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»Ist er angekommen?«

»Als er sich in der Ferne verloren hatte, eröffnete man mir, dass das Feuer in Tampico sehr rasch um sich griff und auch ich starten müsse, für den Fall, dass Gus es nicht schaffte. Wir durften keine Zeit mehr verlieren. Man bot mir die ganze Summe an, selbst wenn sich später herausstellen sollte, dass Gus sein Ziel erreicht hatte. In diesem Fall sollte ich meine ganze Ladung Nitroglyzerin über dem Meer aus der Maschine werfen. Und so habe ich es dann auch gemacht.«

»Du hast das ganze Zeug ins Meer gekippt? Das kann ich nicht glauben!«

»So war es aber«, erklärte Jimmie. »Schon beim Start habe ich Todesängste ausgestanden, und auch während des ganzen Fluges. Die alte Douglas war von der Marine zu Recht ausgemustert worden. Sie wollte einfach nicht gehorchen. Jedes Mal, wenn man den Knüppel etwas lockerte, fing sie an zu bocken wie ein wildes Fohlen. Ich musste den Knüppel mit beiden Händen festhalten und so viel Druck ausüben, dass meine Handschuhe schweißgetränkt waren. Als ich endlich ankam und sah, wie Gus mir ein Zeichen machte umzukehren, habe ich gebetet wie noch nie in meinem ganzen Leben. Doch das Schlimmste sollte noch kommen. Meine Hände waren so verkrampft, dass ich die Riemen nicht lockern konnte, mit denen die Ladung festgezurrt war. Ich versuchte, die Fläschchen einzeln aus den Metallbehältern zu nehmen, aber sie rutschten mir weg, weil ich Handschuhe trug. Mein Gott!« Jimmie stöhnte. »Nachdem ich die letzte Flasche abgeworfen hatte, fühlte ich mich wie neugeboren. Ich schwor mir, nie wieder so einen Transport zu fliegen.«

»Ich kann nur hoffen, dass du deinen Schwur einhalten wirst.«

»Ich auch.«

In dieser Nacht schliefen sie leidenschaftlicher miteinander als je zuvor, als hätte die Erkenntnis, dass der Mann, den sie liebte, dem Tod so nahe gewesen war, in ihr ein längst vergessenes, besitzergreifendes Gefühl zu neuem Leben erweckt. Am nächsten Morgen bestand sie darauf, ihn bei seinem Erkundungsflug über den AuyanTepui und den ParanTepui zu begleiten.

Doch als sie die Lagune von Canaima erreichten und die vertraute Route am Fluss Carrao entlang in Richtung Norden flogen, sahen sie schon aus der Ferne, wie sich eine dichte Wolkenwand über die beiden Tafelberge schob. Sie mussten sich damit begnügen, über den nahe gelegenen Cerro Venado, den KúrunTepui und den KuravainaTepui zu fliegen, die noch nicht vom Dunst verhangen waren, und sei es nur, um sich einmal mehr davon zu überzeugen, dass keiner davon der Heilige Berg sein konnte, nach dem sie seit so langer Zeit suchten.

»Morgen starte ich eine Stunde vor Sonnenaufgang«, sagte Jimmie, kaum dass sie gelandet waren. »Ich fliege nach Kompass und werde über diesem verdammten Berg kreisen, sobald es hell wird. Was ist heute für ein Datum?«

»Der vierundzwanzigste März.«

»Dann ist morgen also der fünfundzwanzigste… Ein gutes Datum! Du bist an einem fünfundzwanzigsten geboren und du bist das Beste, was mir je begegnet ist.«

»Ich dachte, du bist nicht abergläubisch«, entgegnete sie, während sie ihn bei der Hand nahm und ins Haus führte.

»Bin ich auch nicht, aber vielleicht sollte ich langsam damit anfangen.«

»Ich komme mit.«

»Nein!«

»Aber…«

»Ich habe nein gesagt. Wenn die Sicht klar ist, will ich versuchen, da oben zu landen. Mit dir an Bord könnte ich das nicht.« Sie wollte etwas einwenden, aber Jimmie brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Bitte!«

Am 25. März 1935, morgens um vier Uhr ließ Jimmie den Motor warmlaufen und riss damit eine erhebliche Anzahl verärgerter Einwohner von Ciudad Bolívar aus dem Schlaf.

Nach einem kurzen Frühstück stand er auf, gab seiner Frau einen Kuss und bestieg die Maschine. Er wartete, dass Mary mit einer Laterne in der Hand bis zum Ende der Piste lief und ihm das Zeichen zum Start gab.

