Выбрать главу

»Und wirst du mich eines Tages an all dem, was du gelernt hast, teilhaben lassen?«, fragte Jimmie.

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Weil ein alter Papagei das Sprechen nicht mehr lernt, wie man hier zu sagen pflegt. Deine Aufgabe ist es, dich auf diese Diamantenader zu konzentrieren — wenn du sie nämlich nicht bald findest, geraten wir in Teufels Küche. Jeder Flugtag kostet uns ein Vermögen.«

»Ich weiß«, räumte Jimmie schuldbewusst ein. »Ich habe mir gedacht, dass ich ein wenig dazuverdienen könnte, indem ich Interessierte zu den Wasserfällen fliege.«

»Einzeln?«, fragte sie spöttisch. »Komm schon, Liebling, fang nicht wieder an zu träumen. Vielleicht wäre das bei einer Maschine mit vier oder fünf Plätzen rentabel, aber deine Tiger Moth verbraucht mehr Sprit, als du mit einem Passagier jemals einbringen könntest. Und was, wenn du zu dem Tepui kommst und man wegen der dichten Wolkenwand nichts sehen kann? Wirst du den Leuten dann das Geld zurückgeben?«

»Verdammtes Geld!«, rief Jimmie ärgerlich. »Immer scheitert alles daran! Wir stehen vor den Toren zum Ruhm, weil wir das letzte Naturwunder auf der Erde entdeckt haben, und vor den Toren des Wohlstands, weil wir theoretisch eine gesamte Diamantenmine besitzen, und du kannst dir seit Monaten nicht mal ein Paar anständige Schuhe leisten.« Jimmie stieg aus der Hängematte und ging einige Schritte auf die Brüstung zu. Er sah auf den dunklen Fluss, der unter dem sternenübersäten Himmel nur ein schwarzer Fleck war, und fragte: »Was meinst du? Wäre es nicht besser, wenn wir das Ganze vergessen und nach Hause zurückkehren?«

»Unser Zuhause ist jetzt hier«, entgegnete seine Frau schlicht. »Wir haben uns dieses Leben zusammen ausgesucht. Möglich, dass du diese Diamanten niemals finden wirst, aber es ist deine Pflicht, danach zu suchen. Du tust das für dich, für mich, für Dick Curry, John McCracken und sogar für All Williams.«

Doch der Regen ließ einfach nicht nach.

Offenbar wollte das Jahr als das regenreichste aller Zeiten in die an Regen nicht gerade arme Geschichte des venezolanischen Guayana eingehen. Die Tage verstrichen in nervenaufreibender Monotonie. Man konnte nicht viel anderes tun als lesen, reden, fischen und Karten spielen.

An einem stürmischen Nachmittag, als der Himmel von grellen Blitzen zerrissen wurde, tauchte plötzlich der Spanier Félix Cardona in einem grünen Regenumhang und einem breiten durchnässten Hut auf, wie ein Gespenst, das den dunklen Fluten des Orinoco entstiegen war.

»Bekomme ich einen Kaffee bei Ihnen?«, fragte er. Als sie ihm einen Platz anboten, setzte er sich hin, zündete eine Zigarette an und sah Jimmie an. »Stimmt es, dass Sie den Vater aller Flüsse gesehen haben?«

»Ja, das stimmt.«

»Und ist er wirklich so beeindruckend, wie man sich erzählt?«

»Beeindruckender, als man sich je würde träumen lassen.«

»Genau das habe ich befürchtet«, erklärte der Spanier. »Na schön«, fuhr er fort. »Zugegeben, zuerst habe ich mich geärgert, weil ich selbst diese Entdeckung machen wollte. Aber ich gestehe, dass ich schon zu alt bin, um monatelang durch diesen gottverlassenen Dschungel zu marschieren, noch dazu auf die Gefahr hin, erneut zu scheitern. Soweit ich gehört habe, liegt der Wasserfall in der Teufelsschlucht. Der Ort ist so unzugänglich, dass ich selbst niemals dort gesucht hätte.« Er seufzte resigniert. »Deshalb bin ich eigentlich doch froh, dass Sie ihn gefunden haben. So habe ich wenigstens die Gewissheit, dass ich mein Leben nicht vergeudet habe auf der Suche nach etwas, das es gar nicht gibt…« Er nippte an dem vorzüglichen Kaffee, den Mary zubereitet hatte, und sah Jimmie über seine Tasse hinweg an. »Was brauchen Sie?«

Der König der Lüfte rutschte nervös auf der Stuhlkante hin und her.

