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»Nein, natürlich nicht, Liebster«, antwortete sie zärtlich. »Ich habe auch nicht gesagt, dass du unser Leben ruinierst. Ich habe mich nie beklagt. Wir haben es beide so gewollt und genau so leben wir im Augenblick. Lieber will ich hier mit dir ausharren und wissen, dass du das tust, was dir gefällt, als in einer Villa in Texas sitzen und auf dich warten, während du mit Nitroglyzerin im Frachtraum durch die Gegend fliegst. Ich weiß sehr wohl, wie sehr dir das verhasst war.«

»Es war weniger, dass es mir verhasst war«, gab Jimmie ehrlich zu. »Ich habe eine Heidenangst davor.«

Mary setzte sich mit ihrem Teller ihm gegenüber und fragte: »Warum hast du nie mit mir darüber gesprochen? Ist es so schlimm?«

»Schlimm?«, entgegnete ihr Mann. »Schlimm, mit einer Ladung kleiner Fläschchen unterm Hintern abzuheben, die einen bei der kleinsten Erschütterung in tausend Stücke zerfetzen können? Das ist nicht schlimm, mein Liebling, das ist so, als würde man bei lebendigem Leib in die Hölle hinabsteigen. Nitroglyzerin ist wie ein schlafendes Ungeheuer, das einen verschlingt, sobald es aufwacht. Dieses Zeug ist gespenstisch, schlimmer als der schlimmste Albtraum. Vor allem, wenn man schon mal mit eigenen Augen gesehen hat, wie die Maschine vor einem explodiert ist und man später kein Teil fand, das größer gewesen wäre als dieser Teller hier.«

»Das hast du gesehen?«, fragte Mary entsetzt, und als sie keine Antwort erhielt, setzte sie zaghaft hinzu: »Ist Alex so gestorben?« Wieder erhielt sie keine Antwort. »Warum hast du nie mit mir darüber sprechen wollen, was an jenem Tag passiert ist?«

»Weil genauso gut ich derjenige hätte sein können, der da in die Luft flog.«

»Dann erzähl es mir jetzt.«

»Wir waren nach Houston gerufen worden und kamen fast gleichzeitig dort an. Stanley, Alex, Gus und ich…«

Sie hatten sich auf die Terrasse gesetzt. Mary verrührte den Zucker in ihrem Kaffee, den sie in kleinen Schlucken zu trinken pflegte, und ihr Mann stopfte seine Pfeife bis zum Rand mit Tabak voll, als wollte er sichergehen, dass sie diesmal lange brennen würde.

»Von Anfang an war uns bewusst, dass wir eine hochgefährliche Aufgabe vor uns hatten. Vielleicht die schwierigste, die man uns jemals gestellt hatte. Eine Ölquelle im mexikanischen Tampico brannte schon seit vier Tagen und niemand hatte sie löschen können. Es gab nur noch eine Hoffnung: Nitroglyzerin. Es lagerte dort in Houston, mehr als tausend Kilometer vom Einsatzort entfernt.«

Er zündete ein Streichholz an und zog kräftig an seiner Pfeife.

»Ein Flug von mehr als tausend Kilometern und kein Flughafen auf der Strecke gab uns die Genehmigung, mit der verfluchten Ladung zwischenzulanden! All unsere Anfragen und Anträge wurden abgelehnt. Wir mussten sämtliche Wohngegenden weitläufig umfliegen und durften nirgendwo landen. Um nach Tampico zu gelangen, mussten wir in schnurgerader Linie fliegen und das bedeutete, übers Meer.«

»Verstehe.«

»Ja, wir haben auch schnell verstanden, was das hieß, vor allem, weil die Gesellschaft uns nur ein paar klapprige zweimotorige Douglas T2D zur Verfügung stellen konnte. Die Maschinen hatten der Marine gehört und besaßen nicht die erforderliche Reichweite, es sei denn, man rüstete sie mit zusätzlichen Tanks aus. Aber das verlagert den Schwerpunkt und macht Landungen wie Starts zu einer Frage reiner Intuition.« Er seufzte laut. »Wir mussten die Metallbehälter wiegen, bevor wir sie im hinteren Frachtraum der Maschine verstauten, dann abschätzen, wie viel Treibstoff wir ungefähr verbraucht hatten und wie viel wir noch brauchen würden, um bis an die Ölquelle zu gelangen und landen zu können. Das, was übrig war, ließen wir ab.«

»Ihr müsst doch verrückt gewesen sein, euch auf so etwas einzulassen!«

»Der Grund für diese Verrücktheit waren siebentausend Dollar. Siebentausend Dollar dafür, dass wir die verdammte Ladung sicher zu einer in aller Eile eingerichteten Piste drei Kilometer nördlich der brennenden Ölquelle brachten, deren Rauchsäule wir schon von weitem erkennen konnten. Und zweitausend für die Familie derjenigen, die es nicht bis zum Ziel schafften.«

