gringos wie ein Stein vom Himmel stürzen würden, wenn der Propeller nicht hundertprozentig ausbalanciert war.

An einem abscheulich schwülen, langweiligen Vormittag, an dem es ohne Unterbrechung regnete und sie unter dem Vordach ihres Schuppens saßen und resigniert auf den Propeller warteten, der offenbar nie kommen würde, fuhr plötzlich ein Wagen vor. Virginia stieg aus, hagerer als je zuvor.

Wortlos musterte sie die zertrümmerte Maschine und warf einen Blick auf die beiden Männer, die da hockten wie ein Häufchen Elend.

»Sehr weit seid ihr ja nicht gekommen«, erklärte sie vorwurfsvoll. »Ein Wunder, dass ihr noch lebt und sie euer Hirn nicht von der Windschutzscheibe kratzen mussten. Falls ihr überhaupt so was wie Hirn im Schädel habt.«

»Was machst du hier?«

»Ich habe in der Zeitung gelesen, dass eine De Havilland abgestürzt ist; das konntet nur ihr sein. Daraufhin habe ich die Botschaft in Managua angerufen und sie haben es bestätigt.« Sie trat zu ihrem Mann und gab ihm einen Tritt in den Hintern. »Du hättest dir wenigstens die Mühe machen können, mich zu informieren.«

»Wozu? Die zwei Monate sind doch noch nicht vorbei.«

»Zwei Monate, du sagst es. Immerhin sind schon drei Wochen vergangen und ihr seid immer noch hier. Dabei habt ihr nicht mal die Hälfte des Weges geschafft, ihr Idioten!«

»Jetzt mach aber mal halb lang«, mischte sich Curry ein.

»Du hältst lieber den Mund! Wie kann man nur so blöd sein, eine sichere Existenz aufs Spiel zu setzen! Du hättest mit deiner Kneipe ein sorgenfreies Leben führen können, aber stattdessen…«

»Noch ist nichts verloren«, unterbrach Curry sie. »Sobald wir den Propeller haben…«

»Propeller!«, fiel sie ihm ins Wort. »Was weißt du schon vom Fliegen? Du hast doch keine Ahnung. Der Propeller ist die Seele eines Doppeldeckers, das weiß sogar ich. Wenn man ihn auswechselt, wird die Maschine nie wieder so fliegen wie vorher. Wenn du mir nicht glaubst, dann frag doch deinen verdammten Freund!«

»Ich bitte dich, Virginia«, ging der König der Lüfte dazwischen. »Lass uns in Ruhe. Wir haben auch ohne dich genug Probleme.«

Seine Frau warf ihnen einen langen Blick zu und schien einzusehen, dass Jimmie Recht hatte. Schließlich setzte sie sich auf einen Tisch, auf dem mehrere Landkarten ausgebreitet waren.

»Das kann man wohl sagen. Außerdem stinkt ihr bestialisch und wie ich euch kenne, ernährt ihr euch nur von der Milch eurer Kühe hier. Na schön, wir werden als Erstes ein vernünftiges Hotel suchen, damit ihr ein ordentliches Bad nehmen könnt. Dann braucht ihr auch neue Klamotten und etwas Anständiges zu essen.«