Rechts vereinzelte Lichter, dahinter nichts, links die Laterne, die hin- und herpendelte, und im Hintergrund tiefste Dunkelheit über dem stillen Wasser.

Der unergründliche Orinoco erwartete ihn.

Der König der Lüfte holte tief Luft, seufzte und stimmte schließlich leise sein Lieblingslied an:

Si Adelita se fuera con otro La seguiría por aire y por mar Si por mar en un buque de guerra Si por aire en un avión militar…
Si Adelita quisiera ser mi esposa Si Adelita fuese mi mujer…

Er gab Gas und raste die Piste entlang, ohne den Blick von der leuchtenden Laterne abzuwenden, um dann genau im richtigen Augenblick, keine Sekunde zu früh oder zu spät, mit der ihm eigenen Präzision die stromlinienförmige Tiger Moth in die Luft zu heben.

Er zog einen weiten Bogen über das dunkle Wasser und flog dicht über Marys Kopf hinweg, die ihre Laterne hob und ihm mit der anderen Hand zum Abschied winkte. Dann kreiste er noch einmal über den wenigen Lichtern, die zu dieser frühen Stunde brannten, und verlor sich in der Dunkelheit auf dem Weg ins Landesinnere.

Als er nur noch die dunkle Nacht vor sich hatte, nahm er Kurs nach SüdSüdost, geradewegs auf den Morgen zu, der ihm zu seinem Glück verhelfen sollte.

Er hatte Nachtflüge schon immer gehasst und sagte sich jetzt, dass dieser Flug eigentlich gar kein Nachtflug war. Immerhin graute bereits der Morgen. Er wusste, dass in weniger als einer Stunde die Sonne aufgehen und mit ihrem klaren Licht die schönste und faszinierendste Landschaft erhellen würde, die es auf der Welt gab.

Plötzlich fielen ihm Currys Worte ein: »Du müsstest so viel über die Sterne wissen wie die Polynesien Dann würdest du dich da oben niemals verirren.«

»Was würde mir das jetzt nützen?«, fragte er laut, als würde er sich immer noch mit seinem alten Weggefährten unterhalten. »Im Umkreis von Hunderten von Meilen gibt es nicht einen Flugplatz, der beleuchtet wäre. Und in der Stunde der Wahrheit kommt es nicht darauf an, dass man weiß, wo man gerade ist, sondern wo man landen wird.«

Er wusste nur allzu gut, dass unter ihm eine schwarze Unendlichkeit lag, die mit den ersten Sonnenstrahlen verschwinden würde. Im Augenblick konnte er daher nur abwarten und hoffen, dass der Motor seiner Maschine mitspielte.

Der schnurrte wie ein schmusebedürftiger Kater, der Drehzahlmesser schlug bis zum Anschlag aus, die Kompassnadel zeigte fast genau nach Süden und wich nur wenige Grad nach Osten ab. Der Höhenmesser verriet ihm, dass er stetig und ohne Mühe an Höhe gewann.

Mit seinen modernen Instrumenten hatte er keinerlei Mühe, die Maschine in der Horizontalen zu halten. Er dachte an die heldenhaften Zeiten vor Jahren zurück, als nicht mal der erfahrenste Pilot in der Lage war, ein Flugzeug im Dunkeln oder im dichten Nebel länger als acht Minuten gerade zu halten, ganz einfach, weil er keinen Orientierungspunkt hatte.

Der gewitzte Roland Garros behalf sich mit einer Münze, die er wie ein Pendel von seinem Instrumentenbrett baumeln ließ. Es hieß auch, die deutschen Piloten hätten Wasserwaagen benutzt, eine Methode, die sie den Schreinern abgeguckt hatten.

Aus diesem Prinzip der Wasserwaage hatte ein gewisser Elmer Sperry vor sechs Jahren seinen berühmten Kreiselkompass entwickelt, der es Jimmie nun ermöglichte, ohne Sicht zu fliegen.

Im Wissen, dass es bis zu den Tafelbergen noch eine Weile hin war, lehnte Jimmie sich lässig zurück und schenkte sich eine Tasse heißen Kaffee aus der Thermosflasche ein, die Mary ihm mitgegeben hatte.

Nachts zu fliegen ist eigentlich gar nicht so schlecht, dachte er.

Jedenfalls nicht in einem geräumigen Cockpit mit bequemen Sitzen, modernsten Instrumenten und unter einem sternenfunkelnden Himmel.