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»Das ist schon besser!«, sagte Félix Cardona erleichtert, zog einen braunen Umschlag aus der Brusttasche und legte ihn diskret auf den Tisch. »Dieses Geld stammt von Freeman, Aguerrevere, Gustavo Henry, Mundó, Armaral, López Delgado und noch einigen anderen. Es ist keineswegs eine milde Gabe. Das Geld ist dazu bestimmt, den Beweis für diesen Wasserfall zu erbringen. Nimm einen Notar mit, mein Junge, mach Fotos oder was immer du willst, aber erbring den Beweis.« Er lächelte herzlich und schlug ihm sanft auf das Knie. »Und wenn es aufklart, kannst du uns hinfliegen. Wir wären zufrieden, wenn wir dieses Wunder mit eigenen Augen sehen könnten. Abgemacht?«

»Abgemacht!«

Nachdem ihr Gast gegangen war, setzte sich Mary Angel zu ihrem Mann, der gedankenverloren seine Pfeife paffte und auf den ungeöffneten Umschlag starrte.

»Woran denkst du?«, fragte sie.

»Ich weiß es nicht«, antwortete er unsicher. »Einerseits bin ich wegen der Solidarität dieser Menschen, die ich nicht einmal kenne, tief bewegt, andererseits passt es mir nicht in den Kram, dieses Geld annehmen zu müssen. Du kannst es drehen und wenden, wie du willst, es bleibt eine milde Gabe.«

»Das sehe ich nicht so«, widersprach seine Frau unbefangen. »Wenigstens gibt es ein paar Leute, die deine Leistung würdigen. Sieh es als eine Art Preis, den die venezolanische Regierung an dich vergeben hat.«

»Red keinen Unsinn!«, fuhr Jimmie sie an. »Es ist weder ein Preis noch sonst irgendwas. Es ist der Beweis dafür, dass ich es mit meinen sechsunddreißig Jahren nicht geschafft habe, mir eine sichere Existenz aufzubauen. Was wird aus dir werden, wenn ich eines Tages abstürze?«

»Dann werde ich in meinen alten Beruf zurückkehren und Gott dafür danken, dass ich so lange Zeit glücklich sein durfte. Das ist mehr, als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben bekommen.«

»Du hast wirklich eine Gabe, schwierige Dinge einfach darzustellen.«

»Weil sie im Grunde genommen ganz einfach sind«, entgegnete Mary, ohne seinen Worten eine besondere Bedeutung beizumessen. »Ich war ein ganz gewöhnliches Mädchen, bis ich dich kennen gelernt habe. Und da ich wesentlich jünger bin als du und weiß, dass du einen gefährlichen Job hast, gehe ich ohnehin davon aus, dass du vor mir stirbst. Du wirst also nur ein Intermezzo in meinem Leben sein. Allerdings wünsche ich mir, dass dieses Intermezzo solange wie möglich dauert.«

»Auch wenn du dafür in einem Loch am Ende der Welt leben musst?«

»Das ist kein Loch. Es ist unser Zuhause. Und es liegt auch nicht am Ende der Welt. Es ist das Tor zur letzten jungfräulichen Zuflucht auf dieser Welt, und obendrein zu deinen Wasserfällen. Du solltest endlich aufhören zu jammern. Ich bin nämlich stolz darauf, dass eine Gruppe von Unbekannten die Verdienste meines Mannes zu würdigen weiß.«

»Du hast immer auf alles eine Antwort. Und bist mit allem zufrieden.«

»Warum auch nicht? Ich hatte eine langweilige Arbeit ohne Perspektiven in einer trostlosen, kalten Stadt. Dann bist du in mein Leben getreten und mit dir kamen Träume und die Liebe an einem phantastischen Fluss in einem warmen, freundlichen Land. Ich würde einen Tritt in den Hintern verdienen, wenn ich nicht zufrieden wäre. Gewiss, ich muss bange Augenblicke durchmachen, aber dann erinnere ich mich daran, dass man dich nicht umsonst den König der Lüfte nennt.«

»Den König der Lüfte. Dass ich nicht lache!«, rief Jimmie spöttisch. »Ein König, dessen Untertanen Enten und Reiher sind.« Er beugte sich vor und griff nach dem Umschlag. »Mal sehen, wie viel drin ist und wie lange es uns über Wasser halten kann.«

Der Betrag war nicht allzu üppig, denn die finanziellen Möglichkeiten derer, die ungefragt ihre Hilfe angeboten hatten, waren auch nicht besonders groß. Aber es genügte, um den Berg von Schulden, die sie gemacht hatten, abzutragen, die Maschine zu warten und zwei neue Reifen zu kaufen. Die alten waren nur noch Flickwerk.