»Mein Gott! Jetzt verstehe ich, warum du nie darüber reden wolltest.«

»Die Angst, die ich hatte, reichte für zwei. Ach was, für tausend Mann!« Jimmie schwieg eine Weile, während er an jenen verhängnisvollen Tag dachte, an den er sich so lebhaft erinnerte, als sei es erst gestern gewesen. »Wir vier arbeiteten die ganze Nacht an den Maschinen, obwohl nur drei fliegen würden.«

»Warum hast du nicht abgelehnt? Du wusstest doch, dass ich auf dich gewartet habe.«

»Ich brauchte das Geld, um die letzte Rate für die Tiger abzustottern. Am Morgen haben wir die Karten darüber entscheiden lassen, wer unten blieb und in welcher Reihenfolge die anderen drei fliegen sollten. Stanley hat verloren.«

»Verloren oder gewonnen?«

»Nenn es, wie du willst. Tatsache ist, dass er draußen war. Wir gaben ihm tausend Dollar, jeder steuerte ein Drittel bei. Alex sollte als Erster starten. Wenn er ans Ziel kam, würde er uns sofort Bescheid geben. Dann brauchten Gus und ich gar nicht erst zu starten und würden jeweils tausend Dollar Abfindung bekommen. Wenn Alex es nicht schaffte, war Gus dran und danach wäre ich gekommen…«

»Und Alex kam nie an.«

»Ja, so ist es. Er kam nie an. Um genau zu sein, er kam nicht mal dazu, sich in die Luft zu erheben. Sie hatten in Freeport, wo wir das Zeug abholen mussten, weil wir nicht von Houston aus fliegen durften, eine wenig befahrene Straße, die an der Küste entlang verlief, in eine Landebahn verwandelt. Mit Recht hatten sie eine Heidenangst davor, dass wir die ganze Stadt in die Luft jagen könnten.«

»Was für ein Wahnsinn, mein Gott!«

»Ja, es war reiner Wahnsinn. Aber noch schlimmer wäre es gewesen, wenn das Feuer auf die benachbarten Ölquellen übergegriffen hätte. Irgendetwas musste unternommen werden und wir waren die Einzigen, die dazu in der Lage waren. Also wurde die tödliche Fracht geladen, Alex verabschiedete sich von uns, drückte sich selbst den Daumen und forderte uns auf, die Bremsklötze zu entfernen und so weit wegzulaufen, wie wir konnten.«

Jimmie verstummte. Reglos starrte er in die Dunkelheit der Nacht, dann stand er langsam auf und ging ins Haus, um sich einen doppelten Whiskey einzuschenken, was er sonst nur noch selten tat.

Als er mit dem Glas in der Hand zurückkam, fuhr er fort.

»Ich habe mir immer gesagt, dass er überstürzt gehandelt hat. Er hatte noch viel Platz, aber er muss befürchtet haben, dass er nicht mehr ausrollen könnte, wenn ihm der Start misslang. Deshalb hat er wahrscheinlich versucht, zu früh hochzukommen. Der Motor war stark, aber vermutlich hat Alex das zusätzliche Gewicht der Ersatztanks und der Ladung im Heck falsch eingeschätzt…« Er setzte sich wieder hin. »Ich nehme an, dass einer der Ersatztanks verrutscht ist, denn plötzlich sahen wir, wie sonderbar sich der Flieger verhielt. Er kippte scharf nach rechts, dann fing er sich wieder, und plötzlich verwandelte er sich in einen Feuerball. Von einem Augenblick auf den anderen hatte er sich in Luft aufgelöst.«

»Mein Gott, der arme Alex.«

»Er hat nichts davon mitbekommen«, erklärte Jimmie. »Das ist wohl das einzig Gute an dem Zeug. Man leidet nicht, wie wenn man abstürzt, man merkt nicht einmal, dass man stirbt, dazu bleibt gar keine Zeit… Plötzlich ist alles vorbei, in einer Zehntelsekunde hörst du auf zu existieren.«

»Es tut mir weh und es macht mir Angst, wenn du so redest.«

»Deshalb rede ich auch nicht gern darüber. Ich will dir weder wehtun noch Angst machen.«

»Und weiter, was ist mit Gus passiert?«

»Er hat die Lektion gelernt. Wir warteten, bis sie die Piste gesäubert hatten, und dann ist er gestartet, perfekt, ein Bilderbuchstart. Er ließ die Maschine einfach von selbst abheben, ohne etwas zu forcieren. Er flog dicht über dem Meer und gewann ganz langsam an Höhe, Zentimeter um Zentimeter. Schließlich hatte er noch tausend Kilometer Meer vor sich.«