»Wie bitte? Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«

»Ciudad Bolívar ist so klein, dass Gerüchte sich wie ein Lauffeuer verbreiten«, antwortete Cardona freimütig. »Ich habe gehört, dass Sie in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Ein paar Freunde und ich finden es nicht gerecht, wenn jemand wie Sie, der so entscheidend dazu beigetragen hat, dieses Land, das ich schon fast als meine Heimat betrachte, noch schöner und anziehender zu machen, sich mit solchen Problemen herumschlagen muss.«

»Ich bin Ihnen sehr verbunden, aber…«

»Jetzt zieren Sie sich nicht so!«, unterbrach ihn der Spanier brüsk. »Wir beide sind Piloten und wissen, was das bedeutet. Wir haben die Pflicht, uns jederzeit und unter allen Umständen gegenseitig zu helfen, so wie die Seeleute es untereinander auch tun. Sie sind unter uns Fliegern eine Legende, die noch größer sein wird, wenn Sie beweisen können, dass dieser Wasserfall tatsächlich existiert. Für mich und für alle, die so denken wie ich, wäre es eine ungeheuerliche Schande, wenn wir Ihnen in dem Augenblick, in dem Sie es am meisten brauchen, nicht zur Hilfe kommen würden.«

»Ich habe Ihnen auch nicht geholfen, als Sie mich darum baten.«

»Wir hatten unterschiedliche Ziele«, erklärte der Spanier. »Nach dem, was mit Ihrem Freund Dick Curry geschehen ist, fand ich es nur logisch, dass Sie keine weitere Verantwortung übernehmen wollten.« Er deutete mit einer Geste auf Mary, die das Gespräch aufmerksam verfolgte. »Ihre Frau kam damals zu mir und hat mir Ihre Gründe erklärt. Und ich habe sie verstanden. Ich weiß, dass Sie mir meinen Wasserfall nicht stehlen wollten, aber das Schicksal hat es so gewollt. Was mich angeht, so ist dieses Thema erledigt.« Er sah ihm in die Augen. »Und jetzt sagen Sie mir schon, was Sie am nötigsten brauchen.«

»Es gibt nichts, was ich…«

»Jimmie Angel!«

Das war die vorwurfsvolle Stimme seiner Frau.

»Ich kann doch nicht…«

»Vergiss endlich deinen Stolz!«, ermahnte ihn seine Frau scharf. »Und sei nicht so dickköpfig! Wenn du in Lebensgefahr wärst und ein anderer Pilot dir zu Hilfe käme, fändest du es völlig normal, weil auch du dein Leben für den anderen riskiert hättest. Aber wenn man dir Geld anbietet, schlägst du es aus.« Sie schnaubte verächtlich. »Ihr Männer seid so verdammte Machos, dass ihr dem Geld mehr Bedeutung schenkt als dem Leben!«

»Sie sprechen mir aus der Seele, Señora!«, pflichtete der Spanier bei und sagte anschließend an Jimmie gewandt: »Außerdem sollten Sie nicht vergessen, dass es nicht nur meine Idee gewesen ist. Wie gesagt, ich gehöre zu einer Gruppe von Gleichgesinnten, die alle der Meinung sind, dass man Ihnen gegenüber ungerecht ist. Manche Journalisten haben Sie sogar als Aufschneider und verrückten Gringo beschimpft. So etwas bringt mich einfach auf die Palme.«

Lange Zeit herrschte völlige Stille, während Jimmie mit gerunzelter Stirn und finsterem Gesicht grübelte. Seine Frau und der Spanier beobachteten ihn.

Schließlich schien er eine Idee zu haben.

»Und was wäre, wenn wir eine Gesellschaft gründen?«, schlug er vor. »Sie finanzieren mein Unternehmen und ich…«

»Zum Teufel noch mal, Sie Gringo!«, rief Cardona und lachte. »Man hat mich hergeschickt, damit ich Ihnen unter die Arme greife, und Sie faseln von einer Gesellschaft! Für wen halten Sie uns eigentlich? Für Bankiers? Oder Anwälte? Wir sind Träumer, keine Geschäftsleute!«

»Sehr richtig.«

»Vielen Dank, Señora. Mit Ihnen verstehe ich mich viel besser als mit diesem Dickkopf.«

»Jetzt ist aber Schluss!«, fuhr Jimmie dazwischen. »Es war ja nur eine Idee.« Er schenkte sich Kaffee nach und ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Ich kann nicht leugnen, dass uns langsam die Felle davonschwimmen, wie man so schön sagt«, räumte er schließlich ein. »Der Sprit, das Öl, die Ersatzteile, die Miete für das Haus haben unsere letzten Ersparnisse aufgezehrt. Wir besitzen praktisch nur noch die Maschine, aber ein Flugzeug ohne Sprit ist nichts wert. Wenn es zu regnen aufhört und ich jemanden zu den Wasserfällen fliegen kann, ändert sich die Lage vielleicht, aber im Augenblick sieht es ganz und gar nicht gut aus.«