Anfang Dezember, später als sonst, hörte der Regen endlich auf, doch der Boden hatte sich in einen tiefen Sumpf verwandelt. Dichte Wolken, die aus den Kordilleren im Süden kamen, zogen noch immer über die Gran Sabana. So wie beim letzten Mal nachts von Ciudad Bolívar abzuheben schien ganz und gar unmöglich.

Gelegentlich startete Jimmie, kaum dass die Sonne am Horizont erschien, und flog bis zur Mündung des Caroní, der sich mittlerweile in einen reißenden Strom verwandelt hatte. Meistens brauchte er nicht mal bis zur Lagune von Canaima vorzudringen, um zu erkennen, dass der Horizont keinerlei Aussicht auf Besserung bot.

Man hatte den Eindruck, dass die launische Natur sich alle Mühe gab, den Schatz, den sie nur ein einziges Mal einem einzigen Menschen auf der Welt offenbart hatte, zu verbergen. Als hätte sie diesen Augenblick der Schwäche bereut und versuchte jetzt, den ungeschützten Wasserfall mit einem Schleier aus Wasser und Wolken zu verhüllen.

Es war zum Verzweifeln.

Dieses Wunder der Natur lag nur zwei Flugstunden entfernt, doch er konnte es niemandem zeigen.

»Keiner nimmt ihn dir weg«, erinnerte ihn seine Frau.

»Nein! Keiner kann ihn mir wegnehmen«, pflichtete er ihr bei. »Aber wenn noch mehr Zeit vergeht, wird der Wasserfall austrocknen und ich kann ihn niemandem zeigen. Verstehst du?«

»Ja, das versteht sogar ein Esel. Wenn es nicht regnet, gibt es keinen Wasserfall, und wenn es regnet, kann man ihn nicht sehen… tolle Aussichten! Kein Wunder, dass es fünfhundert Jahre gedauert hat, ihn zu entdecken. Wie viel Wasser wird sich da oben aufstauen? Und wie lange hält es an?«

»Keine Ahnung«, gab Jimmie aufrichtig zu.

»Aber so ungefähr?«

»Ich schätze, dass der Berg oben einen Durchmesser von dreißig mal zwanzig Kilometern hat«, sagte Jimmie ohne rechte Überzeugung. »Wenn die Tafelberge aus Sandstein bestehen und die ältesten geologischen Formationen der Welt sind, wie man behauptet, hat sich in Abermillionen von Jahren das Regenwasser dort oben vermutlich eine Art Becken geschaffen.«

»Glaubst du das wirklich?«, fragte Mary. »Dass es ein riesiges Reservoir ist, das bei Regen überläuft und einen Wasserfall bildet?«

»Nicht ganz«, berichtigte ihr Mann. »Soweit ich sehen konnte, entspringt das Wasser nicht ganz oben am Rand des Berges. Wenn es so wäre, würde es auf allen Seiten gleichzeitig überlaufen.« Er hielt inne, um es ihr besser zu erklären. »Der Wasserstrahl kam etwa zwanzig Meter unterhalb des flachen Gipfels heraus, als hätte jemand ein riesiges Loch in den Fels gebohrt, aus dem er dann tausend Meter tief in die Schlucht stürzt.«

»Das muss phantastisch sein!«

»Ja, ist es auch«, gestand Jimmie. »Bald wirst du es selbst sehen können.« Besorgt kratzte er sich den Kopf. »Allerdings kann ich nicht einschätzen, wie viel Regen gefallen ist, oben aufgefangen wurde und weiterhin fallen wird. Vielleicht dauert es zwei, vielleicht drei Monate, bis sich das Becken entleert hat. Wer weiß?«

»Was passiert, wenn du die ersten Leute hinfliegst und der Wasserfall ausgetrocknet ist?«

»Dann stehe ich dumm da und die Leute werden mich für einen Schwindler halten.«

»Verfluchter Wasserfall«, klagte sie. »Mit Regen lässt er sich nicht blicken und ohne Regen existiert er nicht!«

»Genau das macht seinen Zauber und sein Mysterium aus. Er wird nicht von Touristen heimgesucht werden wie die NiagaraFälle. Wer diesen Wasserfall sehen will, muss ihn sich verdienen.«

Das traf auch auf sie selbst zu; doch schließlich klarte es auf. Fast zehn Monate, nachdem er den Wasserfall zum ersten Mal gesehen hatte, gelang es Jimmie endlich, die ersten Zeugen zu dem Naturwunder zu fliegen, dem er seinen Namen gegeben hatte. Sie fotografierten es und bestätigten, dass der Höhenmesser tatsächlich vom Fuß der Steilwand bis zum flachen Gipfel tausend Meter anzeigte.